Sachbuchautor Dietmar Grieser in seiner Wohnung
APA/Georg Hochmuth
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„Literaturreporter“ Dietmar Grieser ist 90

Bestsellerautor Dietmar Grieser ist eigentlich gebürtiger Deutscher, lebt aber seit 1957 in Wien. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag. In rund 50 Sachbüchern machte er Literaturgeschichte anschaulich. Er selbst bezeichnet sich als „Literaturreporter“.

„Ich will nicht kitschig werden, aber …“, beginnt er auf Aufforderung eine Liebeserklärung, die seine langjährige glückliche Beziehung zu dieser Stadt erklären soll. Wenn der 1934 in Hannover geborene Autor seinen 90. Geburtstag begeht, kann er verschmitzt erklären: „Eigentlich werde ich erst 67.“ Denn erst seit Oktober 1957 lebt er in Wien.

Seine Dachgeschoßwohnung am Arenbergpark bewohnt er auch schon 40 Jahre. „Sie verdanke ich den Brüdern Grimm und Goethe“, erzählt er. Seine auch verfilmten „Schauplätze der Weltliteratur“ waren höchst erfolgreich – entsprechend gut dotiert waren Folgeaufträge für den „Literaturdetektiv“, der es schaffte, Orte und ihre Geschichte populär zu machen. Zu seinen literarischen Reportagen zählen Titel wie „Sie haben wirklich gelebt“, „Die böhmische Großmutter“ oder „Alle Wege führen nach Wien“.

Wien war als Auslandsemester geplant

Für Dietmar Grieser war das ein Weg ins Ungewisse, aus dem es nie wieder ein Zurück gab. Sein Professor in Münster hatte ihm für ein geplantes Auslandssemester nicht etwa Berlin, Heidelberg oder Tübingen sondern Wien empfohlen. Dass er sich hier sofort wie zu Hause fühlte, habe möglicherweise zwei Gründe gehabt, analysiert er: „Wien war nicht so zerstört wie deutsche Großstädte. Und ich habe sofort eine Übereinstimmung mit dem Herzen gefühlt. Es war das Lebensgefühl, das mich hier gefangen genommen hat.“

Sachbuchautor Dietmar Grieser in seiner Wohnung
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Seit 1977 ist Grieser Österreicher

Unter seinen rund 50 Buchtiteln, die auf sein 1973 erschienenes erstes Buch „Von Schloss Gripsholm zum River Kwai: Literarische Lokaltermine“ folgten, nehmen seine „12, 13 Wien-Bücher“ einen besonderen Platz ein. „Ich finde, da wäre irgendwann ein Preis der Stadt Wien nicht nur fällig, sondern auch überfällig gewesen. Da bin ich ein bisschen bitter. Aber ich gehöre halt nirgendwo dazu …“

Immerhin bekam er 1977 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Der bekannte Autor und Kritiker Hans Weigel („Er war einer meiner größten Fans!“) habe dazu den Anstoß gegeben und die ersten Schritte geebnet, doch die Behörden seien anfangs misstrauisch gewesen, schildert Grieser: „Ich war überqualifiziert.“

Sein Archiv ist bereits in der Nationalbibliothek

1988 wurde ihm der Berufstitel Professor, 1991 der Donauland-Sachbuchpreis und 1994 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Sein Archiv, darunter Korrespondenzen mit der Tucholsky-Witwe und der Brecht-Tochter, die er für das 1981 erschienene Buch „Musen leben länger. Begegnungen mit Dichterwitwen“ („Eines meiner liebsten Bücher.“) geführt hat, befindet sich nicht mehr direkt unter dem Dach seiner Wohnung, sondern als Vorlass in der Österreichischen Nationalbibliothek – kein übles Gefühl für jemanden, der als eine seiner Schwächen seine „Sucht nach Anerkennung“ nennt.

Deswegen habe ihn auch getroffen, als er einmal von einem an sich wohlmeinenden Moderator bei einer Lesung gefragt worden sei, wann denn nun „das erste richtige Buch“ von ihm käme. Literatur, die nur auf Erfindung und nicht zumindest teilweise auf Vorfindung basiere, sei seine Sache nicht, beteuert er. „Ich kann es nicht und will es nicht. Es gab nie einen Roman von mir – und es wird nie einen geben. Ich bin ein Sachbuchautor. Ich bin ein Reporter, ein Literaturreporter.“

„Ich weiss, dass ich ein Auslaufmodell bin“

In seinem Arbeitszimmer gibt es ganze Regalbretter mit Büchern seiner Vorbilder – seine „Bibliothek der Feuilletonisten“ umfasst über 600 Bände. Alfred Polgar ist natürlich darunter, Egon Erwin Kisch, Raoul Auernheimer, Daniel Spitzer oder der von ihm besonders verehrte Victor Auburtin. Ein Name, den heutzutage nur noch Spezialisten kennen.

Auch das Interesse an seiner eigenen Arbeit nimmt ab. Statt jährlich an die 100 Lesungen absolviert er heutzutage nur noch rund ein Viertel davon, und auch da sieht er immer wieder bekannte Gesichter. Seine Fans halten ihm die Treue. Neues Publikum spricht er nur in Ausnahmefällen an. „Den Jungen fehlt meist der Bezugsrahmen für das, was ich mache. Ich weiß, dass ich ein Auslaufmodell bin.“

Den Wandel der Zeiten hat er viel zu oft selbst beschrieben, um sich nun etwas vorzumachen. Und ein wenig ist er ja auch stolz auf seine Sonderstellung. Seine alte Olivetti-Schreibmaschine sei noch immer im Gebrauch, versichert er, und Computer suche man bei ihm vergeblich. Und wenn’s mal schnell gehen muss? Dann schreibt er ein paar Zeilen mit der Hand und geht zu seinem Nachbarn, wo er das Blatt einscannt und per E-Mail verschickt.

Buch über das Salzkammergut

Vor wenigen Monaten erschien ein weiteres Buch von ihm. „Es muss was Wunderbares sein … Das Salzkammergut und seine Künstler“ ist eine überarbeitete Neuauflage seines 30 Jahre alten Buches „Nachsommertraum“ aus Anlass des Kulturhauptstadt-Titels für Bad Ischl.