PHYSIK-NOBELPREISTR€GER FERENC KRAUSZ BESUCHT DIE TECHNISCHE UNIVERSIT€T WIEN
APA/GEORG HOCHMUTH
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WISSENSCHAFT

Nobelpreisträger an „seiner“ TU-Wien

Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz hat heute Wien besucht. Und zwar seine einstige Wirkungsstätte an der TU Wien. Für den Neo-Laureaten waren die Experimente in Wien „definitiv“ Grundlage für den Nobelpreis.

Nur rund 72 Stunden nachdem er erfahren hat, dass der Physik-Nobelpreis 2023 an ihn gehen wird, besuchte Neo-Laureat Ferenc Krausz am Freitag seine alte Wirkungsstätte in Wien. Just in jenem Labor, wo ihm mit seinem Team in der Nacht des 8. September 2001 der entscheidende Durchbruch gelang, durchlebe er nun eine „Achterbahn der Gefühle“: „Hier werden Erinnerungen an die großartigen Erfolge wach“, so Krausz im Untergeschoß des Laborgebäudes der TU Wien in der Gußhausstraße.

Willkommen geheißen wurde der österreichisch-ungarische Physiker, der 2003 als Direktor an das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München wechselte, u.a. vom Leiter des Institut für Photonik der Technischen Universität (TU) Wien, Karl Unterrainer und seinen einstigen Kollegen Andrius Baltuska und Michael Hentschel. „Es ist wunderbar, einige Kollegen aus der damaligen Zeit wiedergesehen zu haben – die schönste Zeit meines Lebens“, betonte der Nobelpreisträger.

Historische Experimente im Kellerlabor

In dem etwas beengten Wiener Kellerlabor „gibt es viele historische Plätze, von denen jeder ein eigenes ‚Nature‘- oder ‚Science‘-Paper verdient hat“, sagte Baltuska vor den Posters mit den Titelseiten dieser Fachmagazine, in denen die bahnbrechenden Experimente veröffentlicht wurden. In besagter Nacht 2001 waren neben Krausz der heute an der TU München tätige Reinhard Kienberger und Hentschel – „den ich heute hier umarmen durfte“ – mit im Labor. Manche Geräte aus den damaligen Versuchsaufbauten erkenne er wieder, so Krausz. Die Experimente in Wien seien „definitiv“ die Grundlage für den Nobelpreis gewesen.

PHYSIK-NOBELPREISTR€GER FERENC KRAUSZ BESUCHT DIE TECHNISCHE UNIVERSIT€T WIEN
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Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz in seinem ehemaligen Labor an der TU-Wien

In einer ersten Reaktion zeigte sich Krausz am Dienstag noch fast ungläubig angesichts des Anrufes aus Stockholm. Daran, dass all das tatsächlich real ist, werde er seither vielfach erinnert: „Sie und ihre lieben Kolleginnen und Kollegen von den Medien sorgen dafür, dass man das mehr und mehr als Wahrheit wahrnimmt“, so der Preisträger gegenüber der APA. „Es ist eine unbeschreibliche Zeit“, rekapitulierte Krausz die vergangenen Tage: „Es ist wunderbar, aber ich hoffe, dass das dann auch bald wieder abklingt und ich wieder mehr zum Arbeiten komme“, so der Physiker, der unmittelbar nach seiner Wien-Kurzvisite nach Budapest weiterreiste, wo ihn ebenso Gratulationen erwarten.

Verleihung Anfang Dezember in Stockholm

Das wird Anfang Dezember in Stockholm erneut so sein. Was dort alles ablaufen wird, habe man versucht, ihm in dem ersten Telefongespräch mitzugeben. Nach der Information über die Zuerkennung sei er dafür allerdings nicht mehr sehr empfänglich gewesen, so der gut gelaunte Laureat, der trotz des Rummels um seine Person nächste Woche mit seiner Forschungsgruppe möglichst unbehelligt seinen „Jahresworkshop“ abhalten will.

Den entscheidenden Schwung aufnehmen konnte das Wiener Team bereits in den 1990er-Jahren, als es weltweit erstmals gelang, einen intensiven sichtbaren Laserpuls herzustellen, „der nur eine einzige Schwingungsperiode“ kurz war. „Das war die Grundlage für alles weitere“, erklärte der Forscher. Diese Pulse nutzte man zum Erzeugen von sogenannten Obertönen des Lichts, worin sich die Attosekundenpulse verbargen.

Attosekundeblitz erstmals 2001 in Wien

Mit den beispiellos kurzen Laser-Pulsen, die das Wiener Team entwickelte, „hatten wir die Hoffnung, erstmals isolierte einzelne Attosekundenblitze erzeugen zu können. Das ist uns in dem Experiment am 8. September 2001 gelungen“, so Krausz: „Das war sicherlich unbeschreiblich, und solche Momente sind jede Mühe wert.“ Den kommenden Generationen an Forscherinnen und Forscher könne er daher nur mitgeben, dass sich die mitunter entbehrungsreiche Arbeit lohnt.

Bald schon seien ihm auch Gedanken gekommen, was sich an Umsetzungen aus den Erkenntnissen ergeben könnte. Der nunmehrige Nobelpreisträger arbeitete daher in den vergangenen Jahren sehr konkret an Anwendungen. Seit 2019 ist Krausz auch als Co-Gründer und Direktor des Center for Molecular Fingerprinting Research in Budapest tätig.

Laser hilft in der Blutforschung

„Das liegt mir persönlich am meisten am Herzen.“ Der Ansatz ist hier, mit extrem kurzen Infrarot-Laserpulsen Blutproben zu durchleuchten. Dabei werden die Moleküle des Blutes zum Schwingen gebracht. „Sie strahlen dann ihrerseits Rotlicht mit sehr vielen Frequenzen aus.“ Dieses „Signal können wir mit der Attosekunden-Messetechnik mit extremer Empfindlichkeit abtasten“, erklärte Krausz: „Die Hoffnung ist – und sie erhärtet sich mehr und mehr –, dass dieser Infrarot-Fingerabdruck eine enorme Informationsmenge über die gesamte molekulare Zusammensetzung des Blutes liefert.“

Damit lasse sich wahrscheinlich die mühsame Suche nach einzelnen Krankheitsanzeigern (Biomarkern) abkürzen und verbessern. „Stattdessen haben wir eine Methode an der Hand, die potenziell alle Moleküle ansprechen kann.“ Jetzt gelte es herauszufinden, „wie sich dieses Signal verändert, wenn irgendeine Krankheit die Zusammensetzung verändert“, erklärte der Physiker.

Anwendung für breites Gesundheitsscreening

So konnte man schon zeigen, dass sich Hinweise auf acht Krebsarten, eine Erkrankung der Herzgefäße oder Diabetes finden lassen. „Das hat uns ermutigt, mehr zu wollen, als einfach einzelne Krankheiten zu detektieren.“ Nun will man beweisen, dass sich der Ansatz für ein breites Gesundheitsmonitoring eignet. Seit drei Jahren läuft dazu in Ungarn eine Studie, mit Zehntausenden Teilnehmern. Die „Träume“ gehen in die Richtung, dieses Screening in weniger als zehn Jahren anbieten zu können, betonte Krausz.

Gerade dieses Projekt sei ein „Paradebeispiel für grenzüberschreitende europäische Kooperationen“. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, wo Krausz eine Professur inne hat, und die neue Einrichtung in Budapest „arbeiten eng zusammen, um dieses Ziel zu verfolgen. Ich denke, das kann auch Beispielcharakter haben, wie man in Europa eigentlich die Kräfte, das Know-how und unser Können, die Welt zu verbessern, bündeln sollte – wie wir zusammenstehen sollten, um große Probleme und Herausforderungen zu meistern“, so der Wissenschafter, der im vergangenen Jahr die Initiative „Science4People“ ins Leben gerufen hat.

Hilfe für Flüchtlinge in der Westukraine

Hier geht es darum, Binnenflüchtlingen im Westen der Ukraine zu helfen. „Die Kinder leiden unter solchen Situationen besonders“, sagte Krausz, der sein wissenschaftliches Netzwerk nützt, um mit gesammelten Spenden Kinder- und Jugendprojekte zu unterstützen. Darin werde auch ein Großteil des Nobel-Preisgeldes fließen.

„Nobelpreis gebietet große Demut“

Der an ihn vergebene Physiknobelpreis „gebietet große Demut“, sagte der österreichisch-ungarische Physiker Ferenc Krausz am Dienstag. Er dankte seiner Familie und seinen Lehrern, „von der Volksschule weg bis an die Universität in Ungarn“, die ihn letztlich dazu bewegt hätten, Physik zu seinem Leben zu machen – mehr dazu in „Nobelpreis gebietet große Demut“ und in Physiknobelpreis an Austro-Ungarn Ferenc Krausz (science.ORF.at).