Handelsgericht Wien von außen
APA/Georg Hochmuth
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POLITIK

SOS Balkanroute: Schriftliches Urteil liegt vor

Das schriftliche Urteil des Wiener Handelsgerichts im Fall der Klage gegen die NGO SOS Balkanroute liegt nun vor. NGO-Gründer Petar Rosandic bezeichnete die Internierungsanstalt im bosnischen Camp Lipa als „Guantanamo“. Laut Gericht sei diese Behauptung nicht falsch.

Das Handelsgericht hatte die Klage des in Wien ansässigen Internationalen Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD) bereits in der Verhandlung Mitte Juli abgewiesen. Konkret geht es um einen Bau innerhalb des bosnischen Flüchtlingslagers Lipa, den das ICMPD errichtete. Diese Internierungsanstalt hatte Rosandic als „österreichisches Guantanamo“ bezeichnet.

Kein Vorwurf eines gewalttätigen Pushbacks

Im Urteil heißt es nun, dass „ein unbefangener Empfänger die Äußerungen und Informationen des Beklagten“ so verstehe, dass das ICMPD „mit maßgeblicher Beteiligung Österreichs“ eine Gefängniseinheit errichtet habe, die kroatische Polizei „auch auf Druck Österreichs rechtswidrige Pushbacks unter Einsatz von massiver Gewalt“ verübe und Österreich „die Etablierung der Balkanstaaten als Pufferzone“ forciere.

Hier würden mit dem ICMPD als Projektpartnerin ein Rückführungszentrum gebaut und die Westbalkanländer bei Abschiebungen unterstützt. „Es gibt jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt eines Vorwurfs, die Klägerin oder sonst wer betreibe Folter“, schreibt Richter Andreas Pablik.

Die Klägerin werde von den Beklagten immer nur im Zusammenhang mit dem Bau der Haftanstalt genannt, „nie aber bei den Vorwürfen der gewalttätigen Pushbacks, die eindeutig der kroatischen Polizei zugeordnet werden (samt Unterstützung durch die EU und Österreich)“.

Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien

Den Begriff „Guantanamo“ habe Rosandic „als Synonym für einen aus seiner Sicht rechtsfreien Raum im Bereich des Migrationswesens an den EU-Außengrenzen“ genutzt, „wo rechtsstaatliche Prinzipien verletzt werden“. Die Behauptung sei nicht falsch, weil das ICMPD den Hafttrakt, der ausreichende Parallelen im Sinne der Äußerung der Beklagten zu einem mit Guantanamo assoziierten Gefängnis aufweise, tatsächlich gebaut habe.

Es sei eindeutig, dass es um mögliche befürchtete Missstände gehe, die verhindert werden sollen, bevor sie passierten. Das ICMPD werde erwähnt als eine vom österreichischen Innenministerium geförderte Organisation. „Es gehe nicht an, dass durch die Zwischenschaltung einer Organisation das Handeln der EU und von Mitgliedsstaaten dem notwendigen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit entzogen werden könnte“, schreibt Richter Pablik.

In der Verhandlung im Juli hatte ICMPD-Anwältin Ulrike Zeller über das Wort „Guantanamo“ in Aussendungen und Tweets erklärt, „dieses eine Wording war zu viel“. Man könne ja weiter kritisieren, „aber anders“. Die Anwältin der NGO, Maria Windhager, machte dagegen die „Meinungsäußerungsfreiheit“ geltend.