Die Coronavirus-Maßnahmen der Stadt waren strenger als jene in den restlichen Bundesländern. Bürgermeister Ludwig bezeichnete das Vorgehen während der Pandemie als „Wiener Weg“. Dazu zählte unter anderem eine vorübergehende Maskenpflicht im Freien, eine weitaus längere Maskenpflicht in den Öffis oder striktere Zugangsregeln für Spitäler und Pflegeheime.
Im Vorjahr kündigte Bürgermeister Michael Ludwig dann eine Aufarbeitung der Wiener Coronavirus-Maßnahmen an, und zwar bis zum Sommer. Doch dann wurde es still um das Thema, präsentiert wurde nichts. „Wien heute“ liegt jetzt ein unveröffentlichter 50-seitiger Endbericht der Stadt aus dem Mai 2023 vor. Erstellt wurde dieser vom Gesundheitsdienst (MA 15) der Stadt.
„750 bis 850 Todesfälle konnten vermieden werden“
Darin werden neben dem Impfen und Testen vor allem die ersten drei Coronavirus-Phasen beleuchtet. Dazu wurden die Wiener Kennzahlen mit jenen aus den anderen Bundesländern verglichen. Die Hauptergebnisse dabei: In der ersten Welle sei es Wien gelungen, die Todesfälle deutlich geringer zu halten. Auch während der Delta-Variante habe Wien die Zahl an Infektions- und Todesfällen merklich niedriger halten können als Rest-Österreich. In den Omikron-Wellen habe Wien dann ähnliche Zahlen wie die anderen Bundesländer gehabt.
CoV-Aufarbeitung in Wien fehlt noch
Bürgermeister Michael Ludwig hat zwar im Vorjahr eine Evaluierung des strengeren Wiener CoV-Maßnahmen angekündigt, umgesetzt wurde diese Aufarbeitung aber noch nicht.
Durch den „Wiener Weg“ konnten „750 bis 850 Todesfälle“ vermieden werden, heißt es in dem Bericht. Und der Volkswirtschaft seien Krankenstandskosten von bis zu 47 Millionen Euro erspart geblieben. Die vermiedenen Kosten bei Long-Covid wurden mit „14 bis 17 Millionen Euro“ angegeben.
Hacker sieht kein Problem
Auffällig ist, dass sich in dem Bericht des Gesundheitsdienstes der Stadt kein kritisches Wort findet. Einzelne Maßnahmen, wie etwa die Maskenpflicht im Freien, wurden nicht geprüft. Auch die Mehrbelastung durch die strengeren Regeln für die Wiener Bevölkerung wurde nicht erhoben.
Bürgermeister Ludwig wollte dazu auf Anfrage kein Interview geben und verwies auf Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). „Wir haben natürlich nicht alles richtig gemacht, das kann man ja gar nicht erwarten in einer solchen unglaublichen, einmaligen Situation. Aber wir haben vieles richtig gemacht“, sagte Hacker im „Wien heute“-Interview.
Und: „Die externe Evaluierung haben wir durch mehrere Rechnungshofberichte glaube ich mehr als abgearbeitet. Und ich wüsste jetzt nicht, warum man da noch selbstkritisch sein soll. Warum soll sich die Gesundheitsbehörde nicht selbst reflektieren?“, sagte Hacker. Außerdem sei seine Lust begrenzt, „tonnenweise Papier produzieren zu lassen“, noch dazu auf Kosten der Steuerzahlerinnen und -zahler.
Experten nicht eingebunden
Ludwig hatte im Vorjahr angekündigt, für die Evaluierung auch die Fachleute seines damaligen Beraterstabes einzubeziehen. Das ist nicht passiert. Der Statistiker Erich Neuwirth ist „nicht eingebunden“ worden, wie er sagt. Er hätte es sinnvoll gefunden, denn „mehr Leute sehen mehr“.
Auch der Epidemiologe Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien denkt, „dass wir sicherlich ein paar Inputs geben hätten können oder nach wie vor geben können. Was von der Stadt nicht gesehen wurde, dass man einen Input von Außen reinbringt, ist sicher keine schlechte Idee“. Hutter verwies aber auch darauf, dass eine Evaluierung von einzelnen Maßnahmen sehr aufwändig sei.