Heilman kam 1929 als Lucia Johanna Treister in Wien zur Welt und wuchs am Alsergrund auf. 1938 wurde Lucia aufgrund ihrer jüdischen Herkunft der Schule verwiesen. 1941, der Großvater war bereits 1939 nach Buchenwald deportiert worden, versteckte ein enger Freund ihres Vaters Lucia und ihre Mutter in seiner Werkstatt in der Mollardgasse. Nach einem Bombentreffer verbrachten die beiden noch fast ein halbes Jahr in einem muffigen dunklen Kellerverschlag in der Gumpendorfer Straße. An das prägende Gefühl der Angst erinnert sich Heilman noch heute.
„Die Angst, die ununterbrochene, Tag und Nacht bestehende Angst. Die Angst, es wird an der Tür läuten, es wird jemand kommen und mich und meine Mutter nach Buchenwald oder in ein anderes Konzentrationslager bringen“, erzählte Heilman im Gespräch mit „Wien heute“.
Ehrung für NS-Zeitzeugin Lucia Heilman
Die 94-jährige NS-Zeitzeugin Lucia Heilman ist am Montag im Wiener Rathaus mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes geehrt worden. Von ihren Erfahrungen als jüdisches Kind in Wien berichtet sie nach wie vor in Schulen.
„Verzeihen kann ich nicht“
Familienmitglieder und Bekannte wurden während des Krieges ermordet. Aber die Menschen in Wien sind nach Kriegsende teils dieselben geblieben, erzählt sie: „Nach dem Krieg hat mich meine Mutter zum Milchholen geschickt. Ich bin hereingekommen ins Geschäft, und sie haben gesagt, Juden verkaufe ich keine Milch.“
Heilman ist dennoch in Wien geblieben, hat maturiert und in Wien Medizin studiert. Sie wurde Ärztin, heiratete und zog zwei Töchter groß. Sie sprach erstmals im Zusammenhang mit dem Filmprojekt der israelischen Fotografin Alisa Douer „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (1993) über ihr Überleben als „U-Boot“ in Wien. Seither ist sie als Zeitzeugin aktiv. Sie arbeitet nach wie vor gegen das Vergessen der NS-Verbrechen, aber sie verzeiht nicht: „Verzeihen nein, verzeihen kann ich nicht.“
„Traurig“ über wieder aufkeimenden Antisemitismus
In Schulen erzählt sie den Kindern und Jugendlichen ihre Geschichte. „Sie sollen nur wissen, und was sie aus ihrem Wissen machen, das ist ihre Sache“, sagte Heilman. Auf die Frage, wie es ihr damit geht, dass heute wieder Antisemitismus aufkommt, meint sie: „Traurig bin ich, traurig, dass die Menschen sich überhaupt nicht bewegt haben einen Millimeter in menschlicher Hinsicht.“
In der Spielzeit 2013/2014 wirkte Heilman bei der Produktion „Die letzten Zeugen“ am Wiener Burgtheater mit, 2017 war sie Rednerin beim Fest der Freude. Niedergeschrieben ist ihre Geschichte und die ihres Retters Reinhold Duschka im Buch „Am Seil – Eine Heldengeschichte“ von Erich Hackl.
„Sie haben diese Stadt geehrt“
„Lucia Heilman wirkte in ihrem späteren Leben ohne Unterlass als Brückenbauerin und Mahnerin gegen Antisemitismus und Rassismus“, betonte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). „Es ist nicht die Stadt Wien, die sie ehrt, sondern Sie haben mit ihrer Arbeit, ob als Ärztin oder als Zeitzeugin, diese Stadt geehrt. Gerade jetzt, wo wir das Aufflammen von Antisemitismus und Xenophobie überall auf der Welt zu beklagen haben, zeigt sich, wie wichtig es für eine Gesellschaft ist zu sprechen, und dass jeder von uns nicht müde werden darf, laut die Stimme zu erheben gegen Unrecht und für humanitäre Werte“, so Kaup-Hasler.