Gesundheit

Robotikgestütztes Therapiezentrum eröffnet

In der Donaustadt ist das erste ambulante robotikgestützte Therapiezentrum Österreichs eröffnet worden. Es soll für Menschen mit neurologisch bedingten Bewegungseinschränkungen innovative Behandlungsmethoden bieten.

Die hochmoderne Versorgung verändere „einfach alles“, sagte Initiator Gregor Demblin bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Bis zu 500 Patientinnen und Patienten können an dem Standort von tech2people nahe der U2-Station Seestadt im Jahr behandelt werden.

Mehr als 20 der weltweit besten robotischen Geräte im Wert von rund 1,5 Millionen Euro gibt es im neuen Zentrum, ein Team aus neun spezialisierten Physiotherapeutinnen und Therapeuten ist seit Anfang November tätig. „Die Qualität der Therapie entscheidet bei Patienten mit Schlaganfällen, mit Querschnittslähmung, Multipler Sklerose (MS) oder Schädelhirn-Traumata darüber, ob sie eine Chance haben zu gehen, berufstätig und selbstständig zu sein und im Endeffekt auch über die Lebenserwartung“, sagte Demblin, der selbst seit 1995 querschnittgelähmt ist.

Therapien etwa nach Schlaganfällen

Die robotische Therapien, etwa mit dem Exoskelett, einem bionischen „Anzug“, dessen Motoren die Beine bewegen und Muskelfunktionen ersetzen, bieten laut Demblin im Vergleich zu manuellen Therapien mehrere Vorteile: So können etwa vielfältigere Bewegungen simuliert werden, und die Wiederholungsrate dieser Trainingsbewegungen ist wesentlich höher. Außerdem messen die Maschinen ganz genau, wie viel Kraft der Patient noch habe – so wird ein Training mit maximaler Anstrengung und Effizienz ermöglicht. Zuletzt können Fortschritte in der Behandlung sehr genau aufgezeichnet werden, erläuterte Demblin weiter.

Ein Mann in einem Exoskelett
APA/Georg Hochmuth
Hannes Kinigadner zeigte bei der Präsentation ein Exoskelett vor

„Bei der Neuroplastizität, also den Mechanismen, die dazu führen, nach einem Schlaganfall verlorene Funktionen wieder zu erlernen, können noch bis zu zwei Jahre nach dem Ereignis Fortschritte gemacht werden“, sagte der Neurologe und medizinische Leiter des Therapiezentrums, Peter Lackner. Während der stationäre Bereich in Österreich gut ausgebaut sei, erstreckt sich die Behandlung meist nur über ein bis zwei Monate. Dementsprechend könne die zusätzliche ambulante Therapie eine Behandlungslücke schließen.

„Doppelt so hohe Chance, wieder gehen zu können“

„Es gibt Einsatzbereiche, in denen die robotische Physiotherapie schon sehr umfassend erforscht und belegt ist. So gibt es zum Beispiel eine sehr sichere Studienlage dazu, dass Schlaganfallpatientinnen und -patienten eine in etwa doppelt so hohe Chance haben, wieder gehen zu können, wenn sie robotikassistierte Gangtherapie gepaart mit klassischer Physiotherapie erhalten“, erläuterte Lackner. Bei konventioneller Physiotherapie können in etwa 50 bis 250 Schritte getätigt werden.

Dabei müssen Patientinnen und Patienten von zumindest zwei Therapeuten unterstützt werden bzw. in einer Aufhängung trainieren. Im Lokomat hingegen können in einer Trainingseinheit bis zu 2.000 Schritte absolviert werden. Der Fokus liegt dort, wo er sein soll, nämlich auf dem eigentlichen Gehtraining bei gleichzeitiger Normalbelastung von Armen und Beinen. „Durch die hohe Wiederholungsrate wird zum Beispiel die Neuroplastizität optimal gefördert, d. h. die Bildung neuer Nervenbahnen wird angeregt. Weitere positive Effekte sind die Reduktion von Spastik bei Querschnittlähmung, einem reduzierten Medikamentenbedarf oder der Verringerung von Folgeerkrankungen wie Osteoporose.“

Ein Exoskelett
APA/Georg Hochmuth
Die Behandlung mit Exoskeletten soll Vorteile haben

Große Gruppe könne profitieren

Die Gruppe von Personen, die allein hierzulande von robotischen Therapien profitieren könnten, ist groß: Im Jahr sind etwa 26.000 neue Schlaganfallpatienten zu erwarten, so Lackner. Bei anderen Indikationen wie MS sind rund 14.000 Personen in Österreich lebenslang betroffen.

Im Gegensatz zu Schlaganfällen, bei denen es darum geht, verlorene Funktionen zurückzuerlangen, wolle man bei MS-Patienten fortschreitende Einschränkungen aufgrund der Krankheit verhindern. Pro Jahr kommen in Österreich auch 200 Personen mit „dramatischen Querschnittlähmungen“ dazu, sagte Lackner. In Österreich sind rund 50.000 Menschen auf einen Rollstuhl angewiesen, ungefähr 4.000 davon aufgrund einer Querschnittlähmung.

Weniger Medikamente durch bessere Lebensqualität

Demblins Lebensqualität hat sich dank der robotikgestützten Therapie jedenfalls auf vielfältige Weise verbessert: Er benötige weniger Medikamente, ihm sei seltener schwindlig, und auch sein Herzkreislaufsystem funktioniere besser. „Die robotische Behandlung ist ein Riesenfortschritt für die Therapie“, meinte auch Wings-for-Life-Initiator Hannes Kinigadner, der von einer Querschnittlähmung betroffen ist und den Konferenzraum in einem Exoskelett betreten hat. Das tue auch mental gut: „Ich glaube, ich bin heute der Größte im Raum gewesen“, sagte er.

In dem Zentrum können auch dank der Unterstützung des Hauptsponsors Uniqa Österreich Patientinnen und Patienten für einen Stundensatz von 99 bis 135 Euro pro Therapieeinheit mit den teuren Hightech-Geräten betreut werden.