„Bildnis Fräulein Lieser“ wird präsentiert
APA/Roland Schlager
APA/Roland Schlager
Kultur

Verschollen geglaubtes Klimt-Bild präsentiert

Das Wiener Auktionshaus im Kinsky hat heute ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt der Öffentlichkeit präsentiert. Das „Bildnis Fräulein Lieser“ war jahrzehntelang im Verborgenen – in Privatbesitz. Die Fachwelt kannte es bisher nur von einem Foto.

Das 140 mal 80 Zentimeter große Bild zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund. Um ihre Schultern liegt ein reich mit Blumen dekorierter Umhang. „Die koloristische Palette ist beispielhaft für Klimts Spätwerk“, schwärmte Claudia Mörth-Gasser, die im Kinsky die Sparte klassische Moderne leitet, über die Arbeit, die zu einer der letzten und zu den schönsten in der späten Schaffensperiode des Künstlers gehöre. Das Bild stammt aus 1917, Klimt verstarb 1918.

Versteigerung am 24. April

Michael Kovacek, einer der Geschäftsführer des Auktionshauses im Kinsky, nannte es eine „tolle Sache“, dass ein Werk von solch seltenem Wert und Rang hierzulande auf dem Kunstmarkt angeboten werden könne. Das farbenprächtige Dreiviertelporträt wird nun am 24. April versteigert. Kovacek bezifferte den Schätzwert auf Nachfrage auf 30 bis 50 Millionen Euro. Was den erwarteten Auktionserlös angeht, seien – im Vergleich mit anderen Klimt-Werken der vergangenen Jahre – Summen zwischen 40 und 70 Millionen Euro „denkbar“.

 „Bildnis Fräulein Lieser“ wird präsentiert
APA/Roland Schlager
Der Wert des Gemäldes wird auf 30 bis 50 Millionen Euro geschätzt

Bisher war in Fachkreisen davon ausgegangen worden, dass Klimt hier die 18-jährige Constance Margarethe Lieser, Tochter von Adolf Lieser, porträtiert habe. Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Recherchen des Auktionshauses hätten allerdings auch eine andere Möglichkeit zutage gefördert.

Demzufolge komme auch die Schwägerin von Adolf – die oft „Lilly“ genannte Henriette Amalie Lieser-Landau, die 1905 von Justus Lieser geschieden wurde – als Auftraggeberin infrage. Folglich könnte das porträtierte „Fräulein Lieser“ auch eine der beiden Töchter Lillys sein. „Einiges ist hier noch im Dunkeln“, fasste Kogeschäftsführer Ernst Ploil zusammen.

Verschollen geglaubtes Klimt-Bild präsentiert

Das Wiener Auktionshaus im Kinsky hat heute ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt der Öffentlichkeit präsentiert. Das „Bildnis Fräulein Lieser“ war jahrzehntelang im Verborgenen – in Privatbesitz. Die Fachwelt kannte es bisher nur von einem Foto.

Schicksal des Gemäldes teils ungeklärt

Das gilt auch für die Provenienz. Denn zwischen 1925 und den 1960er Jahren ist das genaue Schicksal des Porträts ungeklärt – und damit auch der Verbleib während der Herrschaft des Nationalsozialismus. Ploil legte auf APA-Nachfrage dar, dass trotz intensiver Recherche – dem Einbringer sei dieser Punkt sehr wichtig gewesen – jedenfalls keine Hinweise auf eine „rechtswidrige Enteignung“ vorlägen.

Auch im Auktionskatalog heißt es dazu: „Es existieren mithin keine Beweise dafür, dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkrieges geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist.“

Einstige Besitzerin in NS-Zeit ermordet

Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Gemälde begonnen haben, nachdem ihm die Dargestellte innerhalb einiger Wochen neunmal in seinem Hietzinger Atelier Modell gestanden hatte. Mindestens 25 Vorstudien entstanden. Nach Klimts Tod am 6. Februar 1918 ging das in geringen Teilen noch unvollendete Werk an den Auftraggeber oder die Auftraggeberin zurück.

 „Bildnis Fräulein Lieser“ wird präsentiert
APA/Roland Schlager
Das Gemälde soll im Auktionshaus im Kinsky noch rund zwei Wochen ausgestellt sein

Die „nächste Spur“ stammt aus dem Jahr 1925, als das Gemälde in einer Ausstellung in der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein zu sehen war, wie Ploil erklärte. Dort wurde vermutlich auch jenes Schwarz-Weiß-Foto aufgenommen, dessen Negativ als bisher einziges Bildzeugnis des Porträts im Archiv der Nationalbibliothek verwahrt wird. Auf der Inventarkarte findet sich der Vermerk: „1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20“. Diese Adresse habe Henriette Lieser gehört.

Sie blieb trotz der Nazi-Diktatur in Wien, wurde 1942 deportiert und ermordet. Ihre Töchter hätten nach dem Ende des Krieges zwar die Restitution ihrer Vermögenswerte durchgesetzt, allerdings das Gemälde nirgends erwähnt oder gar zurückgefordert, heißt es in der Auktionsbroschüre: „Ebenso haben es alle anderen von Repressalien der Nationalsozialisten betroffenen Mitglieder der Familie Lieser gehalten.“ Das Bild sei auch nachweislich nie aus Österreich exportiert worden.

Seit 1960er Jahren in Villa in der Nähe von Wien

Fest steht, dass das „Bildnis Fräulein Lieser“ zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt in den Kunsthandel gekommen sei, wie ausgeführt wird. „Wann und wo es gekauft und weiterverkauft wurde, weiß ich nicht“, das sei „nicht erforschbar“ gewesen, führte Ploil aus. Die jetzigen Eigentümer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden. Etwa seit Mitte der 1960er Jahre habe es sich im Salon einer Villa in der Nähe Wiens befunden.

Weitere Untersuchungen durch das Auktionshaus hätten ergeben, dass es sich „in fast tadellosem Zustand“ befunden habe, wie Mörth-Gasser berichtete. Es wurde in weiterer Folge fachkundig gereinigt und via Infrarot untersucht. Das habe gezeigt, dass Klimt im Laufe des Malprozesses recht wenig Korrekturen durchgeführt habe – anders als etwa bei seiner „Adele Bloch-Bauer II“.

Präsentationen in Europa und Asien geplant

Bevor das Gemälde im Auftrag der jetzigen Eigentümer, über die im Übrigen keine näheren Angaben gemacht wurden, unter den Hammer kommt, soll es noch rund zwei Wochen lang in den Räumlichkeiten von im Kinsky der Öffentlichkeit gezeigt werden. Außerdem sind noch Präsentationen an mehreren Orten in Europa und Südostasien wie Deutschland, Schweiz, Großbritannien und Hongkong geplant.

Wie im Kinksy als im internationalen Vergleich recht kleines Auktionshaus überhaupt zu diesem wichtigen Auftrag gekommen ist, erzählte Ploil, der auch als Rechtsanwalt tätig ist, recht launig. In seiner Kanzlei habe eines Tages jemand angerufen und gesagt, ihm stehe eine Erbschaft bevor, die wohl auch ein wertvolles Kunstwerk beinhalte. Er, Ploil, möge ihn juristisch und dann auch bei der Verwertung des Werks unterstützen, so die Bitte des Gegenübers. „Sie sehen: Solche Klimts laufen einem ganz bequem über den Weg. Man muss nur warten.“