Fassade mit Aufschrift Privatkindergarten
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

Anklage gegen „Alt-Wien“-Kindergartenbetreiber

Sechs Jahre nach Beginn der Ermittlungen gegen die Betreiberfamilie der „Alt-Wien“- Kindergärten gibt es nun eine Anklage und einen Prozesstermin. Die Vorwürfe lauten schwerer Betrug, Untreue, betrügerische Krida und Geldwäsche.

Wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Mittwoch bekanntgab, wurden neben dem Gründer des Vereins fünf weitere Personen zur Anklage gebracht. Der erste Termin für die Verhandlung am Wiener Landesgericht ist am 4. Oktober.

Der Hauptangeklagte soll sich von der Stadt Wien über Jahre hinweg Fördermittel erschlichen und mindestens 16 Millionen Euro zweck- und widmungswidrig privat verwendet haben. Unter anderem soll er mehrere Immobilien für seine vier Kinder gekauft und renoviert haben, wobei er für die Bauarbeiten gleichzeitig als Bauunternehmer agierte. Die Handwerker stellte er dann beim Verein an bzw. rechnete diese über den Verein ab, heißt es.

Anklage gegen Kindergartenbetreiber

Sechs Jahre nach Beginn der Ermittlungen gegen die Betreiberfamilie der „Alt-Wien“- Kindergärten gibt es nun eine Anklage und einen Prozesstermin für den mutmaßlichen Fördergeldmissbrauch. Die Vorwürfe lauten schwerer Betrug, Untreue, betrügerische Krida und Geldwäsche. Der erste Termin für die Verhandlung am Wiener Landesgericht ist am 4. Oktober.

Reaktion des Hauptangeklagten

Der 82-jährige Hauptangeklagte meinte gegenüber Ö1, niemand sei geschädigt worden. Denn man habe die gekauften Wohnungen als zusätzliche Kindergartenräume verwendet, wovon die Stadt profitiert habe. Seine Familie habe rund um die Uhr für die über 30 Kindergärten gearbeitet – aber keine Gehälter bezogen.

Vor Einführung des beitragsfreien Kindergartens habe Alt-Wien pro Kind 280 Euro von den Eltern verlangt, die Stadt Wien aber habe 500 pro Kind bezahlt, anderen Betreibern sogar mehr, so der frühere Vereinskassier. Das überschüssige Geld habe man eben in zusätzliche Kindergartenplätze investiert.

700-Seiten-Bericht der WKStA

Die WKStA hatte ihre Ermittlungen Ende August 2016 eingeleitet, wobei mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt und die Buchhaltung sowie umfangreiche Unterlagen sichergestellt wurden. Das gesamte Material wurde durch Wirtschaftsexperten der WKStA in einem 700-Seiten-Bericht penibel aufgearbeitet.

„Dies war vor allem deshalb nötig, da der Hauptangeklagte unzählige private Ausgaben in den Verein packte, von Verkehrsstrafen über Rechnungen für private Küchen und Urlaube auf Kreuzfahrtschiffen bis hin zu Pelzmänteln und Opernbesuchen“, gab die Strafverfolgungsbehörde nun bekannt.

Scheinrechnungen und manipulierte Unterlagen

Grundsätzlich soll der Mann seinen Lebensunterhalt und die gesamte Familie mit Mitteln des gemeinnützigen Vereins finanziert haben. Er betrieb laut Anklage sogar eine Reitschule. Der Hauptangeklagte hatte von 2009 bis 2016 eine Vollförderung der Stadt Wien in Höhe von insgesamt 36 Millionen Euro kassiert – diese Summe stellt den von der WKStA inkriminierten Schaden dar, der verfahrensgegenständlich sein wird.

Der Mann soll großteils mit Scheinrechnungen und manipulierten Buchhaltungsunterlagen operiert haben, auch die Jahresabrechnungen waren offenbar verfälscht. Was das Plündern der Fördertöpfe für seine eigenen Zwecke anlangt, hält die WKStA fest: „Die jährlichen Privatentnahmen überstiegen jene eines dem Geschäftsführer eines Kindergartens zustehenden jährlichen Gehalts um ein Vielfaches.“

773 Kinder suchten neue Plätze

Der Verein „Alt-Wien – MUKU – Arbeitsgemeinschaft für multikulturelle Kindergartenpädagogik“ bestand seit 1966. 50 Jahre später – im Sommer 2016 – betrieb er an 32 Standorten Kindergärten und in neun Niederlassungen Horte. Bis zu 2.300 Kinder wurden in Wien in Einrichtungen des Vereins betreut. Nach Auffliegen finanzieller Unregelmäßigkeiten wurde seitens der Stadt Wien ein Subventionsstopp verhängt, im August 2016 musste der Verein Konkurs anmelden.

773 Kinder standen damals auf der Straße, ihre Eltern bzw. die Stadt Wien mussten die Kleinen auf die Schnelle in anderweitigen Betreuungsplätzen unterbringen.