Chronik

Homosexueller Ex-Polizist bekommt Entschädigung

Ein homosexueller Wiener Ex-Polizist ist jahrzehntelang wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert worden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht vor kurzem festgestellt. Der mittlerweile 82-Jährige bekam nun eine Entschädigung von 20.000 Euro zugesprochen.

Der damalige Revierinspektor war 1974 nach wegen versuchter gleichgeschlechtlicher Unzucht mit Personen unter 18 Jahren zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden. In weiterer Folge wurde er deswegen aus dem Polizeidienst entlassen. Seine Ruhegenussansprüche wurden um 25 Prozent gekürzt.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt nun unter anderem fest, dass die Tat damals nicht strafbar gewesen wäre, wenn es um heterosexuelle oder lesbische Handlungen gegangen wäre. Eine Disziplinarstrafe wäre zwar möglich gewesen, wäre aber viel milder ausgefallen und hätte keinesfalls die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss gerechtfertigt.

Rechtsstreit seit 2009

Bereits 2009 verlangte der Anwalt des Mannes, Helmut Graupner, unter Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die Nachzahlung der Differenz zur regulären Pension und eine Entschädigung für die erlittene Diskriminierung des Ex-Polizisten.

Das wurde von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVAEB) mangels angeblicher Rechtsgrundlage abgelehnt. Darauf kämpfte sich Graupner bis zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und schließlich zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durch. Dieser entschied 2019, dass der strafweise Pensionsabzug als eine verbotene Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung anzusehen und der Betroffene zu entschädigen ist.

Versicherungsanstalt verweigerte Entschädigung

Seit Sommer 2020 erhält der Mann die volle Pension aus seiner Zeit als Polizeibeamter. Die zu Unrecht gekürzten Beiträge bekam er nachträglich ausbezahlt – allerdings erst für die Jahre ab 2003. Hinsichtlich der davor gekappten Beiträge war Verjährung eingetreten.

Was die Diskriminierung des schwulen Ex-Polizisten betrifft, verweigerte die Versicherungsanstalt eine Entschädigung und wurde dabei vom Bundesverwaltungsgericht zunächst bestätigt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob diese Entscheidung jedoch als willkürlich auf, der Fall ging zurück ans Bundesverwaltungsgericht.

Nun gibt es ein neues Erkenntnis, vom 29. August 2023. Darin heißt es: „Es steht fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner sexuellen Orientierung und seines Geschlechts diskriminiert wurde, was eine Demütigung des Beschwerdeführers darstellte.“ Der Mann habe eine persönliche Beeinträchtigung, weil er nicht mehr als Polizist arbeiten haben könne, öffentlich geoutet worden sei und sich Kollegen, Freunde und Bekannte von ihm abgewandt hätten.

Höhe für Anwalt „Schlag in die Magengrube“

Das Bundesverwaltungsgericht billigte dem 82-Jährigen eine Entschädigung von 20.000 Euro zu, wobei im schriftlichen Erkenntnis auf die „extrem lange Dauer der Diskriminierung“, das Vorliegen einer Mehrfachdiskriminierung sowie „den im beruflichen und privaten Umfeld bewirkten Ansehensverlust“ verwiesen wird. Darüber hinaus sei die Höhe der Entschädigung „hinreichend abschreckend und präventiv, sodass damit ähnlich gelagerte Fälle zukünftig verhindert werden sollen und den europarechtlichen Vorgaben Genüge getan wird“.

Der Ex-Polizist und sein Anwalt hatten allerdings eine Entschädigung in Höhe von 100.000 Euro begehrt. Daher sei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht „nach über 14 Jahren Justizkampf ein weiterer Tiefschlag in die Magengrube“, so Rechtsanwalt Graupner in der aktuellen Ausgabe der Online-Zeitschrift „Ius amandi“. 20.000 Euro zahle die Republik Österreich als Rechtsträger der BVAEB „mit einem müden Lächeln aus der Portokasse“. Graupner will daher in dieser Sache wieder den VwGH und den VfGH bemühen.

Paragraph 209 seit 2002 außer Kraft

Der umstrittene Paragraph 209 des Strafgesetzbuch ist seit August 2002 außer Kraft, nachdem der VfGH die homophobe Sonderstrafbestimmung als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Dessen ungeachtet ist laut Anwalt Graupner für den 82 Jahre alten Ex-Polizisten die infolge seiner strafrechtlichen Verurteilung ergangene Disziplinarstrafe weiter aufrecht.

Die Disziplinarkommission der Polizei hatte dem Mann seinerzeit eine „abwegige Neigung“ bescheinigt und festgestellt, dieser habe „eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen“ begangen. Es stehe außer Frage, „dass Homosexuelle in den Reihen der Sicherheitsexekutive für diese an sich schon eine arge Belastung darstellen“, befand seinerzeit die Disziplinarbehörde.