Chronik

Jüdischer Friedhof in Brand gesetzt

In der Nacht auf Mittwoch dürfte ein Brand im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs gelegt worden sein. Zudem wurden die Außenmauern mit Hakenkreuzen beschmiert. Der Brand war am Mittwochmorgen bereits von selbst erloschen. Der Verfassungsschutz hat Ermittlungen aufgenommen.

Am Allerheiligenmorgen ging bei der Berufsfeuerwehr Wien die Meldung des Friedhofspersonals ein. In der Halloween-Nacht kam es auf dem Zentralfriedhof zu einem Brand. Betroffen war ein Nebengebäude des Kuppelbaus, der Zeremonienhalle. 20 Einsatzkräfte der Feuerwehr kamen um acht Uhr Früh auf dem Friedhof an. Laut Berufsfeuerwehr sind keine Personen zu Schaden gekommen.

„Als unsere Feuerwehrleute hingekommen sind, war der Brand von selbst schon wieder erloschen. Somit mussten unsere Feuerwehrleute nur noch Glutnester löschen und die Räume entrauchen und belüften“, sagte Gerald Schimpf, Sprecher der Berufsfeuerwehr Wien gegenüber wien.ORF.at.

Jüdischer Friedhof offenbar in Brand gesetzt
Israelitische Kultusgemeinde Wien
Der Vorraum der Zeremonienhalle ist ausgebrannt

„Im ausgebrannten Raum befanden sich sehr wertvolle, alte Bücher und ein Thoraschrein ohne Thorarollen. Alles zerstört. Es ist einer von 165 bestätigten antisemitischen Vorfällen seit dem Massaker am 7. Oktober“, schrieb der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, auf der Plattform Twitter (X). Dutzende Vorfälle würden noch von der Antisemitismusmeldestelle der IKG geprüft werden.

Verfassungsschutz ermittelt zur Brandursache

Die offiziellen Informationen der Polizei waren vorerst zurückhaltend: Wie Polizeisprecherin Julia Schick Mittwochnachmittag auf „Wien heute“-Anfrage sagte, war die Brandursache noch unklar, ebenso die Frage, wie sich der oder die Täter in der Nacht Zutritt zum Friedhofsgelände verschafft haben. Die Brandgruppe des Landeskriminalamts (LKA) und Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) seien noch an Ort und Stelle.

Jüdischer Friedhof in Brand gesetzt

In der Nacht auf Mittwoch dürfte ein Brand im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs gelegt worden sein. Zudem wurden die Außenmauern mit Hakenkreuzen beschmiert. Der Brand war am Mittwochmorgen bereits von selbst erloschen. Der Verfassungsschutz hat Ermittlungen aufgenommen.

„Die genauen Umstände sind derzeit noch nicht bekannt und sind Gegenstand laufender Ermittlungen“, hieß es am Nachmittag in einer Aussendung der Polizei. „Das Landeskriminalamt Wien ist vor Ort mit der Spurensicherung betraut.“ Im Zuge der Ermittlungen seien aufgesprühte nationalsozialistische Zeichen an der Außenmauer der Halle festgestellt worden. Der Verfassungsschutz ermittle „intensiv und in alle Richtungen“, teilte die Landespolizeidirektion Wien auch auf Twitter (X) mit.

Wie die APA aus gut informierten Kreisen erfahren hat, gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Der Brand dürfte laut derzeitigen Erkenntnissen an zwei Stellen ausgebrochen sein, was ein starkes Indiz dafür sei, dass der Brand gelegt worden ist.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Jüdischer Friedhof offenbar in Brand gesetzt
ORF/Katharina Weinmann
Die Außenmauer wurde mit einem Hakenkreuz beschmiert
ABD0009_20231101 – WIEN – …STERREICH: In der Nacht auf Allerheiligen ist auf dem jŸdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs offenbar ein Brand gelegt worden. Der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Wiener Zentralfriedhofs sei ausgebrannt. Im Bild: EinsatzkrŠfte der Feuerwehr und Spurensicherung am Mittwoch, 01. November 2023, vor der Zeremonienhalle am Zentralfriedhof. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
Einsatzkräfte der Feuerwehr und Spurensicherung am Mittwoch auf dem Wiener Zentralfriedhof
ABD0010_20231101 – WIEN – …STERREICH: In der Nacht auf Allerheiligen ist auf dem jŸdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs offenbar ein Brand gelegt worden. Der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Wiener Zentralfriedhofs sei ausgebrannt. Im Bild: Einsatzfahrzeuge der Polizei am Mittwoch, 01. November 2023, vor dem Tor IV am Zentralfriedhof. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
Die Einsatzfahrzeuge der Polizei vor dem Friedhofsgebäude
ABD0011_20231101 – WIEN – …STERREICH: In der Nacht auf Allerheiligen ist auf dem jŸdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs offenbar ein Brand gelegt worden. Der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Wiener Zentralfriedhofs sei ausgebrannt. Im Bild: Die Zeremonienhalle am Zentralfriedhof am Mittwoch, 01. November 2023. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
Das Gebäude wurde vorübergehend behördlich gesperrt
Jüdischer Friedhof offenbar in Brand gesetzt
ORF/Katharina Weinmann

„Schutz von Menschen im Mittelpunkt“

Nach dem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel war die Terrorwarnstufe in Österreich nach oben gesetzt und der Schutz jüdischer Einrichtungen eigentlich verstärkt worden. Die Bewachung des Stadttempels in der Innenstadt wurde erst vor gut zehn Tagen auf 24 Stunden ausgeweitet, nachdem sich die Polizei Kritik anhören musste, weil die israelische Fahne von der Synagoge gerissen worden war. Nach dem Brand auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erklärte die Polizei nun am Mittwoch abermals, dass man „in enger Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde“ den „Fokus auf den Schutz der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden“ lege. „Daher steht der Schutz von Menschen im Mittelpunkt.“

Der Verfassungsschutz gehe „konsequent gegen all jene vor, die das jüdische Leben und damit das Zusammenleben in Österreich bedrohen“, versicherte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer schriftlichen Stellungnahme. In der vergangenen Halloween-Nacht seien Hunderte Polizisten in ganz Österreich zusätzlich im Einsatz gestanden, hieß es in der Aussendung. Die Polizei sei konsequent eingeschritten, wo es notwendig war. So seien am frühen Abend am Wiener Stephansplatz im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung „zahlreiche Personen, nachdem sie antisemitische Parolen skandiert hatten, angehalten und Anzeigen an die Staatsanwaltschaft erstattet“ worden.

Israelitische Kultusgemeinde informierte über Twitter

Wie die IKG unterdessen mitteilte, wurde das vom Brand betroffene Gebäude vorübergehend behördlich gesperrt. Gräber könnten jedoch besucht werden. Das Zimmer sei „vollkommen ausgebrannt“, sagte Deutsch zur APA. „Dort waren auch viele heilige jüdische Bücher. Die sind alle vollkommen verbrannt.“ Man könne den Vorfall nicht isoliert sehen, verwies er auf den Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem Überfall der Hamas auf Israel. Es werde eine Stimmung geschürt, die offenbar Leute inspiriere, „gegen Juden loszugehen“. Dennoch zeigte sich Deutsch abermals zuversichtlich: „Jüdisches Leben wird weitergehen.“

Zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden meinte Deutsch: „Uns ist es wichtig, dass Menschen geschützt werden – dass Leute geschützt werden, wenn sie in unseren Institutionen oder auf der Straße sind.“ Man werde nun nach dem jüngsten Vorfall aber gemeinsam mit Sicherheitsfachleuten besprechen, wie es weitergeht.

„Die Schändung von jüdischen Friedhöfen ist eine der feigsten und widerwärtigsten Formen von antisemitischer Gewalt“, kritisierte Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. „Bierflaschen und Hakenkreuze haben die Brandstifter hinterlassen. Ich hoffe, wir hören jetzt von niemandem die Worte: ‚Lausbuben‘, ‚Einzelfall‘ oder ‚Halloween‘, um hier irgendetwas zu ‚erklären‘.“

„Erschüttert mich zutiefst“

Die Politik reagierte auf den Brand schockiert: „Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Österreich ist in den letzten Wochen signifikant gestiegen. Das muss aufhören“, forderte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „‚Nie wieder‘ ist ein konkreter Auftrag an uns alle: Jüdinnen und Juden müssen in Österreich in Sicherheit leben können.“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte: „Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Wir stehen entschlossen auf der Seite der jüdischen Community in Österreich.“

„Die Nachricht über den Brand im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erschüttert mich zutiefst“, schrieb auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf Twitter. „Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben hat in unserer Stadt oberste Priorität. Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen.“

Nehammer hofft auf rasche Aufklärung

„Ich verurteile den Anschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien auf das Schärfste“, twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Feiertag. „Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft und wird mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Ich hoffe, die Täter werden rasch ausgeforscht.“

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zeigte sich entsetzt: „Der antisemitische Brandanschlag am Zentralfriedhof ist ein weiterer Akt vollkommen inakzeptabler Aggression auf die Sicherheit jüdischen Lebens in Österreich“, er verurteile die Tat „auf das Schärfste“. Jetzt seien die Ermittlungsbehörden gefordert, die Täter rasch auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. „Wir werden gemeinsam diese widerwärtigen Drohungen gegen die jüdische Kultur abwehren und jüdisches Leben in Österreich schützen“, versicherte Kogler.

„Kein Platz für Antisemitismus “

Die gesamte Opposition zeigte sich ebenfalls solidarisch mit der jüdischen Gemeinde: „Der Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof und die Schändung der Außenmauer durch das Anbringen von Hakenkreuzen ist ein schockierender Akt der Gewalt, der rasch aufgeklärt und rigoros bestraft werden muss“, betonte SPÖ-Chef Andreas Babler. „Wir stehen Seite an Seite mit allen Jüdinnen und Juden. Niemals wieder ist jetzt.“

„Dieser Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof ist nicht nur ein Anschlag auf eine religiöse Einrichtung, sondern auch ein Anschlag und Angriff auf das Andenken an die Verstorbenen und ist zutiefst zu verurteilen“, meinte auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. „Wir stehen gemeinsam gegen solche antisemitischen Angriffe und Anschläge“, sagte auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. „Niemals wieder ist jetzt.“