Polizei auf der Simmeringer Hauptstraße
ORF/Fried
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Chronik

Polizist vor Gericht: Prozess vertagt

Ein Polizist, der im Mai des Vorjahres in Simmering den Kopf eines damals 19-Jährigen mehrfach auf den Asphaltboden geschlagen hatte, hat sich am Montag wegen Amtsmissbrauchs am Landesgericht verantworten müssen. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig. Der Prozess wurde vertagt.

Der Verteidiger behauptete, sein Mandant habe „nicht exzessiv“ gehandelt, dessen Agieren sei „verhältnismäßig und gerechtfertigt“ gewesen. Die Staatsanwaltschaft spricht in ihrem Strafantrag dagegen von einem „exzessiven, nicht gerechtfertigten Ausmaß“ an Gewalt zur Durchsetzung einer Identitätsfeststellung.

Staatsanwältin Anja Oberkofler bekräftigte das vor einem Schöffensenat. Der Angeklagte habe sich auf den von anderen Polizisten bereits zu Boden gebrachten und fixierten jungen Mann gekniet und „aus der Emotion heraus völlig überschießend, exzessiv reagiert“, indem er den Kopf des Betroffenen „nicht einmal, sondern zweimal mit voller Wucht gegen den Asphalt gedonnert hat“, wie Oberkofler sagte.

Prozess gegen „Prügelpolizist“ vertagt

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Mann wollte durch Absperrung zu Bankomaten

Die im Ermittlungsverfahren getätigte Behauptung des Angeklagten, er habe das Gleichgewicht verloren, „ist ins Reich der Märchen zu verweisen“, sagte die Staatsanwältin. Der damals 19-Jährige habe an der Absperrung eines Mordtatorts mit einem Kollegen „gekämpft“, weil dieser ihn nicht zu einem Bankomat durchlassen wollte, sagte der Angeklagte in der Beschuldigteneinvernahme.

Er habe „ein kniendes Gerangel“ wahrgenommen: „Für mich war der Eindruck, dass jemand mit Gewalt eine Auseinandersetzung sucht mit der Polizei.“ Ein Kollege habe auch die Festnahme wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ausgesprochen. Er habe geholfen, den zu Boden gebrachten jungen Mann zu bändigen, was insgesamt vier bereits damit befasste Kollegen nicht geschafft hätten.

„Wüsste nicht, was ich sonst hätte tun sollen“

Er habe mit seinem Knie den Mann fixiert, dieser habe es geschafft, seine linke Hand zu befreien, behauptete der Beamte. Er habe befürchtet, dieser könnte ihm in die Jacke greifen und an seine Schusswaffe gelangen, gab der Angeklagte zu Protokoll. Beim Versuch, das zu verhindern, habe er „das Übergewicht bekommen“, sei „verrutscht“ und „vornübergefallen“. Zugleich habe sich der junge Mann „aufgebäumt“. Er habe verhindern müssen, „dass er aufkommt“ und sich daher „am Kopf abgestützt“.

„Ich wüsste nicht, was ich sonst hätte tun sollen“, führte der Angeklagte aus. Er habe beim Abstützen am Kopf des Betroffenen womöglich „aus Versehen zu stark gedrückt“, beim zweiten bzw. dritten Abstützen aber versucht, den Druck zu reduzieren. Der Mann sei „verbal außer sich“ gewesen. Er habe sich „bemüht, ihm zu helfen“, nachdem er wahrgenommen hatte, dass sich Blutflecken auf dem Asphalt gebildet hatten und der Mann sich verletzt hatte: „Ich habe die Wunde gesäubert und versucht, einen Verband anzulegen.“ Mittlerweile sei aber schon die Rettung zugegen gewesen, die habe die Versorgung übernommen.

Filmaufnahmen liegen vor

Der 19-Jährige erlitt eine blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges. Ein Kameramann eines TV-Senders filmte die gewalttätigen Szenen mit, der TV-Sender machte das Video öffentlich, das in weiterer Folge weite Verbreitung erfuhr. Ein weiteres, noch aussagekräftigeres Video wurde im Zug der Ermittlungen sichergestellt – ein Angestellter eines Imbisslokals hatte die gewalttätigen Szenen mit seinem Handy gefilmt.

„Film- und Tonaufnahmen sind in letzter Zeit in Verruf geraten. Im gegenständlichen Fall haben sie dazu geführt, dass nicht das Opfer von Polizeigewalt auf der Anklagebank sitzt, sondern ein nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gewalttätiger Polizist“, hielt die Staatsanwältin fest. Das Video zeigt, wie der Kopf des jungen Mannes zunächst zweimal gegen den Asphalt geschlagen wird. Dann sind Blutflecken auf dem Boden zu sehen. „Wieso machst du sowas?“, ist der Fixierte auf dem Video zu hören.

Mehrere Zeugenaussagen

Zwei Zeuginnen schilderten vor Gericht, dass es eine Absperrung gab. Der 19-Jährige sei von der Polizei auch mehrfach auf diese Absperrung hingewiesen worden und darauf, dass er folglich nicht passieren dürfe. Der junge Mann sei darauf „sehr unfreundlich“ geworden, sagte die eine. „Ich würde ihn als aggressiv bezeichnen“, meinte die zweite. Er habe den Polizisten „nachgeschimpft“, worauf man ihn angehalten und zur Ausweisleistung aufgefordert habe.

Er habe keine Absperrung gesehen und von der Polizei wissen wollen, warum er nicht durchdurfte, hielt der 19-Jährige in seiner Zeugenaussage fest: „Ich wollte den Grund wissen. Den habe ich nicht erfahren.“ Er sei in weiterer Folge zur Ausweisleistung aufgefordert worden, nachdem ein Beamter das Wort „Behinderte“ vernommen und das als gegen die Polizei gerichtet empfunden hatte. Der Mann habe bei sommerlichen Temperaturen eine Bomberjacke und eine Wollhaube getragen und sich „äußerst aggressiv“ verhalten, sagte der ursprünglich mit der Amtshandlung befasste 24 Jahre alte Polizist.

„Passiven Widerstand geleistet“

Der 19-Jährige bestätigte dem Gericht, dass er die Ausweisleistung verweigert habe. Das habe die Polizei offenbar „als Bedrohung“ empfunden, er sei mit einem Schulterwurf zu Boden befördert worden. In weiterer Folge hätten ihn sechs Polizisten – fünf Männer und eine Frau – zu fixieren versucht: „Ich wollte nicht. Ich habe meine Hände zusammengelegt.“

Der Angeklagte habe versucht, sich „leise zu stellen, zu verstummen“, erklärte der 19-Jährige, Sohn einer Ärztin und zumindest äußerlich dem Angeklagten körperlich unterlegen. Er habe nur auf seine Lage aufmerksam machen wollen: „Ich habe nur passiven Widerstand geleistet. Ich wollte nur Klarheit, warum ich zu Boden geworfen wurde, nur weil ich meinen Ausweis nicht herzeigen wollte.“ Auf die erlittenen Verletzungen angesprochen, meinte der 19-Jährige: „Meine Ader war offen und Blut ist rausgespritzt. Ich war selber aus der Fassung, dass das alles so eskaliert ist.“ Er habe sieben bis zehn Tage Schmerzen gehabt.

Polizeikollegen: Heftige Gegenwehr

Mehrere Kollegen des Angeklagten berichteten im Anschluss übereinstimmend, der 19-Jährige habe sich „heftig gewehrt“, sei „äußerst aggressiv“ gewesen und habe „unbedingt freikommen“ wollen. Man habe diesen zunächst auch mit dem Mord in Zusammenhang gebracht, aufgrund dessen es überhaupt eine Polizeiabsperrung gab, weil der Mann eine dicke Bomberjacke trug und man befürchtete, er habe darunter womöglich eine Waffe versteckt.

Der 24-jährige Polizist, der den 19-Jährigen per Schulterwurf zu Boden beförderte, hat diesen sogar zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagt, ein Verfahren ist auf bezirksgerichtlicher Ebene anhängig. Der junge Polizist macht den 19-Jährigen für einen dreiwöchigen Krankenstand verantwortlich, weil dieser ihn „zu Boden gerissen“ habe, wie der 24-Jährige als Zeuge im Grauen Haus sagte: „Ich habe fünf Tage ohne Schmerzmittel nicht schlafen können.“

Verfahren gegen 19-Jährigen eingestellt

Die Staatsanwältin betonte daraufhin, die Anklagebehörde habe ein Verfahren gegen den 19-Jährigen wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie schwerer Körperverletzung eingestellt. Die Polizei habe diese Einstellung auch akzeptiert: „Es hat keinen Fortführungsantrag gegeben.“

Nachdem mehrere Polizisten auffallend übereinstimmend den angeblich gewaltbereiten 19-Jährigen beschrieben hatten, verlangte die Staatsanwältin die Ladung und zeugenschaftliche Befragung des Imbisslokalbetreibers, der die Szenen mit seinem Smartphone aufgezeichnet hatte. „Zur Waffengleichheit“, wie die Anklägerin betonte. Das Gericht hatte diesen Zeugen – im Unterschied zu den an der Amtshandlung beteiligten Polizeibeamten – nicht zur Verhandlung geladen. Der Senat wies diesen Beweisantrag nach kurzer Beratung ab.

Zwei Zeugen geladen

Die weibliche Polizeibeamtin, die sehr wohl geladen worden war, hatte sich kurz vor Verhandlungsbeginn krankheitsbedingt entschuldigt. Ihre schriftlichen Aussagen wollte der vorsitzende Richter verlesen, wogegen sich die Staatsanwältin aussprach. Sie bestand auf ihrer persönlichen Aussage vor Gericht. „Dann gibt es heute kein Urteil“, stellte der Richter fest. Die Verhandlung wurde auf den 21. Februar vertagt – zur Ladung der Polizistin sowie des Imbisslokalbetreibers, den der Richter nun doch laden möchte.