Anton Bruckner Portrait am Klavier
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KULTUR

Bruckner: Der konservative Revolutionär

Seine neun Symphonien gehören zum eisernen Kern der klassischen Musik: Anton Bruckner. Vor genau 200 Jahren wurde er in Ansfelden geboren. Die Nationalbibliothek widmet dem Musikgenie jetzt eine große Ausstellung im Prunksaal.

Die Basis für die Schau, die sich chronologisch an Bruckners Biografie orientiert, stellte die nach weiten Kriterien gerechnet mehrere Tausend Objekte umfassende Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) dar, die Handschriften praktisch aller Hauptwerke des Komponisten beinhaltet. Herzstück der Schau ist mithin die Präsentation aller neun Symphonien im Original.

„Die Würdigung ist für uns nahezu eine Verpflichtung, findet sich doch in unserem Bestand die größte Bruckner-Sammlung weltweit“, machte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger am Mittwoch bei der Präsentation deutlich. So hatte Bruckner selbst einst seinen Nachlass der damaligen K.K. Hofbibliothek überantwortet.

Anton Bruckner 3. Symphonie Partitur
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Anton Bruckner Partitur der 3. Symphonie, zeitweise im Besitz von Gustav Mahler

Partitur auf der Flucht

Wobei man sagen muss: nur fast alle seiner Werke kamen mit dem Tode Bruckners in die Hofbibliothek. Die Partituren der ersten drei Sätze der 3. Symphonie befanden sich nämlich im Besitz von Gustav Mahler, der einen Klavierauszug für den Ansfeldener Meister angefertigt hatte. Nach seinem Tod hütete Witwe Alma diesen Schatz, nahm ihn mit in die Emigration. In einer Tasche werden die Manuskripte auf der Flucht vor den Nazis über die Pyrenäen getragen – erst 1948 konnte die ÖNB die Partituren erwerben.

Während Anton Bruckner zeitlebens privat ein eher konservativer Mensch war, der in Liebesdingen ebenso unbeholfen agierte wie in der unterbliebenen Anpassung an das großstädtische Leben der Habsburger-Metropole, wurde die Kunst das Experimentierfeld des am 4. September 1824 in Ansfelden Geborenen. „Das ist der Bereich, wo er neue Wege beschritten hat und aus dem Überlieferten ausgebrochen ist“, so Kurator Thomas Leibnitz, der auch Vorstand der internationalen Bruckner-Gesellschaft ist.

Scherenschnitt Anton Bruckner als Dirigent
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Scherenschnitt Anton Bruckner als Dirigent

Erst mit 40 kommt er nach Wien

Allerdings kam es erst spät zu diesem (Auf)bruch im Werk. „Bruckner hat einen langen Lernprozess durchlaufen. […] Um die 40 – ein Alter, das Mozart oder Schubert gar nicht erreicht haben – bricht seine Individualität auf“, skizzierte Leibnitz den Weg des einstigen Sankt Florianer Chorknaben über den Organisten in Linz in die Musikstadt Wien – ein Schritt, der erst 1868 mit Mitte 40 erfolgte.

Ausstellungshinweis

„Anton Bruckner. Der fromme Revolutionär“ im Prunksaal der ÖNB, Josefsplatz, 1010 Wien von 21. März 2024 bis 26. Jänner 2025. Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.

Dieser Werdegang und die ungewöhnliche Widersprüchlichkeit aus Persönlichkeit und Werk wird in der rund 130 Objekte umfassenden Schau ebenso nachgezeichnet wie die Rezeption des Komponisten zu Lebzeiten und auch darüber hinaus. „Wir zeichnen kein neues Bruckner-Bild, sondern bieten eine Integration der bestehenden“, machte Leibnitz deutlich.

Von den Nazis vereinnahmt

Diese Facetten reichen vom vermeintlichen Vertreter des Echten und Guten im Gegensatz zur Neuen Musik von Schönberg („Der Musikant Gottes“) über die Stilisierung zum urdeutschen Tonschöpfer, den die Nazis aufs Podest hoben, bis hin zur Erweiterung des Blickes um psychologische Aspekte in den vergangenen 50 Jahren.

Anton Bruckner Partitur 7. Symphonie
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Anton Bruckner Partitur der 7. Symphonie, mit ihr gelang ihm der endgültige Durchbruch als Komponist

„Bruckner war kein großer Briefschreiber, und nur wenige Briefe geben Einblick in sein Innerstes“, machte Co-Kuratorin Andrea Harrandt dabei deutlich, weshalb die persönlichen Eindrücke aus der Hand des Meisters nur eine Randnotiz in der Ausstellung bleiben. Bruckner sprach eben durch sein Werk. Wer dieses nicht persönlich im Prunksaal besichtigen kann, für den steht das Portal „Bruckner Digital“ offen, in dem sich Scans der Schriften finden.