Die Angeklagten vor Beginn wegen terroristischer Vereinigung am Wiener Landesgericht
APA/Georg Hochmuth
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Gericht

Zwei IS-Anhänger wieder vor Gericht

Am Wiener Straflandesgericht sind zwei junge Anhänger der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) wieder vor Gericht. Der 17- und der 18-Jährige waren in diesem Jahr wegen terroristischer Vereinigung bereits zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt worden.

Der Jüngere hatte Ende Jänner eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon sieben Monate unbedingt ausgefasst, nachdem er sich unter anderem an seiner Schule als IS-Propagandist betätigt hatte. Er ritzte etwa einem Klassenkollegen ein IS-Schriftzeichen in ein Schulbuch und zeigte in der Klasse gewaltverherrlichende IS-Videos her.

Nachdem der Schulleitung bekannt wurde, dass er mit einem Messer zum Unterricht erschienen war, flog er von der Bildungseinrichtung. Seither war er beim AMS als Arbeit suchend gemeldet. Der Bursch hatte weiters einen Pfeiler der Brigittenauer Brücke mit dem IS-Logo besprüht. Außerdem wurde er einmal von der Polizei angehalten, weil er mit einer Machete, auf der das IS-Symbol prangte, herumspazierte.

Zwei IS-Anhänger wieder vor Gericht

Am Wiener Straflandesgericht sind zwei junge Anhänger der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) wieder vor Gericht. Der 17- und der 18-Jährige waren in diesem Jahr wegen terroristischer Vereinigung bereits zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt worden

18-Jähriger im Mai schuldig gesprochen

Unter Anrechnung der U-Haft kam der 17-Jährige am 3. März auf freien Fuß – um praktisch nahtlos an die Zeit vor dem Freiheitsentzug anzuknüpfen. „Man sieht, dass die Verurteilung ihn nicht davon abgehalten hat, sich weiter für den IS zu betätigten“, legte nun die Staatsanwältin einem Schöffensenat dar.

Der 17-Jährige tat sich nämlich mit einem um ein Jahr älteren Jugendlichen zusammen, der ebenfalls den IS verherrlichte. Gegen den 18-Jährigen wurde ebenfalls seit 2022 von der Staatsanwaltschaft ermittelt, von Juli 2022 bis Jänner 2023 saß er in U-Haft, am 17. Mai wurde er schließlich wegen terroristischer Vereinigung, krimineller Organisation und Sachbeschädigung zu 18 Monaten Haft, davon sechs Monate unbedingt verurteilt.

Elf Tage vor seinem ersten Prozesstermin hatte sich der 18-Jährige laut nunmehriger Anklage als so genannter Sittenwächter betätigt. Gemeinsam mit mehreren anderen Gleichgesinnten suchte er demnach einen Burschen auf, dem vorgeworfen wurde, ein Mädchen „vergewaltigt“ zu haben. Der angebliche „Vergewaltiger“ wurde von der Gruppe umzingelt, der 18-Jährige soll ihn dann geschlagen haben, wie er selbst in einer danach von ihm verschickten Audio-Nachricht prahlerisch behauptet hatte. Das stritt er nun vor Gericht ab.

Justizwache und Angeklagte bei Prozess gegen junge IS-Anhänger
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Die beiden Angeklagten standen heuer bereits vor Gericht

Propaganda-Material für IS

Dagegen gab der 18-Jährige vor Gericht unumwunden zu, mit seiner mit ihm nach islamischem Recht verheirateten Frau – die 18-Jährige hat vor sechs Wochen eine gemeinsame Tochter zur Welt gebracht – Propaganda-Material für den IS geteilt zu haben. Gegen die 18-Jährige läuft ein separates Ermittlungsverfahren, die mit einem Hijab bekleidete junge Frau entschlug sich daher in der Verhandlung gegen ihren Mann der Zeugenaussage.

Zwei Tage nachdem dieser erstmals gerichtlich verurteilt worden war, probierte er laut Anklage gemeinsam mit dem befreundeten 17-Jährigen ein Luftdruckgewehr aus. Die beiden hatten insgesamt drei Exemplare samt Zielfernrohren und Munition in einem Einkaufszentrum an der tschechischen Grenze gekauft. „Wir wollten mit was spielen“, erzählte dazu der 18-Jährige dem Gericht.

Man traf sich am 19. Mai in der Wohnung der Freundin des 17-Jährigen – die zwei sind ebenfalls nach islamischem Recht verheiratet – in Favoriten und schoss mit der Waffe aus dem Küchenfenster. Der 17-Jährige nahm schließlich einen auf einer Parkbank sitzenden Mann ins Visier, wie der noch jugendliche IS-Anhänger vor Gericht zugab: „Ich bekenne mich schuldig, dass ich geschossen habe. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ Der Mann – ein 43 Jahre alter MA 48-Mitarbeiter, der eine Zigarettenpause machen wollte – wurde am Oberschenkel getroffen, aber nicht gröber verletzt.

Verstöße gegen das Waffengesetz

Ungeachtet dessen legt die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten neben terroristischer Vereinigung (§278b StGB) im auf zwei Tage anberaumten Prozess auch versuchte schwere Körperverletzung und Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last. Aufgrund ihrer Vorstrafen hätten sie die insgesamt drei CO2-Gewehre gar nicht erwerben und besitzen dürfen.

„Würden Sie sagen, dass Waffen auf Sie eine Faszination ausüben?“, wollte eine Schöffin vom älteren Angeklagten wissen. Dieser bejahte die Frage. Das habe ihn „schon als Kind interessiert“. Vom IS und radikalem Gedankengut habe er sich dagegen abgewandt, versicherten der 18-Jährige und seine beiden Verteidiger. „Bei Derad macht es mir Spaß“, behauptete der 18-Jährige. Die Deradikalisierungsstelle habe ihm „gesagt, dass ich mich sehr, sehr verbessert habe“.

17-Jähriger bekannte sich schuldig

Der 17-Jährige, der sich wie sein Kompagnon seit Mitte Mai wieder in Gewahrsam der Justiz befindet, bekannte sich neben dem Schuss auf den MA-48-Mitarbeiter auch zu sämtlichen weiteren Anklagepunkten schuldig. Darüber hinaus machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Die Anklage legt ihm zur Last, einschlägiges Propagandamaterial, darunter Werbebroschüren für den IS und Rekrutierungsvideos verbreitet zu haben. Eine der inkriminierten Dateien bezog sich auf IS-konformes Verhalten des weiblichen Geschlechts, entsprechende Anweisungen ließ der 17-Jährige per Handy seiner um zwei Jahre älteren Partnerin zukommen.

Bei der 19-Jährigen handelt es sich insofern um eine dem Staatsschutz nicht ganz unbekannte Person, als die junge Frau zuletzt an vorderster Front bei Pro-Palästina-Demos in Wien aufgetreten ist. Zur Verhandlung gegen ihren Partner erschien sie mit einem Palästinenser-Tuch und einer Jacke mit arabischen Schriftzeichen auf der Brust, auf der Rückseite waren Fotos mit der Palästina-Fahne aufgedruckt.

Auch der 17-Jährige wird wieder von Derad betreut, um ihn von seiner radikalislamistischen Gesinnung abzubringen. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, was er vom IS halte, meinte der Bursch: „Ich beschäftige mich mit diesen Sachen gar nicht mehr.“ Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt. Die Urteile sollen am Nachmittag fallen.

Sachverständige warnt vor terroristischen Straftaten

Während der Ältere der beiden in U-Haft auf den Verhandlungsbeginn wartete, befand sich der 17-Jährige in vorläufiger Anhaltung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Grund dafür ist ein Kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten, das die Staatsanwaltschaft einholen hat lassen. Die beigezogene Sachverständige kommt zum Schluss, dass der Jugendliche zwar zurechnungsfähig ist, aber eine manifeste, schwere Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen aufweist.

Was seine Einstellung zur Religion und zum IS betrifft, liege eine „fortgeschrittene Radikalisierung“ vor. Nach Ansicht der Sachverständigen sind in diesem Fall aufgrund der Gefährlichkeit des 17-Jährigen die Voraussetzungen erfüllt, um diesen im Fall einer Verurteilung gemäß §21 Absatz 2 StGB zusätzlich in ein forensisch-therapeutisches Zentrum einzuweisen. Ohne die im Maßnahmenvollzug gewährleisteten haftbegleitenden therapeutischen Behandlungen sei die Wahrscheinlichkeit, dass der einschlägig Vorbestrafte neuerlich terroristische Straftaten begehen wird, „sehr hoch“, warnt die Sachverständige in ihrem Gutachten.