Polizist und Justizwache-Beamte vor Verhandlungssaal am Wiener Landesgericht
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Freispruch in Prozess gegen IS-Anhänger

Ein 27 Jahre alter mutmaßlicher Anhänger der radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist heute in Wien erneut freigesprochen worden. Einem Schöffensenat fehlten eindeutige Beweise.

Bereits im September 2018 musste sich der gebürtige Tschetschene in Wien vor Gericht verantworten und wurde freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, im Sommer 2014 – er war damals 18 Jahre alt – nach Syrien gereist zu sein und sich dort dem IS angeschlossen zu haben. Aufgrund neuer Beweismittel bekam die Staatsanwaltschaft allerdings eine Wiederaufnahme bewilligt.

Der 27-Jährige musste sich deshalb ein zweites Mal wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation am Landesgericht verantworten. Er soll im Gefängnis einem Mithäftling erzählt haben, er habe in Syrien für den IS gegen die Jesiden gekämpft und dabei „auch auf Leute geschossen“, wie die Anklageschrift aus den zeugenschaftlichen Angaben des Ex-Zellengenossen zitiert. Er wurde im Zweifel freigesprochen. Einem Schöffensenat fehlten am Ende eindeutige Beweise für den Aufenthalt des Angeklagten auf dem Gebiet des IS. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig.

Mithäftling wandte sich an Verfassungsschutz

Der Mithäftling hatte sich an den Verfassungsschutz gewandt und sich als Zeuge zur Verfügung gestellt. Der Mann behauptet, der Angeklagte habe ihm nicht nur von seinen Erlebnissen in Syrien erzählt, sondern auf seinem Handy auch rund 20 Videos gezeigt, auf denen der Tschetschene etwa mit einer Kalaschnikow vor zerstörten Häusern zu sehen gewesen sei. Außerdem habe der Tschetschene „dem IS versprochen, dass er in Europa und auch Österreich definitiv weitermachen wird“, gab der Zeuge zu Protokoll.

Anschuldigungen laut Anklageschrift

Laut Anklage soll der 27-Jährige im Juni 2014 mit einem Schleuser über Bulgarien und die Türkei in die nordsyrische Stadt Dscharabulus gelangt sein und dort den IS unterstützt haben, „sei es dadurch, dass er in den bewaffneten Dschihad zog oder sonstige Hilfstätigkeiten (als Sanitäter, Arzt bzw. andere Berufe) ausübte und als Mitglied des ausgerufenen Kalifats auf dessen Gebiet als Bewohner lebte und gesellschaftliche Aufgaben übernahm“ (Anklageschrift).

Am 27. Juli 2014 kehrte er nach Österreich zurück, weil ihm laut Anklage seine Familie vormachte, dass seine Mutter todkrank sei. Er habe jedoch vor seiner Abreise IS-Vertretern versichert, von Österreich aus „jederzeit für einen ‚Einsatz‘ zur Verfügung zu stehen“ (Anklageschrift).

Neue Beweismittel

Neue Beweismittel hatte unterdessen auch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) beschafft. Eine gerichtsverwertbare Kopie eines Datenblattes belegt, dass sich der Name des Angeklagten auf einer 5.185 Personen umfassenden Liste mit dschihadistischen Kämpfern befindet, die zwischen Anfang und Mitte 2014 in Syrien eingereist waren. Die entsprechende Datenbank wurde offenbar vom IS geführt und war auf einem im Kriegsgebiet gefundenen USB-Stick abgespeichert, der in den Besitz des FBI gelangte.