chronik

Vermeintlicher Terrorist freigesprochen

Mit einem vermeintlichen Mitglied der militant-islamistischen al-Shabaab-Miliz, die in Somalia Terror und Schrecken verbreitet, hat sich am Dienstag ein Schöffensenat am Wiener Landesgericht befasst. Er wurde freigesprochen.

Dem gebürtigen Somalier wurde angelastet, in seiner Heimat für die berüchtigte Terror-Miliz Zwangsabgaben – den sogenannten Zakat- eingesammelt zu haben. Er musste am Ende vom Vorwurf der terroristischen Vereinigung freigesprochen werden. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Eingebracht hatte die Anklage die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, verhandelt wurde aufgrund des Wohnorts des 28-Jährigen in der Bundeshauptstadt. Die Staatsanwältin bezichtigte den Angeklagten, dieser habe vor seiner Flucht nach Europa der Bevölkerung in seinem Dorf und der näheren Umgebung religiöse Abgaben abgepresst. Meistens habe es sich dabei in Ermangelung vom Bargeld um Nutztiere, oftmals Ziegen gehandelt. Aus Furcht vor der al-Shaabab habe man dem Angeklagten die Tiere „ohne weiteres ausgefolgt“, sagte die Anklägerin.

Vor Trainingscamp in Somalia geflohen

Sie musste allerdings einräumen, dass die Vorwürfe ausschließlich auf den Angaben des Beschuldigten fußten, die dieser in seinem Asylverfahren getätigt hatte. Der Mann hatte im Dezember 2020 seine Heimat verlassen. Mit Hilfe von Schleppern gelangte er über die Türkei und Griechenland nach Österreich, wo er um Asyl ansuchte. Vor den Behörden „outete“ er sich als ehemaliges al-Shabaab-Mitglied und gab an, er sei deshalb aus Somalia geflüchtet, weil man ihn in ein Trainingscamp stecken und zum Kämpfer ausbilden wollte. Das habe er mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren können.

Die Asylbehörden und in weiterer Folge auch das Bundesverwaltungsgericht (BvwG) stuften diese Angaben allerdings als unglaubwürdig ein, dem 28-Jährigen wurde Asyl verwehrt. Zugleich wurde aber von den Strafverfolgungsbehörden gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen terroristischer Vereinigung eingeleitet, in dem der Mann als Beschuldigter seine ursprünglichen Angaben bekräftigte und sogar betonte, schon sein Vater sei für die al-Shabaab-Miliz tätig gewesen.

In Somalia als Landwirt gelebt

Vor Gericht erklärte der Somalier nun allerdings, er habe in seinem Asylverfahren bewusst falsche Angaben gemacht und mit der militant-islamistischen Terror-Miliz nie etwas am Hut gehabt: „Ich habe nie in meinem Leben für die al-Shabaab Geld eingetrieben. Ich kenne die nur vom Hören-Sagen. Ich mag sie nicht, weil sie eine terroristische Organisation sind.“ Er habe sich erhofft, in Österreich Asyl zu bekommen, wenn er „eine Geschichte“ erzähle: „Wenn man nichts angibt, kriegt man nichts.“ Er und seine Familie hätten in Somalia „von Landwirtschaft und Ziegen“ gelebt: „In den letzten Jahren hat es bei uns nicht geregnet. Fast alle Ziegen sind verendet.“ Er habe deshalb nicht mehr als Hirte arbeiten können. Aufgrund von „Dürre und Hunger“ habe er sich zur Flucht entschlossen, zuerst nach Mogadischu, in weiterer Folge nach Europa, da es in der somalischen Hauptstadt für ihn keine Perspektiven gegeben habe.

Zwar wurde der Asylantrag des Mannes endgültig abgelehnt, er bekam aber immerhin subsidiären Schutz zugestanden, weil im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention davon ausgegangen wurde, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden drohen würde. Auf die Frage der Staatsanwältin, weshalb er nach Rechtskraft dieser Entscheidung nicht gleich von seinen Angaben im Asylverfahren abgerückt sei und sich – offenbar fälschlicherweise – weiter zur al-Shabaab bekannt habe, erwiderte der Angeklagte: „Ich hatte Angst, dass man mir den subsidiären Schutz wegnimmt und ich als Lügner da stehe.“

Terrorismus-Vorwurf vom Tisch

Der 28-Jährige wurde nach dem Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten vorzugehen ist, freigesprochen. Mangels anderer Beweismittel musste davon ausgegangen werden, dass seine nunmehrigen Angaben der Wahrheit entsprechen. Es liegen schlicht und einfach keine anderweitigen, allenfalls überprüfbaren Informationen zur Person und Lebensgeschichte des 28-Jährigen vor. Die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel, damit ist der Terrorismus-Vorwurf gegen den Somalier vom Tisch.