Hella Pick
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Goldenes Ehrenzeichen für Hella Pick

Die in Wien geborene britische Journalistin Hella Pick hat am Montag das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien erhalten. Pick sei eine Antifaschistin, Zeitzeugin und Mahnerin, die nicht müde wurde und wird, auch jungen Generationen das „Niemals vergessen“ nahezubringen.

So bezeichnete Bürgermeister Michael Ludwig Pick im Rahmen der Ehrung. Pick wurde am 24. April 1929 in Wien geboren und floh nach dem „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1939 im Alter von 10 Jahren mit einem Kindertransport nach England. Mit der Ehrung kann sich Pick laut eigener Aussage jetzt noch mehr als Wienerin fühlen.

Anlässlich des 85. Jahrestags der Kindertransporte im Zweiten Weltkrieg nach Großbritannien, lobte sie Österreichs Kampf gegen den Antisemitismus. Die britische Journalistin und Autorin sprach erst am vergangenen Donnerstag im Parlament zum 85. Jahrestag der Transporte von 10.000 jüdischen Kindern aus Österreich und Deutschland nach Großbritannien.

Auf Einladung der Organisation „Zikaron BaSalon“ (Erinnerung im Wohnzimmer), die seit 2011 in 65 Ländern weltweit Gespräche mit Zeitzeugen über den Holocaust veranstaltet, erinnerte sie sich an ihre Erfahrungen in Wien nach der NS-Machtübernahme 1938.

Zeitzeugin berichtet über Zweiten Weltkrieg

Ihre alleinerziehende Mutter wurde zweimal von der Gestapo abgeholt, dann entschied sie sich, die Tochter für den Kindertransport nach England anzumelden. Hella Pick kam bei einer netten jüdischen Familie in London unter. „Aber die Unsicherheit und Entwurzelung verlässt einen nie“, so die Zeitzeugin. Im Frühling 1939 folgte die Mutter aus Wien mit einem Visum nach England, wo sie als Köchin arbeitete. Pick ging auf eine englische Privatschule, die auch das Schulgeld für sie bezahlte.

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Pick musste 1938 nach London flüchten

Später absolvierte sie die „London School of Economics“ und fing bei der Zeitschrift „West Africa“ als Journalistin an, ehe sie zur Tageszeitung „The Guardian“ wechselte. Zuständig für Mitteleuropa berichtete sie oft über Österreich, wo sie die Politiker Bruno Kreisky, Hannes Androsch, Heinz Fischer und andere kennenlernte. „Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass Österreich judenfeindlich oder antisemitisch eingestellt ist“, so die heute 94-jährige Journalistin. „Aber ich habe immer Angst gehabt, mich als Jüdin zu bekennen.“

Kritische Berichte über Österreichs Bundespräsidenten

Erst die Bekanntschaft mit Simon Wiesenthal, dessen Biografie sie für den Verleger George Weidenfeld verfasste, brachte sie dazu, „mich mit meiner jüdischen Identität und der jüdischen Kultur zu beschäftigen“. Pick: „Man darf sich nicht verstecken.“ Über Wiesenthal nahm sie auch Kontakt zum damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim auf. „Er war so besessen von Interviews, dass es ihn nicht gestört hat, dass ich kritisch über ihn geschrieben habe.“ Aber sie teile Wiesenthals Meinung, dass Waldheim kein Kriegsverbrecher gewesen sei. „Er war ein schwacher Mensch, der immer brav getan hat, was man ihm gesagt hat.“

Dass Wiesenthal wegen seines Einsatzes für Waldheim die Chancen auf den Friedensnobelpreis verspielt habe, wollte Pick auf eine Frage der APA nicht bestätigen. „Wiesenthal hat selbst nie damit gerechnet.“ Aber die Angriffe Kreiskys auf Wiesenthal als „Gestapo-Spitzel“ seien diesem nicht würdig gewesen.

Zeitzeugin im Interview über Kindertransporte

Die 94-jährige Zeitzeugin Hella Pick erzählt über ihre Kindheit in Wien nach dem Anschluss und ihre Flucht nach Großbritannien 1938 mithilfe eines Kindertransports.

Fühlt sich in Österreich wieder Zuhause

Ein Buch über Österreich mit dem Titel „Guilty victim“ („ein Titel, der Österreich sehr gut beschreibt“) folgte. Pick bekam die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen, was sie bei der Entwicklung ihrer „jüdisch-österreichischen Identität“ unterstützt habe.

Denn seit dem „Brexit“, dem Austritt Großbritanniens aus der EU, fühle sie sich „jetzt sehr zu Hause in Österreich“. Als überaus positiv bewertete sie, „dass das offizielle Österreich sehr viel macht, um den Antisemitismus zu bekämpfen“.

Gerade jetzt erlebe sie wegen des Kriegs in Gaza viel stärkeren Antisemitismus in Großbritannien, auch an den Universitäten, vor allem auch durch die Massendemonstrationen gegen Israel. „Trotz der Fürchterlichkeit, was in Israel am 7. Oktober passiert ist, kann man auch die Bilder des Kriegs in Gaza nicht blind anschauen“, betonte Pick.

Warnung vor Inhalten im Internet

Als „Botschaft an die Jugend“ mahnte sie, „dass sich junge Leute nicht auf die verzerrten Inhalte der sozialen Medien verlassen, sondern sich wirklich bei vertrauenswürdigen Quellen informieren sollen.“

Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Mauthausenkomitees, bedankte sich bei Pick, weil Personen wie Sie „uns die Identität als Juden zurückgegeben haben“. Lessing: „Wir sind als Kinder des Holocaust mit dazu schweigenden Eltern aufgewachsen.“