Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ)
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WIGEV: Verbesserungen laut Fahrplan

„Pflaster aufpicken“ reiche nicht aus, um das Wiener Gesundheitssystem zu verbessern. Das betonte die Opposition am Mittwoch im Gemeinderat. Dem hielt Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in „Wien heute“ einen Fahrplan für Verbesserungen entgegen.

Ausgehend von einem 150 Millionen Euro Paket, das die Stadt am Freitag präsentierte, verwies Hacker in „Wien heute“ erneut auf einen „ganz klaren Fahrplan“ für weitere Verbesserungen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) soll es mehr Geld geben, wenn sie Mehrstunden, Nachtdienste oder Einspringdienste machen. Die Stadt erhöht die Zulagen für die Bediensteten, das Paket betrifft alle Berufsgruppen in den Spitälern. Das gehe aber in einem Betrieb wie dem WIGEV nicht von heute auf morgen.

Hacker kündigte an, die Bezüge für Spitalspflegekräfte in zwei Mangelbereichen zu erhöhen: Betroffen sind Unfallchirurgie und Neurochirurgie. In beiden Fächern fehle Pflegepersonal. Daher gebe es nun die Möglichkeit der Überzahlung, um Anreize für Pflegepersonal zu setzen, in diese Bereiche zu wechseln. Diplomierte Pflegekräfte werden etwa knapp 690 Euro brutto pro Monat mehr erhalten. Im Bereich Pflegefachassistenz wird es rund 283 Euro mehr geben.

Hacker betonte im Gespräch mit ORF-Wien-Chefredakteur Oliver Ortner, dass der WIGEV kein unattraktiver Arbeitgeber sei – trotz Kündigungsgründen wie Arbeitszeit, Überlastung und Arbeitsbedingungen. Damit seien andere Großbetriebe auch konfrontiert. Man sei in Zeiten, in denen es an Arbeitskräften und Fachkräften mangle. Auch habe sich die Rekrutierung geändert. Dem müsse man sich stellen, hier sei es wichtig, Maßnahmen zu setzen, und eine davon sei dieses 150 Mio. Euro Paket.

Dieses Paket sei Resultat vieler Sitzungen mit dem mittleren Management seit dem Frühjahr: „Wir haben die Gewerkschaft aufgefordert, sich ebenfalls mit dem Thema auseinanderzusetzen, sind zusammengesessen, haben sozialpartnerschaftlich ein sehr starkes Paket verhandelt“, so Hacker. Man drehe da nicht an ein paar Schrauben. Ein Spital schlafe nie, es gehe um Verbesserungen in zentralen und in schwierigen Bereichen – von Notfallabteilungen bis Telefondiensten – und das rund um die Uhr.

WIGEV „kein Zwergerlbetrieb“

Hacker betonte, die bauliche Struktur der Spitäler „nicht wegzaubern“ zu können. Es gebe aber für Verbesserungen ein Bauprogramm mit mehr als 5,5 Milliarden Euro. Das gehe ebenso wenig von heute auf morgen wie Änderungen im Arbeitsumfeld, im Gehaltsschema und bei Stundenregelungen. Das könne man „nur gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft“ machen, so Hacker: „Der WIGEV ist einer der größten Betriebe in Österreich. Das sind 30.000 Beschäftigte. Da kann es keine Maßnahmen geben, die man einfach aus der Hüfte wie im Western rausfeuert als Gesundheitsstadtrat.“

Den Einwurf, dass mit aktuell rund 700 gesperrten Betten fast ein ganzes Spital ausfalle, ließ Hacker nicht gelten. Es werde ja etwa auch renoviert. Die Zahl klinge dramatisch, aber es seien täglich ja auch Hunderte Betten frei. Das sei Alltag im Spitalsbetrieb. Eine Umfrage der Ärztekammer, wonach 37 Prozent der Befragten den Zustand in den Spitälern als genügend oder ungenügend bezeichnen, bezeichnete Hacker als Propaganda „einer kleinen Gruppe in der Ärztekammer, die ja nicht repräsentativ ist für die Ärztekammer“.

Grüne im Gemeinderat: „Hilfe sei sofort nötig“

Stunden zuvor hatte Grüne-Gesundheitssprecherin Barbara Huemer ein dramatisches Bild der Lage in den Spitälern gezeichnet. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern halb eins. Hilfe sei unverzüglich nötig, die Stadtregierung drücke das Thema aber weg. Lange Wartezeiten für Patienten etwa auf Operationen und Stress pur für das Personal seien typische Auswirkungen. Nötig wären mehr Personal und mehr Zeit. Das jüngst präsentierte Paket in Sachen Zulagen sei nur Placebo, da die Arbeitsbedingungen weiter schlecht blieben.

Lob gab es für die Gesundheitsreform von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Diese biete auch eine Chance für Wien, versicherte Huemer. Primärversorgungszentren könnten etwa künftig schneller errichtet werden. Die Grünen forderten zudem für Wien mehr Pflegepersonal, Pilotprojekte zur Arbeitszeitverkürzung und eine interdisziplinäre Long-Covid-Ambulanz.

Sondersitzung im Gemeinderat

Auf Antrag der Grünen hat eine Sondersitzung des Gemeinderates stattgefunden. Die grüne Fraktion wirft der rot-pinken Stadtregierung ein „Totalversagen in der Gesundheitsversorgung“ vor.

„Warum fällt euch das erst jetzt ein?“

FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl versicherte, dass die Freiheitlichen die Bestandsaufnahme der Grünen unterschreiben könnten, wobei er eine Frage anschloss: „Warum fällt euch das erst jetzt ein?“ Die Grünen seien zehn Jahre Teil der Stadtregierung gewesen. Dort hätten sie alles „abgenickt“. Das Zulagenpaket beurteilte Seidl als „nicht so schlecht“. Probleme gebe es aber trotzdem, hielt er fest. So seien etwa in den Häusern des WIGEV 700 Betten derzeit gesperrt, kritisierte er.

Stefan Gara (NEOS) verwies auf die Schnittstelle von Spitälern und niedergelassenem Bereich. Der Rückgang bei den Kassenordinationen führe dazu, dass immer mehr Personen in die Spitäler gehen: „Dadurch entsteht ein extremer Stressfaktor.“ Eine wichtige Maßnahme, um gegenzusteuern, seien die in Wien eingerichteten Erstversorgungsambulanzen an den Spitalseingängen. Das Problem des Wechsels von Ärzten in den Wahlarztbereich werde sich nur ändern, wenn die Leistungskataloge der Kassen verbessert würden.

Eine Vereinfachung von „Strukturen und Finanzströmen“ verlangte ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. Solange die Bereiche Spital und niedergelassene Ärzte derart getrennt seien, werde es Missstände geben, prophezeite sie. Eine Finanzierung aus einer Hand sei dringend notwendig. Und auch im WIGEV seien Reformen nötig. Nur „Pflaster aufzupicken“ reiche nicht mehr. Einstimmig angenommen wurde ein ÖVP-Antrag zu vergünstigten Darlehen für die Gründung einer Primärversorgungseinheit.

SPÖ pro Bund und contra Ärztekammer

Die SPÖ konnte sich im Gemeinderat auch mit den Vorhaben des Bundes anfreunden, wie deren Gesundheitssprecherin Claudia Laschan ausführte. 550 Mio. Euro frisches Geld für die Gesundheit in Österreich sei zwar „ein bisschen zu wenig“, aber „immerhin ein erster Schritt“, hielt sie fest. Dass Bereiche wie Schmerzbehandlung und psychische Versorgung in Ambulanzen verlagert würden, sei positiv zu beurteilen, so Laschan.

Sie übte jedoch auch harsche Kritik an der Ärztekammer. Diese hat bereits Proteste initiiert und plant auch eine Kundgebung am kommenden Montag. Slogans der Kammer – etwa „Ohne uns stirbt Wien“ – sind nach Ansicht Laschans „unglaublich tief“. Die Kammer „schmeiße“ bis zu zehn Mio. Euro für ihre Kampagnen hinaus und verunsichere damit Patientinnen und Patienten. Auch sei die Kammer gegen Primärversorgungszentren gewesen. Laschan sprach sich dafür aus, das Mitspracherecht der „Lobbyorganisation“ zu beschränken.