Mehrere Sesselreihen mit SPÖ Delegierten
ORF/Corazza
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Politik

Wiener SPÖ will Matura abschaffen

Bei ihrer zweiten „Wiener Konferenz“ hat die Wiener SPÖ am Samstag unter anderem Anträge zur Abschaffung der Matura sowie zur Einführung der Gesamtschule ohne Schulnoten beschlossen. Bei ÖVP und FPÖ stößt das auf heftige Kritik bis hinauf zum Bildungsminister.

Für besonders viel Aufregung rund um den „kleinen Parteitag“ mit 400 Delegierten sorgt ein Antrag zur Matura: Gefordert wird dort vom Bund nämlich die „Abschaffung der Matura“. „Unser Bildungssystem muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen“, meinte Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, in einer Aussendung dazu. Wer erfolgreich 12 Jahre Schule absolviert habe, müsse sich nicht mehr bei einer Einzelprüfung beweisen.

SPÖ- Wien gegen Noten und Matura

Die Wiener SPÖ trifft sich am Samstag zum zweiten Mal zu einer sogenannten „Wiener Konferenz“. Im Mittelpunkt soll dort das Thema Bildung stehen. Einer der Anträge, zur Abschaffung der Matura, hat bereits im Vorfeld für Aufregung bei der ÖVP gesorgt.

Praxisorientierte Projektarbeit statt Matura

Stich verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass diese Beschlusslage keineswegs eine neue innerhalb der SPÖ sei. „Bereits 2021 hat der SPÖ-Bundesparteitag auf Antrag der SJ die Forderung nach einer Abschaffung der Matura in ihrer heutigen Form beschlossen. Das heutige Bekenntnis der Wiener SPÖ zu diesem Beschluss verdeutlicht den Handlungsbedarf in diesem Bereich“, sagte er. Stattdessen solle es praxisorientierte Projektarbeiten geben.

Unterstützung kam von Bürgermeister Michael Ludwig im „Wien heute“-Interview: „Es geht darum, dass man die punktuelle Wissensabfrage, so wie sich die Matura derzeit präsentiert, für die Lösung der Zukunftsfragen nicht mehr geeignet ist. Wir treten deshalb für komplexere Abfragungsmethoden ein. Das fordert zum einen die Wirtschaft, das fordern aber zum anderen auch die Universitäten und Hochschulen.“

Auch Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer schloss sich der Forderung an – denn oft würden Universitäten ohnehin eigene Einstiegsprüfungen verlangen. „Und da muss man schon schon fragen, was ist das für ein Wert eines Abschlusses, der in Wirklichkeit in vielen Bereichen nicht diese Zugangsberechtigung erbringt wie vielleicht vor 20 oder 30 Jahren“, so Himmer. „Wir wollen eine angstfreie Schule, wir wollen den Leistungsdruck von den Kindern weghaben“, ergänzte Bildungssprecherin Nicole Berger-Krotsch.

Bildungsminister strikt gegen Vorschlag

Samstagvormittag rückte die Volkspartei dagegen in gleich drei Presseaussendungen aus, darunter eine von Bildungsminister Martin Polaschek persönlich. „Die Reifeprüfung ist ein entscheidender Meilenstein für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe“, betonte Polaschek, er plädierte auch für die Beibehaltung von Schulnoten und sprach von „Hirngespinsten linker SPÖ-Träumer“. Nach der Absolvierung seien die jungen Erwachsenen reif für Beruf oder Studium. „Eine Abschaffung der Matura kommt für mich also nicht infrage.“

Kritik von ÖVP und FPÖ

Ähnlich sah das der Generalsekretär der Volkspartei, Christian Stocker. „Dieser Miniparteitag der Wiener SPÖ bedeutet einen massiven Angriff auf unser Bildungssystem, denn die Sozialdemokratie will offenbar, dass unsere Kinder nichts mehr lernen. Auch einer Gleichmacherei aller Schülerinnen und Schüler mit der Gesamtschule erteilen wir als Volkspartei eine klare Absage“, wetterte er. Vor einem „Linksruck“ in der Bildungspolitik warnte der Wiener ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß.

Bei der FPÖ warnte Bildungssprecher Hermann Brückl vor „Unfug aus dem linken Antileistungsfundus der SPÖ“. Es brauche weiter Schulnoten, und die Reifeprüfung müsse einer Gesamtreform unterzogen werden, „um ihren Wert und ihre Qualität, die unter Schwarz-Grün massiv gelitten haben“ wieder zu steigern. „Die SPÖ will offensichtlich eine Schule ohne Leistung und aus Jugendlichen unmündige und bildungsferne Bürger machen, damit sie ihrer dummen Politik auf den Leim gehen. Diesen Wahnsinnigkeiten gehört eine klare Absage erteilt“, meinte auch der Wiener FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss.

„Wiener Konferenz“ soll teilweise Parteitag ersetzen

Diese „Wiener Konferenz“ geht zum zweiten Mal über die Bühne und ist nicht medienöffentlich. Die Premiere fand im vergangenen November statt. Das Format war entwickelt worden, um inhaltlich-programmatische Debatten abseits eines Parteitags führen zu können. Ein solcher findet seit der Einführung der Konferenztagung nur mehr alle zwei Jahre und nicht mehr wie bisher jährlich statt. Eine „Wiener Konferenz“ kann hingegen jedes Jahr oder bei Bedarf sogar öfter stattfinden, wie seitens der Partei betont wird.

Die Anzahl der Delegierten ist deutlich geringer als bei einem Parteitag. Es nehmen maximal 400 Personen daran teil. Bei SPÖ-Parteitagen versammeln sich oft doppelt so viele Menschen. Die Methodik ist bei einer „Wiener Konferenz“ nicht vorgegeben. Auch das ist ein Unterschied zu den meist sehr protokollarischen Landesparteitagen. Diesen vorbehalten bleibt aber weiter, das Gremium für Personalentscheidungen zu sein. Wahlen stehen am Samstag somit nicht auf dem Programm.