Verhandlungssaal im Wiener Landesgericht für Strafsachen
ORF.at/Zita Klimek
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GERICHT

Falschaussage: Prozess wird wiederholt

Das Wiener Oberlandesgericht hat wegen neuer Beweislage die Wiederaufnahme eines Verfahrens bewilligt. Ein zu elf Jahren verurteilter 48-Jähriger ist möglicherweise aus Rache fälschlich belastet worden. Bis zum Prozesstermin ist er daher enthaftet worden.

Ausgangspunkt der ganzen Sache ist ein Mordanschlag auf einen Mann, der im November 2018 in Ottakring mit einem länglichen, rohrförmigen Werkzeug niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt wurde.

Mordkomplott aus gekränkter Ehre

Wie sich herausstellte, hatte der ehemalige Schwiegervater des Schwerverletzten – ein 58jähriger türkischstämmiger Immobilienhändler – den Anschlag bestellt – aus gekränkter Ehre, weil dieser ein außereheliches Verhältnis mit seiner Schwägerin eingegangen war und mit ihr auch noch ein Kind gezeugt hatte.

Das passte dem 58-Jährigen überhaupt nicht, er wollte den Ex-Schwiegersohn daher beseitigen lassen. Zu diesem Zweck suchte er nach einem Killer, den er nach längerer Suche gegen ein entsprechendes Entgelt auch fand.

Nachdem der Mordanschlag gescheitert war, konnten die dafür Verantwortlichen nach langwierigen Ermittlungen ausgeforscht und festgenommen werden. Der Ex-Schwiegervater des Opfers wurde im Oktober 2019 vom Wiener Landesgericht wegen Bestimmung zum Mord, der unmittelbare Täter im vergangenen Februar wegen versuchten Mordes verurteilt. Beide fassten jeweils lebenslange Freiheitsstrafen aus, diese Urteile sind rechtskräftig.

Drahtzieher belastet offenbar Unbeteiligten

Mitangeklagt und verurteilt wurde im Vorjahr auch der nunmehr enthaftete 48-Jährige. Der Immobilienhändler hatte behauptet, der 48-Jährige habe den Tatplan gekannt, die Geldforderung des gedungenen Killers in Höhe von 10.000 Euro entgegengenommen, die Ausstellung einer entsprechenden Rechnung in Aussicht gestellt und diese auch bezahlt.

Der 48-Jährige stritt das vor einem Schwurgericht vehement in Abrede, die Geschworenen schenkten seinen Unschuldsbeteuerungen jedoch keinen Glauben. Der Mann wurde als Beteiligungstäter schuldig erkannt und sollte dafür elf Jahre im Gefängnis verbüßen.

Ein Mithäftling des Drahtziehers wandte sich nämlich im September 2022 in einem handschriftlichen Brief an den Anwalt des 48-Jährigen. Darin führte der Absender aus, der Drahtzieher habe ihm in der Justizanstalt Josefstadt und später während einer Busfahrt zur Justizanstalt Stein erzählt, er habe falsch gegen den 48-Jährigen ausgesagt und diesen in die Mordsache „hineingezogen“, um sich zu rächen.

Grundstücksdeal in der Türkei führt zu Falschaussage

Das Motiv: Der 48-Jährige soll in der Türkei im Besitz des 58-Jährigen befindliche Grundstücke verkauft haben und diesen dabei betrogen haben. „Er ist besessen von dem Rachegedanken. Mit seinen Lügen hat er das Hohe Gericht dazu gebracht, einen unschuldigen Menschen zu verurteilen“, heißt es in dem Brief.

Der Schreiber nannte darin auch einen weiteren Häftling namentlich, der ebenfalls gehört habe, dass der 58-Jährige zu Unrecht jemanden belaste. Der zweite Häftling bestätigte das im Jänner 2023 unter Wahrheitspflicht in einer Zeugeneinvernahme.

Das Wiener Oberlandesgericht kommt daher zu dem Schluss, dass sich mit den beiden neuen Zeugen die Beweislage gegen den Mitangeklagten geändert habe. Daher wird es erneut zum Prozess kommen. Die Geschworenen werden am 13. November urteilen.