Eine Solaranlage am Dach des Haus des Meeres im Hintergrund ein Stadtpanorama
ORF/Matthias Lang
ORF/Matthias Lang
Umwelt

Immer mehr Energiegemeinschaften in Wien

Gemeinsam erneuerbare Energie produzieren und verwerten – das geht seit einiger Zeit über sogenannte Energiegemeinschaften. Das Konzept ist laut der zuständigen Koordinationsstelle auch in Wien gut angelaufen. Inzwischen gibt es fast 60 Energiegemeinschaften in der Stadt.

Wenn man Strom und Energie aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt, also beispielsweise mit einer Photovoltaik-Anlage oder mittels Wasser- oder Windkraft, hat man in Österreich die Möglichkeit, Energiegemeinschaften zu gründen. 2021 wurden hierfür nämlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen.

Angenommen, eine Familie versorgt sich mit Strom aus Sonnenenergie, ihre Nachbarn jedoch nicht. Strom, den sie nicht verbraucht, kann sie dann an die Nachbarn verkaufen, zu einem gemeinsam vereinbarten Preis. Sollte einmal zu wenig Strom erzeugt werden, so erhalten die Mitglieder den Strom wie vor der Teilnahme bei der Energiegemeinschaft vom Energielieferanten. Bestehende Strom-Verträge müssen also nicht gekündigt werden. Energiegemeinschaften können von Privatpersonen, aber auch von Unternehmen oder ganzen Gemeinden gegründet werden, es braucht mindestens zwei Parteien.

Energiegemeinschaften über Bundesländergrenzen hinweg

Es gibt mehrere Arten von Energiegemeinschaften, darunter erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaften (BEG). Bei der EEG beschränkt sich das innergemeinschaftliche Versorgungsgebiet auf Gebäude in regionaler und lokaler Nähe. Sie brauchen einen gemeinsamen Netzbetreiber. In BEG kann nur Strom gemeinschaftlich gehandelt werden. Dies ist jedoch über ein größeres Gebiet, auch über Bundesländergrenzen hinaus, möglich. Sie sind zudem nicht auf erneuerbare Quellen beschränkt.

Symbolische Darstellung einer Energiegemeinschaft im urbanen Raum.
Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften im Klima- und Energiefonds
Seit 2021 können in Österreich Energiegemeinschaften gegründet werden

"Wirklich ein sehr wachsendes Interesse“

Ende Februar 2024 gab es in ganz Österreich bereits über 1.000 EEG, so Katja Hoyer von der österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften. „Wir sehen da wirklich ein sehr wachsendes Interesse.“ Ein Blick auf die Anzahl der Energiegemeinschaften im Bundesländervergleich zeigt, dass Wien im Juni 2023 noch Schlusslicht war. Oberösterreich ist Spitzenreiter mit über 300 EEG im gleichen Zeitraum. Das könne daran liegen, dass Oberösterreich ein gutes Informationssystem habe und die Smart-Meter-Ausrollung stark fortgeschritten sei, erklärte Hoyer.

Agnes Schildorfer vom Klima- und Energiefonds merkte zudem an, dass die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Mehrparteienhäusern teilweise schwieriger sei, aufgrund von komplizierten Eigentümerstrukturen oder weil sich Mieterinnen und Mieter nicht so lange an eine Wohnung binden würden. Doch auch in Wien sei ein klarer Aufwärtstrend an EEG und BEG erkennbar. Im Juni 2023 zählte man nur sieben EEG, mit Stand Februar 2024 bereits 58. BEG gibt es in Wien derzeit 43.

Schwierigkeiten und Chancen in Wien

Eine Energiegemeinschaft, die derzeit in Penzing entsteht, verbindet einen Neubau mit schon länger bestehenden Gebäuden. Dabei sind die Gebäude über Grundstücksgrenzen hinweg zu 100 Prozent erneuerbar mit Wärme, Kälte und Strom versorgt. Günter Lang war an der Gründung beteiligt. Zwar stoße man anfangs immer wieder auch auf organisatorische Schwierigkeiten, dennoch sei das Projekt eine einmalige Gelegenheit, unabhängig und sicher Energie zu produzieren und zu bekommen.

Auch Valentin Neuhauser hat eine Energiegemeinschaft gegründet. Er sprach ebenfalls von anfänglichen Schwierigkeiten, die bei neuartigen Konzepten zwangsläufig auftauchen würden. „Man kann es mit einer Bergbesteigung vergleichen. Wenn man mal oben war, geht es beim zweiten Mal schon viel leichter.“ Neuhauser hilft mit seiner Firma nun auch anderen Personen und Unternehmen bei der Gründung von Energiegemeinschaften.

Photovoltaikanlage am Wien Museum
Wien Energie/FOTObyHOFER/Christian Hofer
Im Februar 2024 gab es in Wien 58 erneuerbare Energiegemeinschaften

Eine „Weltneuheit“ in Österreich

Im Allgemeinen betonten beide Gründer unabhängig voneinander die Besonderheit und den Nutzen von Energiegemeinschaften. Zwar gebe es Anfangs sicher einige Startschwierigkeiten und bürokratischen Aufwand, das Ergebnis könne sich allerdings sehen lassen. Durch die neuen gesetzlichen Möglichkeiten habe man in Österreich eine „Weltneuheit“ geschaffen, die die Menschen unabhängiger von fossilen Energieträgern mache und den Umstieg auf erneuerbare Energien vorantreibe, so Günter Lang.

Energie aus Energiegemeinschaften kann nur ein erster Schritt in Richtung Energiewende sein, gab Valentin Neuhauser zu bedenken. „Wichtig sind die weiteren Handlungen.“ Wenn man sich durch die Gemeinschaften etwa bewusster mit Energie auseinandersetze und seinen Stromverbrauch reduziere, trage man zur Energiewende bei.

Energie spenden für Menschen in Energiearmut

Durch Energiegemeinschaften kann Strom und Energie nicht nur verkauft, sondern auch gespendet werden. Dabei werde Menschen in Energiearmut der Zugang zu erneuerbarer Energie erleichtert, erzählte Valentin Neuhauser über sein Herzensprojekt „Robin Powerhood“. In Zusammenarbeit mit dem Verein Wohnen und der Gemeinnützigen Sanierungs- und Beschäftigungs GmbH (GESA) habe man ein Projekt geschaffen, bei dem Personen ihre überschüssige Photovoltaik-Energie an andere Teilnehmende spenden können.

Dies geschehe ohne großen Aufwand, habe aber eine große Wirkung bei den Empfängerinnen und Empfängern. Valentin Neuhausers Leitspruch dabei: „Jemand, der viel hat, muss nur wenig geben, damit jemand, der wenig hat, viel bekommt.“