Zwei Jugendliche in einer WG
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Soziales

Mehr Hilfe für junge „Care Leaver“ gefordert

Für junge Erwachsene, die im Betreuten Wohnen untergebracht sind, bedeutet die Volljährigkeit vor allem eines: Mit 18 Jahren plötzlich ganz auf sich alleine gestellt zu sein. Nun wird dringend mehr Hilfe für die so genannten „Care Leaver“ gefordert.

„Care Leaver“ sind Kinder, die aufgrund der schlechten Umstände nicht in ihrer eigenen Familie bleiben konnten. An ihrem 18. Geburtstag müssen sie auch aus dem Betreuten Wohnen von Hilfseinrichtungen wie der Volkshilfe entlassen werden – dann werden sie die so genannten „Fürsorge-Verlasser“. „Mit 18 ist man im Normalfall nicht fertig. Noch nicht sicher genug im Leben, finanziell noch nicht sicher, psychisch, seelisch. Man ist ganz einfach noch nicht fertig“, sagt Tatjana Bernhard, Pädagogische Leiterin Jugend Wohngemeinschaften der Volkshilfe Wien gegenüber „Wien heute“.

Volkshilfe will Betreuung bis 24 Jahre

Aufgrund des Erlebten haben es diese Jugendlichen aber häufig besonders schwer, oft kämpfen sie auch mit psychischen Problemen. Ist die Beeinträchtigung durch soziale Schwierigkeiten oder Depression zu groß, gibt es zwar weiterführende Betreuungsmöglichkeiten. Diese sind aber mit großem bürokratischem Aufwand verbunden und vom beschränkten Platzangebot abhängig. Unterstützung, und Ansprachemöglichkeiten werden aber generell oft benötigt. Die Volkshilfe fordert daher eine Betreuung bis zum 24. Lebensjahr.

Ausbau Betreuung Care Leaver gefordert

Für junge Erwachsene, die im Betreuten Wohnen untergebracht sind, bedeutet die Volljährigkeit vor allem eines: Mit 18 Jahren plötzlich ganz auf sich alleine gestellt zu sein. Nun wird dringend mehr Hilfe für die so genannten „Care Leaver“ gefordert.

„Alle 17- oder 18-Jährigen wollen einmal von zu Hause weg und bemerken dann ein halbes Jahr oder Jahr später: ’Puh, vielleicht sollte ich doch einmal meine Eltern irgendwas fragen oder vielleicht helfen sie mir mit den normalen Lebensgeschichten oder mal mit der Miete aus. Wir wollen, dass sie normal behandelt werden. Sie haben sowieso keinen guten Start ins Leben gehabt und müssen sehr kämpfen“, so Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien.

Stadt will mit „Care-Leaver-Gutscheinen" helfen“

Die Stadt Wien versucht hier nun mit sogenannten „Care-Leaver-Gutscheinen“ einzugreifen. Dadurch stehen den Jugendlichen 45 Betreuungsstunden bis zum 24. Geburtstag zur Verfügung. Ein erster Schritt, aber für viele nicht ausreichend.

„Ich hatte erst gestern einen Jugendlichen da, den ich vor einem Dreivierteljahr entlassen habe. Der steht jetzt genau an dem Punkt: Die Ansparung ist noch nicht aufgebraucht, aber in fünf Monaten ist sie aufgebraucht. Er hat eine Beziehung, er findet keinen Job, er hat viele Ideen, er schafft es nicht anzufangen. Da werden wir jetzt begleiten. Da werden die 45 Stunden nicht reichen“, schildert Bernhard.

In Berufswahl eingeschränkt

Die Jugendlichen sind außerdem in ihrer Berufswahl eingeschränkt. Denn wer mit 18 schon eine eigene Wohnung erhalten soll, muss sich in den meisten Fällen für eine Lehre entscheiden. Auch hier wünscht man sich bei der Volkshilfe ein Umdenken: „Wir finden Lehre großartig, das ist nicht der Punkt. Aber wenn ich in Österreich, nicht denken kann, dass ich alles werden kann in dieser Welt, dann läuft etwas schief und das wollen und müssen wir ändern.“

Das schlimmste was einem Jugendlichen nach dem Ende seiner Betreuung passieren kann: Er muss in eine Hilfseinrichtung für obdachlose junge Erwachsene entlassen werden. Und das passiert immer noch zu oft: Zuletzt hat sich etwa gezeigt, dass ein Drittel der Wohnungslosen in Wien unter 30 Jahre alt ist.