Ein Paketzusteller an der Arbeit
APA/ROLAND SCHLAGER
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Wirtschaft

Die Paketlogistik auf dem Prüfstand

Weihnachtszeit ist die Zeit für Geschenke – und damit herrscht in der Paketlogistik jetzt Hochsaison. Den Preis dafür zahlen immer häufiger geflüchtete oder zugewanderte Arbeitnehmer, die oft unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten müssen.

Die von der AK Wien geförderte Studie „Es ist eine Pyramide – der Druck kommt von oben nach unten. Fragmentierte Beschäftigung migrantischer Arbeitnehmer in der Paketlogistik“ der Uni Wien konzentriert sich auf die oft prekären Arbeitsbedingungen und Lebenslagen von migrantischen Beschäftigten in Verteilzentren und bei der Zustellung von Paketen.

Die Ergebnisse der Studie decken sich mit den Erfahrungen aus der Beratung der AK Wien. Die hohe Anzahl von Beschäftigten des Kleintransportgewerbes, die sich 2022 an die AK wandten, zeigt deutlich: In den Paketen stecken oft Ausbeutung und Missstände. Für die Studie wurden 43 Beschäftigteninterviews in der Paketzustellung und Verteilzentren gemacht.

Die Paketlogistik auf dem Prüfstand

Weihnachtszeit ist die Zeit für Geschenke – und damit herrscht in der Paketlogistik jetzt Hochsaison. Den Preis dafür zahlen immer häufiger geflüchtete oder zugewanderte Arbeitnehmer, die oft unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten müssen.

Zusteller sind oft bei Subunternehmen beschäftigt

Zusätzlich wurden Unternehmensvertreter sowie 14 Experten von Behörden und Arbeitnehmern-sowie Arbeitgeberseite befragt. Die Befunde der Studie zeigen, dass das „Geschäftsmodell Leiharbeit“ in den Verteilzentren und die Auslagerung der Zustellung auf Subunternehmen vielfach zu unsicherer Beschäftigung, enormem Arbeitsdruck, unbezahlten Überstunden und starken gesundheitlichen Belastungen der Arbeiter führen.

Bei der Studie geht es darum, die strukturellen Hintergründe, die die gesamte Branche prägen, sichtbar zu machen. Es zeigt sich, dass der Druck in der Paketlogistik von oben nach unten an die Schwächsten in der Kette weitergegeben wird, nämlich Migranten in prekären Lebenslagen. Laut Matthias Piffl-Stammberger, dem Leiter der Abteilung Rechtsschutz, waren die häufigsten Anliegen der Arbeitnehmer im Kleintransportgewerbe unter anderem Lohnrückstände, unberechtigte Abzüge und unbezahlte Überstunden.

Großer Druck und Ausbeutung

Der immense Druck, Sprachbarrieren und die Angst vor Kündigung erschweren es den Beschäftigten, ihre Rechte einzufordern. Daher ist davon auszugehen, dass nur ein kleiner Teil der Betroffenen den Weg in die AK Beratung findet. Aber selbst dieser kleine Ausschnitt ist – im Vergleich zur Gesamtanzahl der Beschäftigten in der Branche – überproportional hoch. Das zeige deutlich: Arbeitsrechtsverletzungen sind hier eher Regel als Ausnahme.

Die Auftraggeber unternehmen laut Studie oft nichts gegen systematische Ausbeutung und entziehen sich durch Subunternehmerketten ihrer Verantwortung. Die AK fordert daher eine Haftung des Erstauftraggebers für Löhne. Die komplexen Subunternehmerketten machen es schwierig bis unmöglich, jene zur Verantwortung zu ziehen, die den größten Profit aus den Arbeitsrechtsverletzungen schlagen.

Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration: „Eine der Ursachen für schlechte Arbeitsbedingungen ist die zunehmende Zersplitterung der Beschäftigung: In Verteilzentren werden immer öfter Leiharbeiter beschäftigt und die Paketzustellung wird fast ausschließlich an Subunternehmen ausgelagert, was zu unsicheren Arbeitsverhältnissen führt. Die Einkommen sind oft niedrig – die Teuerung verschärft die finanzielle Situation.“

Arbeitsmarkt für Geflüchtete ein Abstieg

Migrantische Arbeitnehmer sind zusätzlichen Belastungen ausgesetzt: eingeschränkte Sozialleistungen, beengte Wohnverhältnisse, zu wenig Angebote, um Deutsch zu lernen oder die fehlende Anerkennung ihrer Ausbildungen. Diese Notlagen führen dazu, dass Migranten oft in der Paketlogistik landen, obwohl sie höher qualifiziert wären. Für Geflüchtete ist der Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt oft ein Abstieg.

Sie haben kaum Alternativen zu prekären Niedriglohnbranchen. Der Arbeitsmarkt schließt sie effektiv von anderen Jobs aus. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wäre es daher sinnvoller, das Potenzial jener Geflüchteten, die bereits hier sind, zu nützen, statt den Fokus auf das Anwerben von Drittstaat-Angehörigen zu setzen.

Der österreichische Paketmarkt hat sich in den vergangenen Jahren enorm dynamisch entwickelt. Die Gesamtzahl der jährlich zugestellten Pakete hat sich seit 2015 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig sind auch die Umsätze der Unternehmen stark gestiegen. Trotz dieser rasanten Marktentwicklung ist die Zahl der Menschen, die in diesem Wirtschaftsbereich arbeiten, kaum höher als noch vor einigen Jahren. Es gab einen Anstieg von atypischer und unsicherer Beschäftigung wie z.B. Leiharbeiter, geringfügig Beschäftigte und Selbstständige.

Mehr Kontrollen notwendig

Um Lohn- und Sozialdumping sowie Schwarzarbeit zu bekämpfen und den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen, muss mehr kontrolliert werden, fordert die AK Wien. Dafür braucht es aber eine massive personelle Aufstockung der zuständigen Behörden und da vor allem der Finanzpolizei und des Arbeitsinspektorats. Zudem wird die Wiedereinführung des Kumulationsprinzips gefordert. Dieses sah vor, dass bei Gesetzesübertretungen wie Unterentlohnung für jede einzelne Übertretung eine Strafe entrichtet werden musste.

Kammer verurteilt schwarze Schafe

Wie in jeder stark wachsenden Branche gebe es auch bei den Paketzustellern schwarze Schafe und Negativbeispiele, räumten Arbeitgebervertreter ein. „Sie stehen aber nicht repräsentativ für die gesamte Branche“, sagte Markus Fischer, Obmann des Fachverbands Güterbeförderung in der Wirtschaftskammer Österreich. „Als Interessenvertretung der gesamten Branche stellen wir uns entschieden gegen jegliche Ausbeutung“, so die Branchensprecherin für Kleintransporteure, Katarina Pokorny.