PROZESS GEGEN GRÜNDER DER „ALT-WIEN“-KINDERGÄRTEN WEGEN SCHWEREN BETRUGS, UNTREUE UND BETRÜGERISCHER KRIDA
APA/HELMUT FOHRINGER
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CHRONIK

„Alt Wien“ -Prozess: Thema Privatentnahmen

Am Freitag ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den ehemaligen Betreiber der „Alt-Wien“-Kindergärten fortgesetzt worden, der sich Subventionen in Höhe von 36 Millionen Euro erschwindelt haben soll.

Zu diesen sogenannten Privatentnahmen bemerkte der 82-Jährige Hauptangeklagte: „Ich glaub’ nicht, das ich im Jahr zwei Millionen am Schädl g’haut habe.“ Grundsätzlich hätten sich er und seine mittlerweile verstorbene Ehefrau, die 1966 die „Alt-Wien“-Kindergärten gegründet und im Lauf von fast 50 Jahren zu einer Institutionen mit zuletzt 33 Standorten und rund 2.300 betreuten Kindern aufgebaut hatten, für die Führung der Geschäfte „bescheidene Gehälter“ ausbezahlt, erklärte der Hauptangeklagte.

Neben ihm müssen sich auch seine vier Kinder im Alter zwischen 43 und 56 Jahren sowie eine ehemalige Mitarbeiterin vor einem Schöffensenat verantworten. Zusätzlich habe es aber „immer wieder“ private Entnahmen aus dem Verein gegeben, gab der 82-Jährige unumwunden zu. Die diesbezügliche Aufstellung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei vermutlich „mehr oder weniger richtig“.

Privatentnahmen mit Frau abgestimmt

„Wenn es Privatentnahmen gegeben hat, war das mit meiner Frau abgestimmt. Die war Vorstand des Vereins und sie hat gesagt, wir arbeiten genug und das ist als Kompensation für die Leistung für den Verein. Da wären die eine oder andere Urlaubsreise oder ein Pkw gerechtfertigt“, gab der 82-Jährige zu Protokoll. Es sei sich ja immer alles „zugunsten des Vereins ausgegangen“, die Privatentnahmen hätten in Summe „jedenfalls weniger als 200.000 Euro im Monat“ ausgemacht.

PROZESS GEGEN GRÜNDER DER „ALT-WIEN“-KINDERGÄRTEN WEGEN SCHWEREN BETRUGS, UNTREUE UND BETRÜGERISCHER KRIDA
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Der 82-Jährige Hauptangeklagte im Großen Schwurgerichtssaal

Laut Anklage wurden von den 16 Millionen Euro 3,5 Mio. für den Ankauf von sieben Liegenschaften verwendet. Weiters wurden damit Zinshäuser finanziert, saniert und renoviert, eine Tochter erhielt einen Reitstall samt Reitschule, der einzige Sohn eine Ballettschule. 500.000 Euro sollen für Kleidung, Zahnarztrechnungen und Hausrat der Familie aufgewendet worden sein, weitere 100.000 Euro für Urlaube, Kreuzfahrten und Konzert- und Theaterkarten.

Gemeinnützigkeit vorgetäuscht

Laut Anklage funktionierte der inkriminierte Förder-Betrug deshalb, weil der 82-Jährige gegenüber der Stadt Wien die Gemeinnützigkeit seines Vereins vorgetäuscht habe, wofür es eine so genannte Vollförderung gab. In Wahrheit sei es dem Mann von Anfang an um Gewinnerzielung und Vermögensvermehrung gegangen, nimmt die WKStA an. Das stellte der Hauptangeklagte am zweiten Verhandlungstag erneut entschieden in Abrede: „Wenn ich das Bedürfnis gehabt hätte, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, hätte ich das schon vor 40 Jahren gemacht.“

Im Anschluss versuchte der Mann der vorsitzenden Richterin Mona Zink-Farkas zu erklären, wie er die Buchführung bewältigt hatte. Er habe 2009 ein neues Computer-Programm bekommen, mit dem er die Jahresabrechnungen erstellt habe, schilderte er. Auf Vorhalt, dass es für die 2009 und 2011 nur Salden-Listen, aber keine Bilanz, keine Gewinn und Verlust-Rechnung und keinen Anhang gebe, meinte der einstige Herr über Dutzende Kindergärten, das könne nicht sein: „Ich hab’ doch einen Knopf gedrückt und hatte das Ergebnis.“

Eigenes Verständnis von Buchhaltung

Die Richterin zeigte sich zunehmend irritiert: „Sie haben schon ein eigenes Verständnis von Buchhaltung.“ Ob er nicht auf die Idee gekommen sei, sich externe Hilfe zur Bewältigung des Buchhalterischen zu holen? „Niemals“, erwiderte der 82-Jährige, „es hat nicht die Erfordernis gegeben. Ich konnte die Vorgaben der MA 10 (die Wiener Kindergärten, Anm.) erfüllen.“ „Die Vorgaben des Gesetzes haben Sie nicht erfüllt“, belehrte ihn die Richterin. – „Das habe ich nicht realisiert.“

Erste Hinweise auf Ungereimtheiten in der Buchhaltung der „Alt-Wien“-Kindergärten waren 2013 bei einer Überprüfung durch den Stadtrechnungshof zutage getreten. Daraufhin wurde ein Wirtschaftsprüfer beigezogen, der die Unregelmäßigkeiten bestätigte und außerdem den Verdacht auf Privatentnahmen äußerte. Ein Förder-Stopp wurde allerdings erst im August 2016 verhängt, woraufhin die „Alt-Wien“-Kindergärten Konkurs anmeldeten. 773 Kinder standen damals auf der Straße, für die auf die Schnelle anderweitige Betreuungsplätze gefunden werden mussten.

Urteil möglicherweise erst 2024

Der Prozess um schweren gewerbsmäßigen Betrug, Untreue, betrügerische Krida und Geldwäscherei ist vorerst bis Ende Oktober anberaumt. Weitere Verhandlungstage im Spätherbst folgen, Urteile könnte es erst 2024 geben. Für den vormaligen „Alt-Wien“-Chef geht es im Fall einer Verurteilung um bis zu zehn Jahre Haft.