Chronik

Terrorpläne: 17-Jähriger angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Wien hat Anklage gegen jenen 17-Jährigen erhoben, der im September auf dem Wiener Hauptbahnhof einen terroristischen Anschlag durchführen wollte.

Wie die Behörde mitteilte, hätten die umfangreichen Ermittlungen und die Einvernahmen des Beschuldigten ergeben, dass der Jugendliche aus Überzeugung sowie den Zielen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) folgend handelte. Die Anklage bezieht sich daher auf den Vorwurf der terroristischen Vereinigung.

Den Jugendlichen hatte nach der Ankunft auf dem Bahnhof der Mut verlassen, weshalb er den mit einem Kampfmesser geplanten Anschlag doch nicht durchführte. Die diesbezüglichen Aussagen des Jugendlichen deckten sich mit den übrigen Beweisergebnissen, schreibt die Staatsanwaltschaft. Daher wurde das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der terroristischen Straftat aus rechtlichen Gründen eingestellt. Der Mann war am Tag nach dem geplanten Anschlag festgenommen worden.

Anklage wegen terroristischer Vereinigung

Vorgeworfen wird dem 17-Jährigen das Verbrechen der terroristischen Vereinigung im Sinne des Paragrafen 278b StGB. Der 29 Seiten umfassenden Anklageschrift zufolge soll er sich spätestens ab 31. Jänner 2023 bis zum 12. September für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) betätigt haben, „indem er in diversen sozialen Medien bzw. in privaten Chats in einer Vielzahl von Angriffen die terroristische Vereinigung IS-Islamic State bzw. deren Ziele, darunter insbesondere auch den bewaffneten Jihad, verherrlichte und propagierte“.

15 Chats bzw. Nachrichten wurden in die Anklage aufgenommen, darunter Ausführungen des Burschen, die er unmittelbar vor der Fahrt zum Hauptbahnhof in eine Telegram-Gruppe mit 28 IS-Anhängern gepostet hatte. In holprigem Englisch teilte er seinen Gesinnungsgenossen mit „I make inshallah attacke in vienna“. Auf die Nachfrage, wann er „es“ machen werde, antwortete er: „Im make today“, wobei er ein Foto von sich in den Chat stellte, das ihn mit einem Jagdmesser, Handschuhen und in Tarnkleidung neben einem auf die Wand gesprühten IS-Logo zeigte.

Jugendlicher wird sich schuldig bekennen

Die umfangreichen Ermittlungen und die Einvernahmen des Beschuldigten hätten ergeben, „dass der Jugendliche aus Überzeugung sowie den Zielen der Terrororganisation Islamischer Staat folgend handelte“, hielt die Staatsanwaltschaft in ihrer Aussendung fest. Die im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen des Burschen, ihn hätte am Hauptbahnhof „der Mut verlassen“, deckten sich mit den übrigen Beweisergebnissen, schreibt die Staatsanwaltschaft.

„Es ist keine Überraschung, dass sich die Anklage nur auf die Chats und das Propagandamaterial bezieht“, meinte Verteidiger David Jodlbauer in einer ersten Reaktion. Dafür werde sein Mandant auch Verantwortung übernehmen und sich vor Gericht zu den inkriminierten Vorwürfen schuldig bekennen, kündigte der Anwalt an.

Der 17-Jährige habe sich im Vorjahr „in einer radikalen Phase“ befunden, distanziere sich mittlerweile aber vom IS: „Er hat sich inzwischen in das neue soziale Umfeld eingelebt (der Jugendliche befindet sich seit Mitte September in U-Haft, Anm.) und spricht gut auf das Deradikalisierungsprogramm beim Verein Derad an.“

Bis zu fünf Jahre Haft

Die Strafdrohung für den bisher Unbescholtenen beträgt unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Angeklagten bis zu fünf Jahre Haft. Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig, der 17-Jährige hat das Recht, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung der Anklageschrift dagegen Einspruch zu erheben. Ob eine Beschwerde eingelegt oder darauf verzichtet wird, wird Verteidiger Jodlbauer am Mittwoch mit seinem Mandanten besprechen. „Aber grundsätzlich möchte er möglichst schnell einen Verhandlungstermin“, sagte der Anwalt. Sollte das Oberlandesgericht (OLG) Wien nicht mehr mit der Prüfung der Anklageschrift befasst und diese gleich rechtskräftig werden, wäre mit einem Prozesstermin noch im Frühjahr zu rechnen.

Im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft die Frage klären lassen, ob bei dem 17-Jährigen überhaupt Zurechnungsfähigkeit gegeben ist. Aus dem Akt ergaben sich Hinweise auf eine mögliche verzögerte Reife des Jugendlichen. Eine mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Kinder- und Jugendpsychologin stellte dann fest, dass der IQ des Angeklagten zwar im Normbereich liegt, aber bei diesem eine weit unterdurchschnittliche verbale Intelligenz nachweisbar ist.

Aus „Einsamkeit, fehlenden Sozialkontakten, einem fehlenden Halt und keine Sicherheit gebendem Elternhaus, demütigenden Mobbingerfahrungen und schulischen Misserfolgen sowie unzureichender Förderung“ hätte sich „eine ich-schwache, unsichere, suggestible und für negative Einflüsse (wie z. B. extremistische Inhalte) Persönlichkeit mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung und gleichzeitig großem Zugehörigkeitsbedürfnis und dem unrealistisch hohen Wunsch nach Erfolg und Anerkennung“ entwickelt, nimmt die Anklageschrift auf das Gutachten Bezug.

Viel Beweismaterial auf Smartphone

Bei der Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des 17-Jährigen fanden sich insgesamt 2.870 Videos, darunter Material sämtlicher IS-Medienstellen, bestialische Enthauptungsvideos und gewaltverherrlichende Aufnahmen, die er auch weitergeleitet hatte. Der Angeklagte dürfte auch den Wien-Attentäter, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Menschen getötet hatte, verehrt haben. Ein beschlagnahmtes Video zeigte ihn vor der Moschee in Wien-Meiding, die der Attentäter frequentiert hatte, wobei er lobend über den Attentäter sprach, den er als „Vorbild“ bezeichnete.

Neben IS-Propaganda hatte der Angeklagte auf seinem Handy einen Bombenbauplan in Form einer Anleitung zum Bau für Sprengsätze mit Nitropenta (PETN) sowie ein vom IS veröffentlichtes E-Book abgespeichert, das detaillierte Anweisungen zum Anzünden geparkter Autos, zum Legen von Waldbränden, zum Aufstellen von Fallen für Verkehrsunfälle, zum Bau von Bomben und für Selbstmordattentate auf Fußgänger enthielt.

Zwei Tage vor dem geplanten Anschlag auf dem Hauptbahnhof hatte er sich auf YouTube Anleitungen zur Herstellung von Molotowcocktails angesehen. Der Jugendliche dürfte nach seiner Inhaftierung nicht gleich dem IS abgeschworen haben. Die Staatsanwaltschaft verweist in ihrer Anklage darauf, der Bursch habe „auch noch in der Haft Zeichnungen angefertigt, die seine radikal-islamische Gesinnung deutlich machen“.