Mitglieder Der Young Widow_ers Dinner Club
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Chronik

Junge Witwen „trauern gemeinsam“ im Club

Sie haben in jungen Jahren ihren Partner oder ihre Partnerin verloren und stützen sich nun gegenseitig. Der Young Widow_ers Dinner Club (YWDC) ist eine Initiative von Wienerinnen und wurde Anfang März 2017 ins Leben gerufen. Sie bietet allen Menschen eine Plattform, die in jungen Jahren ihre Lebenspartnerin bzw. ihren Lebenspartner verloren haben.

Nachempfinden könne man den Verlust eines geliebten Lebenspartners nur, wenn man es selbst erlebt hat, sagte Dagmar Reinisch gegenüber „Wien heute“, die 2014 von einem Tag auf den anderen ihren Partner verloren hat – drei Tage vor seinem 46. Geburtstag.

„Ich kann mich noch so gut erinnern. Er ruft mich an in der Früh und sagt: ‚Heute ist mir so übel‘, und diese Nacht hat er leider nicht überlebt. Er verstarb an einer perforierten Arterie im Herzbereich. Und dann sitzt man da zu Hause und packt für ihn die Geschenke aus“, erzählte die 54-Jährige, die 2017 mit sieben weiteren Witwen den Club gründete.

Die Mitgründerin erklärte, dass junge Menschen im Vergleich zu Älteren einen Partnerverlust durchaus anders erleben würden. Zwar wird Trauer immer individuell erlebt, im Bewusstsein junger Menschen sei das Thema Tod meistens aber weniger stark verankert.

Junge Witwen „trauern gemeinsam“ im Club

Sie haben in jungen Jahren ihren Partner oder ihre Partnerin verloren und stützen sich nun gegenseitig. Der Young Widow_ers Dinner Club (YWDC) ist eine Initiative von Wienerinnen und wurde Anfang März 2017 ins Leben gerufen. Sie bietet allen Menschen eine Plattform, die in jungen Jahren ihre Lebenspartnerin bzw. ihren Lebenspartner verloren haben.

Geschützter Raum zum Trauern

Der Club soll Menschen zwischen 20 und 50 einen Raum zum Trauern geben. Die Idee entstand durch eine Trauergruppe der Caritas. Nach der Trauergruppe gingen einige Mitglieder, darunter auch Reinisch, noch auf ein Getränk in ein Lokal und tauschten sich privat aus.

Im Club könnten Themen besprochen werden, die sonst „betretenes Schweigen“ verursachen würden, wie zum Beispiel: „Was machst du mit seiner Kleidung? Oder: Mein Mann hat Essen gekocht, und es ist tiefkühlverpackt im Tiefkühler, wie soll ich damit umgehen? Das sind Themen, die lösen normalerweise betretenes Schweigen aus. Und bei uns ist das anders. Bei uns ist das die Normalität.“ Ein wichtiger Punkt ist laut Reinisch auch der Umgang mit Jahrestagen. Dazu würden sowohl Todestage als auch Geburtstage und besondere Erinnerungen zählen.

Treffen einmal im Monat

Der YWDC ist keine geleitete Trauergruppe, sondern biete „einfach nur Raum zum Dasein, Reden, Essen und ungezwungenen Beisammensein. Egal wie lange es her ist, dass dein lieber Mensch verstorben ist. Wir wollen insbesondere langfristig eine Möglichkeit bieten, unter Menschen zu sein, die Ähnliches erlebt haben. Unabhängig davon, ob wir seit Monaten oder Jahren auf dem Trauerweg unterwegs sind.“ Einmal im Monat treffen sich die jungen Witwen und Witwer in einem Wiener Restaurant zum Abendessen.

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Mittlerweile sind auch enge Freundschaften im Club entstanden

Für die großen Treffen des Clubs habe man sich aber bewusst für öffentliche Orte entschieden, erzählte Dagmar. Man möchte vermeiden, dass sich Trauernde komplett zurückziehen. „Und manche sagen auch, dass sie das erste Mal wieder rausgehen. Denn wir bieten ja diese Schutzatmosphäre an Schutz vor Ratschlägen, Plattitüden, Kalendersprüchen“, erklärte die Mitgründerin. Außerdem solle sich die Gesellschaft dem „Tabuthema Tod“ stellen.

Rund 180 Kontakte in Wien

Rund 180 Mitglieder sind im Young Widow_ers Dinner Club in Wien. Die 51-jährige Manuela Hötzl ist 2020 dazugestoßen. Ihr Partner starb mit 46 Jahren – vier Monate nach der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Wir wollten heiraten, es ging sich nur nicht mehr aus. Obwohl mein Freund krank war und klar war, dass er sterben wird, könnte man meinen: ‚Da kann man sich vorbereiten.‘ Aber das geht nicht. Man ist nicht vorbereitet“, erzählte sie.

Suizid als „Tabuthema“

Auch für Barabara Benedik bedeutet Trauer „Schwerstarbeit“. Sie ist ebenfalls seit 2020 Mitglied im YWDC, nachdem sich ihr Ehemann das Leben genommen hat. Damals war sie 27 Jahre alt, und seither ist sie mit dem „Tabuthema Suizid“ konfrontiert.

„Suizid ist im Endeffekt auch nur eine Todesursache. Und man muss nicht mehr oder weniger Mitgefühl mit der trauernden Person haben deswegen.“ Belastend im Alltag der jungen Frau: Fragen nach dem Beziehungsstatus. „Ja diese Frage, fällt mir sehr schwer. Aber solche Situationen besprechen wir ganz aktiv im YWDC, wo ich mich freu zu hören, wie das andere Personen gemacht haben.“

Schwieriger Umgang des Umfelds mit Trauer

Auch über Reaktionen des Umfelds tauschen sie sich im Club aus. Denn anfängliches Mitgefühl würde in manchen Fällen nach wenigen Monaten nachlassen, und oft fühlen sich die trauernden Personen im Stich gelassen und unverstanden, denn die Trauer würde oft auch kleingeredet. Sätze wie „Das wird schon“, „Schau in die Zukunft“ und „Vergiss die Vergangenheit“ seien alles andere als hilfreich. „Das ist wirklich unmöglich von einem Menschen zu erwarten, der gerade die schönste Zeit des Lebens verloren hat“, so Reinisch.

Benedikt erklärte, dass sie sich von ihrem Umfeld unverstanden gefühlt hat, weil Familie und Freundinnen und Freunde „mit der Situation überfordert waren“, und das in einer Zeit, in der sie Unterstützung dringend nötig gehabt hätte. Es brauche Unterstützung ohne ungefragte Ratschläge oder Kommentare. In einer solchen Situation wäre es laut der jungen Witwe besser, wenn jemand da einfach da sei und sagen würde: ‚Ich bin da, das ist richtig scheiße, was passiert ist, und es tut mir leid, dass du da gerade durchgehen musst.‘

Lachen nur möglich im „selben Boot“

Trauer kennt keinen Fahrplan, ist individuell und situativ. Das betonten alle drei Frauen. Denn der Trauerweg wird von unterschiedlichen Gefühlslagen begleitet. „Es ist so, als ob alle Gefühle, was man sich nur irgendwie vorstellen kann, in eine Zentrifuge kommen und durcheinander geschleudert werden. Manchmal kommt die totale Trauer, dann kommt wieder eine Euphorie und pure Liebe“, erzählte Hötzl.

Trauer bedeute im Club aber nicht, immer traurig zu sein. Gemeinsam wird auch viel gelacht. Hötzl erinnerte sich an eine Situation zurück: „Irgendjemand hat mal wer erzählt, wie er den Grabstein ausgesucht hat, und wir haben so gelacht, weil er erzählt hat, wer sich da alles eingemischt hat. Das war absurd. Aber über so was kann man nur hier lachen und nicht mit Freunden, weil die würden das nicht verstehen. Und vor allem lachen kann man darüber nur, wenn man im selben Boot sitzt.“

Club international vertreten

Mittlerweile gibt es den YWDC auch in Städten wie Graz, Hamburg, Berlin, Bielefeld, Hannover, Regensburg, Erfurt, Düsseldorf, Mannheim, Wiesbaden und Zürich. Im ländlichen Bereich seien die Menschen noch eher zurückhaltend, denn „dort haben sie ein bisschen mehr Stress, dass der Nachbartisch mithören könnte. Das gibt es in Wien gar nicht“, sagte Reinisch.