Eine Polizistin am Tatort
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Getötete Frauen: Rufe nach Krisensitzung

Nach der Tötung von insgesamt vier Frauen und einem Mädchen in Wien gibt es zahlreiche Rufe nach mehr Maßnahmen gegen Gewalt. Die Vorsitzende des Österreichische Frauenrings, Klaudia Frieben, drängt etwa auf eine „sofortige Krisensitzung“.

„So etwas hatten wir noch nie an einem Tag, dass fünf Frauen ermordet wurden", zeigte sich Frieben im Interview mit „Wien heute“ erschüttert. Es sei ein „schwarzer Freitag“ gewesen. An der von ihr geforderten Krisensitzung sollten Vertreterinnen und Vertreter von Sicherheits- und Frauenpolitik, Gewaltschutzorganisationen und auch politischen Frauenorganisationen teilnehmen. Zudem brauche es einen ständigen Krisenstab, der sich mit Gewalt an Frauen befasse. Ziel müsse ein nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen sein.

Klaudia Frieben (Frauenring) im Gespräch

Fünf getötete Frauen in Wien an einem Tag | Klaudia Frieben (Frauenring) im Gespräch | SPÖ fordert nationalen Aktionsplan für Gewaltschutz | Russische Antikriegsdemo in Wien | „Bei Budgen“ mit Iryna Grill | Echt gut: Ukrainisches Lokal „Elviras“

„Welle von Femiziden“ in Österreich

„Wir sind ja schon seit einiger Zeit von einer Welle von Femiziden oder von Gewalt gegen Frauen betroffen in Österreich“, betonte die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, der Dachorganisation österreichischer Frauenvereine. Und das obwohl die sogenannte Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen heuer seit zehn Jahren in Kraft sei.

Alle Gegenmaßnahmen würden natürlich Geldinvestitionen bedeuten, „die offenbar die Politik derzeit nicht bereit ist zu investieren“. Der Frauenring fordert dafür 250 Millionen Euro jährlich. „Wenn man jetzt gerade sieht, dass in der Landesverteidigung Milliarden ausgegeben werden und gleichzeitig vergessen wird, dass für Frauen meist der Feind im eigenen Umfeld ist, ist es eigentlich eine Verhöhnung der Frauen“, sagte Frieben.

ÖVP-Frauensprecherin: „Bereits viel getan“

Keine Stellungnahme zu den Geschehnissen gab es bis zum Samstagnachmittag von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Stattdessen meldete sich ÖVP-Frauensprecherin Elisabeth Pfurtscheller zu Wort: „Jeder Gewaltakt an Frauen muss verhindert werden. Ich bin froh, dass die Bundesregierung in diesem Bereich bereits viel getan hat“, erklärte sie. So sei in dieser Legislaturperiode etwa das höchste Gewaltschutzbudget der Zweiten Republik beschlossen worden und ein verpflichtendes Waffenverbot sowie ein Gewalttraining für Gefährder eingeführt worden.

SPÖ fordert nationalen Aktionsplan für Gewaltschutz

Fünf getötete Frauen in Wien an einem Tag | Klaudia Frieben (Frauenring) im Gespräch | SPÖ fordert nationalen Aktionsplan für Gewaltschutz | Russische Antikriegsdemo in Wien | „Bei Budgen“ mit Iryna Grill | Echt gut: Ukrainisches Lokal „Elviras“

SPÖ: Forderung nach Aktionsplan und mehr Austausch

SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner reagierte wie der Frauenring mit einem Appell an die Bundesregierung. Sie forderte ebenfalls eine Krisensitzung und einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz. Ziel müsse es sein, „einen permanenten Krisenstab von Justiz-, Frauen- und Innenministerium gemeinsam mit den Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen zu installieren und darüber hinaus flächendeckend Gewaltschutzambulanzen und regelmäßige multi-institutionelle bundesweite Gefährdungskonferenzen einzurichten“, so Holzleitner. Die Anzahl an Femiziden sei die höchste in Europa.

Die Wiener Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) hob in einer Stellungnahme die Hilfsangebote für Gewaltbetroffene in Wien hervor, etwa den Frauennotruf. „Was wir dringend österreichweit brauchen, ist ein regelmäßiger Austausch und Gewaltschutzdialog zwischen Bund und Ländern – gemeinsam mit den Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen. Hier ist der Bund gefordert“, erklärte Gaal.

FPÖ übt Kritik an Zuwanderungspolitik

Die FPÖ fokussierte auf die Bluttaten in einem Rotlichtlokal in Wien-Brigittenau. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 27-jährigen afghanischen Asylwerber, wie die Polizei inzwischen bestätigte. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp sieht etwa eine Eskalation der Gewalt in Wien. Er forderte „eine rigorose Abschiebe-Politik“ und einen Asylaufnahmestopp für die Hauptstadt. Für den FPÖ-Sicherheitssprecher und Nationalratsabgeordneten Hannes Amesbauer trägt die schwarz-grüne Bundesregierung „Mitverantwortung“ für die Tat in der Brigittenau.

Grüne wollen Wiener Gewaltschutzgipfel

Die Grünen sehen auch die Stadt Wien selbst in der Pflicht und fordern einen eigenen Wiener Gewaltschutzgipfel. Es müssten sich alle Fachleute zusammensetzen und schauen, wo es noch Lücken im System gebe, so die Wiener Frauensprecherin Viktoria Spielmann: „Zum Beispiel ist es ganz wichtig, einen Fokus auf die opferschutzorientierte Täterarbeit zu legen, damit wir nachhaltig Femizide verhindern können.“

NEOS für Femizide in Kriminalstatistik

NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter forderte die Bundesregierung unterdessen auf, endlich Femizide einheitlich zu definieren, und diese in die Kriminalstatistik aufzunehmen. „Nur so sind konkrete Handlungsableitungen möglich“, so Brandstötter. „Dem Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und allen voran Präventionsarbeit muss endlich oberste Priorität auf absolut allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen eingeräumt werden“, forderte auch NEOS-Wien-Frauensprecherin Dolores Bakos.

Gedenkkundgebung am Samstagabend

Die LINKS-Bezirksrätin Hannah Luschnig und ihr Kollege Stefan Ohrhallinger riefen indes für Samstagabend zu einer Gedenkkundgebung in der Brigittenau gegen Femizide auf. Ab 18.00 Uhr würden in der Nähe des Tatorts in der Engerthstraße, Ecke Traisengasse bis zu 100 Teilnehmende zum gemeinsamen Trauern erwartet. „Femizide sind die tödlichste Form der täglichen Gewalt, die von Demütigungen über Übergriffe und Drohungen bis hin zu Körperverletzungen und Mordversuchen geht“, sagte Luschnig.

26 Femizide im Vorjahr, heuer bereits sechs

Insgesamt wurden in Österreich heuer bereits sechs Frauen bzw. Mädchen getötet. Neben den fünf Toten in Wien hatte am 25. Jänner ein 78-Jähriger im Tiroler Zillertal in der gemeinsamen Wohnung seine stark pflegebedürftige, 72-jährige Frau erstickt und anschließend Suizid verübt. Im Vorjahr hatten die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) insgesamt 26 Femizide gezählt.

Das Innenministerium hielt zum Anstieg der Betretungsverbote in einer Stellungnahme fest, dies sei "aus kriminalpolizeilicher Sicht positiv, weil wir das Dunkelfeld von häuslicher Gewalt in das Hellfeld rücken wollen“. Zudem dürfe nicht jeder Frauenmord automatisch in das Feld ‚häusliche Gewalt‘ eingeordnet werden.

„Zu sagen, Österreich sei in diesem Deliktsfeld besonders belastet, ist statistisch nicht haltbar“, betonte ein Sprecher zudem. Laut Zahlen von Eurostat, dem EU-Statistikamt, die derzeit bis 2021 vorliegen würden, liege Österreich im europaweiten Durchschnitt und teilweise sogar darunter. Das zeige auch eine Studie des Instituts für Konfliktforschung aus dem vorigen Jahr. Mit dem Instrument des seit 2021 verpflichtenden Anti-Gewalttrainings für Gefährder sei Österreich zudem „internationaler Vorreiter“.