Angeklagter im Gerichtssaal
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Gericht

Mord in Druckerei: 15 Jahre Haft

Zwei Tage ist über einen tödlichen Schuss im Zuge eines missglückten Geldgeschäfts in einer Druckerei in Simmering verhandelt worden. Jetzt ist am Landesgericht Wien ein 35-jähriger Iraner wegen Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Geschworene entschieden in ihrer zweistündigen Beratung mit sechs zu zwei Stimmen für das Verbrechen des Mordes und gegen eine grob fahrlässige Tötung. Mildernd wurde die Unbescholtenheit des Mandanten gewertet. Der hinterbliebenen Witwe wurden mehr als 23.000 Euro Schmerzengeld sowie Begräbniskosten zugesprochen.

Dem 35-jährigen Iraner wurde vorgeworfen, bei einer Überweisung für einen Landsmann 7.000 Euro unterschlagen zu haben. Als dieser das Geld zurückverlangte, soll er am 7. Mai auf ihn geschossen haben. Der Iraner überlebte den Brustdurchschuss nicht. Der Angeklagte soll hoch verschuldet sein.

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Frage nach tödlichem Schuss

Auch am zweiten Verhandlungstag stand vor allem die Frage im Raum, wie es zu dem tödlichen Schuss gekommen ist. Die Staatsanwältin sprach von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt. Der Angeklagte argumentierte jedoch, zuerst mit der Waffe bedroht worden zu sein und sich lediglich gewehrt zu haben. Bei einem Gerangel hätte sich der Schuss gelöst. Er bekannte sich weiterhin nicht schuldig.

Unklar ist bisher auch, wem die Waffe gehört, da Produktionsnummern und die Beschusszeichen an der Pistole rausgebohrt wurden. Und es war auch undurchsichtig, wie genau das Geldgeschäft zustande gekommen ist, da der Beschuldigte eine andere Version erzählte, als die Ehefrau des Getöteten.

Angeklagter soll verschuldet gewesen sein

Der Angeklagte betrieb in Simmering die Druckerei und eine Werbefirma. Im Herbst 2022 wuchsen ihm laut Staatsanwaltschaft die Schulden über den Kopf. Die letzten Mieten bzw. Leasingraten für seinen Audi Q5 konnte er dann nicht mehr begleichen. Im heurigen Frühjahr borgte er sich immer wieder bei Bekannten Geld aus – erst im März 2023 waren es 12.000 Euro – oder kassierte von seinen Kunden Geld, obwohl er trotz Bezahlung keine Leistung erbrachte.

Die Verteidigung des Mannes dementierte, dass ihr Mandant so hohe Schulden gehabt habe. Er sei selbstständig tätig gewesen und aufgrund von Geschäften habe es lediglich einige Verbindlichkeiten gegeben. Deshalb fehle auch das Motiv für einen Mord. Bei dem tödlichen Schuss habe es sich um einen Unfall gehandelt, deshalb plädierte die Verteidigung auf fahrlässige Tötung infolge eines Gerangels.

Lernte späteres Opfer über Telegram kennen

Im Mai lernte er über einen Telegram-Kanal das spätere Opfer (38) und dessen Frau kennen. Das Ehepaar stammte ebenfalls aus dem Iran, lebte in Kärnten und wollte mithilfe des 35-Jährigen Geld in ihre Heimat überweisen. Aufgrund des weltweiten Embargos gegen den Iran sind Auslandsüberweisungen auf offiziellem Weg nicht möglich. Es ist daher üblich, Geldgeschäfte über das sogenannte Hawala-System abzuwickeln. Das System basiert auf Vertrauen. Dabei geht es nicht um das direkte Transferieren von physischem Geld, sondern um das Übertragen einer Schuld.

Ab da unterscheiden sich die Angaben des Angeklagten mit jenen der Ehefrau des Getöteten als einzige unmittelbare Zeugin. Sie berichtete dem Schwurgericht, der 35-Jährige hätte einen Betrag in der Höhe von 33.000 Euro von dem Ehepaar annehmen sollen, der für den Bruder des Opfers im Iran gedacht war. Dazu hätte die Familie des 35-Jährigen wiederum im Iran diesen Betrag an den Bruder weiterleiten müssen.

Verwirrung um Geldgeschäfte

Der 35-Jährige behauptete demgegenüber, dass nicht die beiden, sondern er über das Ehepaar Geld in den Iran hätte schicken wollen, um in sein Geschäft in Wien zu investieren. Seinen Angaben zufolge hätte das Ehepaar ihm 100.000 Euro zur Verfügung stellen sollen, diese verfügten aber nur über die 33.000 Euro. Die Verantwortung des Beschuldigten war für die Anklägerin nicht nachvollziehbar, dass er Geld in den Iran schicken wollte, wenn er doch in Österreich investieren wollte.

Für das Geldgeschäft wurde zunächst ein Treffen am 6. Mai in der Druckerei des Beschuldigten vereinbart. Da diese „Überweisung“ im Iran nicht bestätigt wurde, wurde für den nächsten Tag ein neuerliches Treffen vereinbart. Am 7. Mai hätte das Geldgeschäft finalisiert werden sollen, zumindest gab das der 35-Jährige gegenüber dem Ehepaar an.

Während die Männer mit den jeweiligen Verwandten in ihrer Heimat telefonierten, soll die Ehefrau des Opfers dem Beschuldigten die 33.000 Euro überreicht haben, die er in einer Lade verstaute. Doch wieder kam das Geldgeschäft nicht zustande, die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 35-Jährige den Handel nur vortäuschte, um an den hohen Geldbetrag zu kommen.

Opfer schöpfte Verdacht

„Mein Ehemann sagte zu mir, ihm komme der Mann so verdächtig vor“, sagte die Ehefrau des Opfers. Daraufhin verlangte der 38-Jährige sein Geld zurück. Der Angeklagte zeigte sich plötzlich sehr verärgert und habe gemeint: „Habt ihr kein Vertrauen zu mir?“, so die Zeugin. Als das Ehepaar nachzählte, waren nur noch 26.000 Euro in der Lade. Der Beschuldigte dürfte in der Zwischenzeit an der Hintertür mit den 7.000 Euro einen Teil seiner Schulden bezahlt haben.

Der 38-Jährige verlangte mehrfach sein Geld und der 35-jährige Druckereibetreiber vertröstete ihn immer wieder. Zunächst meinte er, er werde den Mann, dem er das Geld gegeben habe, wieder zurückholen, aber er könne ihn angeblich nicht mehr erreichen. Danach versprach er, das Geld von Zuhause zu holen. Das Ehepaar saß längere Zeit im Geschäft und wartete.

Plötzlicher Griff zur Waffe

Plötzlich soll der Druckereibesitzer laut Aussage der Frau nach der Waffe gegriffen, gelächelt und auf den 38-Jährigen gezielt haben. Dann fiel der Schuss. Der Ältere packte den 35-Jährigen noch am Kragen, es kam zu einem Gerangel, ehe der Mann zusammenbrach. „Ich war voll Blut und ich wusste nicht, wie das passiert ist“, sagte die Ehefrau, deren Befragung unterbrochen werden musste. Der 35-Jährige hätte sie noch gepackt und wollte sie in das Hinterzimmer schleifen.

„Ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Füße. Ich war wie erstarrt“, sagte die Frau. Sie ergriff noch eine Visitenkartenstanze und schlug sie dem 35-Jährigen auf den Kopf. Erst als eine Passantin durch die Scheibe blickte, ließ er von ihr ab und flüchtete. Die Ehefrau rannte in blutverschmierter Kleidung auf die Straße und schrie um Hilfe. Der 35-Jährige wurde zwei Stunden später festgenommen. „Ich träume jede Nacht davon“, sagte die Ehefrau.

Schmauchspuren uneindeutig

Laut Untersuchungsbericht zu den Schmauchspuren kann nicht mehr klar gesagt werden, wer den Abzug der Tatwaffe der Marke Walther betätigt hatte, weil auch am Ärmel und der Jacke des Opfers Schmauchspuren gefunden wurden. Die Schussabgabe des Angeklagten ist wahrscheinlicher, allerdings muss sich das Opfer in unmittelbarer Nähe befunden haben, was auf das vom Beschuldigten erwähnte Gerangel hindeuten würde. Auf diese Tatsache stützt sich nun die Verteidigung. Der Beschuldigte hatte jedoch Schmauchspuren auch in den Taschen seines Sakkos.

Auch die Behauptung, dass sich bei der Rangelei ein Schuss gelöst hätte, konnte durch den Schusssachverständigen widerlegt werden. Zwar war die Waffe beschädigt, aber dennoch konnten bei Tests ein Schlagen gegen die geladene Pistole, heftiges Schütteln oder ein Fallen-Lassen einen Schuss nicht auslösen. Zudem belasten die Chats über den Telegram-Kanal den Angeklagten.