chronik

Bedingte Einweisung für Stalkerin

Vier Jahre lang hat eine Frau einen Wiener Kellner gestalkt. Heute ist die 57-Jährige bedingt und unter strengen Auflagen in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen worden. Die Frau reagierte mit Erleichterung auf das Urteil.

Selbst zwei Jobwechsel und ein Wohnungswechsel nutzten dem Mann nichts, er konnte der Frau nicht entkommen. Er konnte ohne Medikamente nicht mehr schlafen, isolierte sich komplett daheim, ging nicht mehr aus dem Haus und hatte keinen Kontakt mehr zu seinem Freundeskreis. „Ich war fertig mit einem Wort“, sagte der Mann im Zeugenstand.

Die Frau wurde zwei Mal wegen Stalkings verurteilt, einmal musste sie sogar eine Haftstrafe absitzen. Zwei Monate nach ihrer Haftentlassung im November 2021 suchte sie erneut Kontakt zu dem 59-Jährigen. Sie rief ihn an, klopfte an seine Tür oder saß auf der Bank vor seiner Wohnung. Auch an seiner Arbeitsstätte, einem Kaffeehaus in der Innenstadt, suchte sie seine Nähe, bis sie sogar vom Lokalbetreiber Hausverbot erhielt. Dann probierte sie es via Telefon. Laut Rufdaten rief sie etwa vom 1. März bis 17. April 2022 280 Mal im Kaffeehaus an.

Festnahme im Mai 2023

Auch nach einem Wechsel an eine andere Arbeitsstätte stalkte die Frau den Kellner weiter beharrlich. Sie gab sich etwa beim Arbeitsmarktservice als seine Lebensgefährtin aus und stornierte Termine in seinem Namen. Sie fing auch Briefe von der Pensionsversicherungsanstalt ab, um herauszufinden, wo er seine Kur aufgrund seiner psychischen Belastung absolvieren wird.

Im Mai 2023 wurde die Frau aufgrund einer neuerlichen Anzeige des Kellners festgenommen und saß seitdem in Untersuchungshaft. In der Justizanstalt Josefstadt wurde sie nun von einem psychiatrischen Sachverständigen begutachtet, der ihr aufgrund einer wahnhaften Störung und einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis Zurechnungsunfähigkeit bescheinigte.

Nur zufällige Begegnungen mit „Erzfeind“

Im Prozess gab die Frau an, sie sei nur zufällig am Wohnort oder an der Arbeitsstätte des Kellners aufgetaucht. Und dass sie den PVA-Brief mit dem Bescheid über die Kur abfing, begründete sie damit, dass sie selbst auf Kur fahren wollte und nicht im selben Kurheim wie der 59-Jährige untergebracht sein wollte. Dazu rief sie sogar im Kurheim an und gab sie sich am Telefon als „Psychiaterin Dr. Schröder“ aus, die behandelnde Ärztin des Kellners, und sagte seine Kur ab.

Sie bezeichnete den Mann als ihren „Erzfeind“, weil er ihr nach dem Tod ihrer Eltern und ihres Lebensgefährten 15.000 Euro abgeknöpft haben soll, was der Mann vehement bestritt. Sie habe deshalb so oft im Kaffeehaus angerufen, weil sie hoffte, dass seine Kollegen „ihm ins Gewissen reden“. Sie sei den „Tränen nahe gewesen“, weil sie feststellte, „ich bin nur so beinand’, weil ich kein Geld habe“. Sie hätte sich dem Mann nie bewusst genähert, die Begegnungen seien alle durch Zufall entstanden.

„Immer nur in Haft, das ist kein Leben“

Laut dem psychiatrischen Sachverständigen spricht die Frau auf die Behandlung in Haft gut an. Aber ihre Deliktseinsicht sei noch oberflächlich und ihre Krankheitseinsicht reduziert. Ohne Medikamente würde erneut eine hohe Gefährlichkeit von ihr ausgesehen. Daher sprach er sich für strenge Auflagen aus. Die Frau muss in einem betreuten Wohnheim untergebracht sein, ihre Psychotherapie weiterführen, ihre Medikamente weiter nehmen und den Medikamentenspiegel regelmäßig kontrollieren lassen.

Außerdem dürfe sie keinen Alkohol und keine Drogen konsumieren, ein Beschäftigungsprojekt in dem Wohnheim beginnen und Bewährungshilfe in Anspruch nehmen. Es herrscht auch absolutes Kontaktverbot zu dem Kellner. Im Anschluss an die Verhandlung – die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig – wurde die Frau aus der Justizanstalt entlassen und in das Wohnheim gebracht. „Ich bin sehr froh, wenn man mir die Chance gibt, weil immer nur in Haft sein, das ist kein Leben“, sagte sie im Anschluss.