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Gesundheit

Wien plant Darmkrebs-Früherkennungsprogramm

Wien plant ein Früherkennungsprogramm für Darmkrebs, das zu Hause durchgeführt werden kann – nach dem Vorbild von „Alles gurgelt“. Die Erkrankung lässt sich durch die Früherkennung gut behandeln, doch die Beteiligung an der Vorsorge wie der Darmspiegelung ist gering.

Die gesetzliche Grundlage für ein bundesweites Früherkennungsprogramm wurde im Sommerministerrat geschaffen. Wien, das als Pilotregion vorgesehen ist, strebt dabei ein Konzept an, das ein wenig an das „Alles gurgelt“-Testsystem.

Tatsächlich diene „Alles gurgelt“ als Vorbild, wie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) unlängst der Tageszeitung „Presse“ sagte. Etabliert werden soll ein neues Früherkennungsprogramm, bei dem eine Stuhlprobe zu Hause entnommen und ins Labor eingeschickt wird.

Blut im Stuhl als Alarmsignal

Ist Blut im Stuhl, werden Betroffene verständigt und bekommen einen raschen Termin für eine Darmspiegelung. Zielgruppe sind Personen im Alter von 45 bis 75 Jahren. Je früher Darmkrebs entdeckt wird, desto besser ist er behandelbar. Werden die Polypen, die für zunächst gutartige Wucherungen der Darmschleimhaut verantwortlich sind, rechtzeitig entdeckt und abgetragen, kann die Entstehung eines Karzinoms verhindert werden.

Bei einer Diagnose im frühen Stadium ist eine Heilung von Darmkrebs gut möglich. In 60 Prozent der Fälle wird er aber erst sehr spät erkannt, weil viele die vorsorgliche Darmspiegelung scheuen – trotz mittlerweile angewendeter Kurznarkose.

Dritthäufigste Krebserkrankung

Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung in Österreich. 60 Prozent aller in Österreich zwischen 2017 und 2019 gestellten Diagnosen wurden erst gestellt, als der Tumor vergrößert war und Organgrenzen durchbrochen hatte. Laut den letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2019 erkrankten in Österreich 4.444 Personen neu an Darmkrebs, davon 2.534 Männer und 1.910 Frauen.

Bei Wienerinnen und Wienern belief sich die Zahl auf 678, davon 351 Männer und 327 Frauen. Darmkrebs bleibt mit elf Prozent aller Neuerkrankungen bei Männern und zehn Prozent aller Neuerkrankungen bei Frauen nach Prostatakrebs (nur bei Männern), Brustkrebs (nur bei Frauen) und Lungenkrebs die dritthäufigste Krebsart.

Zuschlag im Februar 2024

Derzeit werden die Rahmenvereinbarungen für das Screening ausgeschrieben – und zwar für die Abwicklung der Stuhltests und jene der Darmspiegelungen separat. Der Zuschlag soll im Februar 2024 erfolgen, heißt es aus dem Büro von Hacker. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sich hier unterschiedliche Anbieter bewerben werden, vielleicht sind auch Konsortien dabei, mir ist alles recht“, meinte Hacker unlängst in der „Presse“.

Die meisten EU-Länder haben laut Hacker-Büro bereits organisierte Darmkrebs-Screening-Programme implementiert. Im Stichjahr 2020 waren es 20 EU-Mitgliedstaaten. Diesen Umstand möchte die EU-Kommission weiter bestärken und die Mitgliedstaaten bei der Krebsvorsorge unterstützen. Ziel sei es, bis 2025 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die für Darmkrebs-Screenings infrage kommen, ein solches Screening anzubieten.

Kritik von Ärztekammer

Kritik an dem Projekt kam seitens der Wiener Ärztekammer. Zwar sei ein Vorsorgeprogramm dieser Dimension grundsätzlich sinnvoll und notwendig, das Wiener Modell – also zunächst ein Stuhltest und erst bei einem positiven Ergebnis eine Darmspiegelung – habe aber eine entscheidende Schwäche.

„Wir sehen das kritisch, weil diese Schnelltests erst anschlagen, wenn ein Darmpolyp in der Größe weit fortgeschritten und bereits Blut im Stuhl vorhanden ist. Hingegen können mit einer Koloskopie bereits kleine Polypen in einem weit früheren Stadium im Rahmen der Untersuchung erkannt und gleich entfernt werden“, sagt Bonni Syeda, Internistin und Obfrau der Sektion Fachärzte.

Darüber hinaus müsse nach einem positiven Stuhlschnelltest erst recht wieder eine Koloskopie durchgeführt werden. „Daher sollte den am Programm teilnehmenden Menschen primär eine Darmspiegelung angeboten werden und lediglich bei Gegenanzeigen (etwa Angst vor Darmspiegelung, Anm.) der Stuhltest.“ Andernfalls bestehe die Gefahr, dass anstatt einer tatsächlichen Krebsvorsorge künftig nur eine Krebsfrüherkennung erfolgen werde.

Hacker: „Streit um des Kaisers Bart“

Für Hacker ist diese „müßige Debatte“ ein „Streit um des Kaisers Bart“. Vom Austrian National Committee for Cancer Screening würden beide Screeningatrategien als gleichwertig angesehen. „Wir wollen einfach mehr Menschen zwischen 45 und 75 Jahren zur Vorsorge motivieren“, sagt Hacker.

„Dass zunächst ein Stuhltest angeboten wird und erst bei einem positiven Ergebnis auch eine zusätzliche Darmspiegelung, hat in erster Linie den Zweck, Ordnung in das Vorsorgeprogramm zu bringen. Ein Stuhltest ist leichter durchzuführen und angenehmer als eine Darmspiegelung, daher glauben wir, dass wir auf diesem Weg die Bevölkerung eher animieren mitzumachen.“