Passanten in Mariahilfer Straße am 8. Dezember 2020
APA/Hans Punz
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Soziales

Anstieg bei psychischen Problemen in Wien

Die Stadt Wien hat erneut eine Studie zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung durchführen lassen. Erschöpfung, Ängste und Depressionen haben demzufolge weiter zugenommen. Besonders betroffen sind junge Menschen und Frauen.

Das Institut Foresight (vormals SORA) befragte für die Studie im Mai des Vorjahres 1.033 Wienerinnen und Wiener. Knapp die Hälfte davon wurde auch schon im Jahr davor befragt. Mehr als jede vierte befragte Person (28 Prozent) sagt, die eigene psychische Gesundheit hätte sich im Vergleich zum Jahr davor verschlechtert. Bei einem Fünftel gab es sogar eine kontinuierliche Verschlechterung seit zwei Jahren.

Fast 70 Prozent sehen eine Beeinträchtigung im Alltag durch Erschöpfung – in der vorigen Befragung waren es noch 61 Prozent. Auch Ängste nahmen erneut zu: 65 Prozent gaben an, betroffen zu sein, im Jahr davor waren es 60 Prozent.

Frauen mit wenig Geld stark betroffen

„Menschen, die schon vor der Pandemie mit Herausforderungen zu kämpfen hatten, sind deutlich stärker betroffen, als andere“, analysierte Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, in einer Aussendung. Am stärksten belastet sind demnach Frauen, die Sorgearbeit verrichten, und Frauen unter 29 Jahren, insbesondere wenn sie wenig Geld zur Verfügung haben.

Bei jungen Menschen und Frauen stiegen Erschöpfung und Ängste in jedem der bisher abgefragten Jahre. Bei Frauen unter 29 im unteren ökonomischen Drittel sind beispielsweise neun von zehn von Erschöpfung und Ängsten betroffen.

Viele nehmen Medikamente

Bei den abgefragten konkreten Themen stellte die Teuerung für 59 Prozent der Befragten eine große Belastung dar. Zukunftssorgen belasteten 41 Prozent, globale Entwicklung wie Krieg in der Ukraine 30 Prozent und die Coronavirus-Pandemie 21 Prozent.

Zum ersten Mal wurde auch nach Medikamenten gefragt. Ein Viertel der Befragten gab an, in den letzten Wochen zumindest an einzelnen Tagen Schlaf- oder Beruhigungsmittel genommen zu haben. Knapp ein Fünftel nahm Mittel gegen Müdigkeit und Depression. Bei jungen Menschen waren die Zahlen höher – hier nahm ein Drittel Schlaf- oder Beruhigungsmittel, 31 Prozent nahmen Medikamente gegen Depression und Müdigkeit.

Sorgen macht der ärztliche Leiterin der Suchthilfe Wien, Regina Walter-Philipp, neben der hohen Zahlen auch die „vergleichsweise geringe ärztlich begleitete Medikation“. Bei den unter 29-Jährigen handelte es sich etwa nur in knapp 60 Prozent der Fälle um verschreibungspflichtige Medikamente. „Auch bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sollte eine ärztliche Beratung stattfinden. Selbstmedikation ist mit großen Gefahren verbunden“, betonte Walter-Philipp.

Bei 19 Prozent verbesserte sich psychische Gesundheit

Sich Hilfe zu holen, abseits von Medikamenten, ist unterdessen immer noch schambehaftet, auch das zeigte die Studie. „Immerhin 28 Prozent der Personen, die Hilfe in Anspruch nehmen wollten, haben dies wegen eines Schamgefühls nicht getan", beschrieb die Leiterin der Psychosozialen Information in Wien, Ardjana Gashi. "Gerade in der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen müssen wir noch einen weiten Weg gehen.“

Die Studie wurde bereits zum vierten Mal durchgeführt, das erste Mal im Jahr 2020. Auftraggeber waren die Psychosozialen Dienste in Wien, die Magistratsabteilungen 23 und 57 sowie der Fonds Soziales Wien. An manchen Stellen zeigte sich indes auch eine positive Entwicklung. So gab es erstmals wieder eine größere Gruppe, deren psychische Gesundheit sich verbesserte – und zwar 19 Prozent, das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. Zudem gingen Einsamkeit und Orientierungslosigkeit erstmals wieder zurück.