Lehrergewerkschafter Thomas Bulant im Wien heute Interview „Bei Budgen“ mit Patrick Budgen
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BILDUNG

Familiennachzug: Belastung für Lehrer

Der Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge bringt derzeit rund 350 schulpflichtige Kinder pro Monat an die Wiener Schulen. Lehrergewerkschafter Thomas Bulant (FSG) sieht angesichts anderer Probleme nun einen möglichen „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.

Bulant nannte im Interview der „Wien heute“-Serie „Bei Budgen“ etwa das Sprachenproblem an den Wiener Schulen, immer mehr Kinder, „die sehr wenig an praktischer und an sozialer Intelligenz mit in die Schule bringen“ oder auch die hohe Zahl an chronisch erkrankten Kinder. „All das führt natürlich dazu, dass die täglichen Herausforderungen mehr und mehr werden“, so Bulant. Die zusätzlichen Kinder, die derzeit in die Schulen kommen, könnten neben der „großen pädogigischen Herausforderung“ laut Bulant „auch ein Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt“.

Lehrergewerkschafter Thomas Bulant zu Gast „Bei Budgen“

„Betrübt“ über Wortschatz von Schulabgängern

Jedes dritte Kind kommt in Wien in der ersten Klasse zumindest zeitweise in eine Deutschförderklasse. Oft ist auch der Wortschatz von Schulabgängern nicht groß. „Manchmal muss ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass mein Enkel, der jetzt mit sechseinhalb Jahren ein halbes Jahr in der Volksschule verbracht hat, einen größeren Sprachschatz hat als so mancher unserer Pflichtschulabgänger. Und das entsetzt mich nicht. Das verärgert mich nicht, sondern es macht mich zutiefst betrübt“, so Bulant.

Sendungshinweis: „Wien heute“, 27.4.2024

Lehrerinnen und Lehrer würden das immer wieder an die Politik und an die Gesellschaft melden. „Aber die wirkliche Reform hat in unserem Schulsystem noch nie stattgefunden. Wir leben noch immer in der Schulorganisation des Jahres 1962. Das war die Zeit, wo man sich mit drei Nachbarn ein Vierteltelefon teilen musste.“

"Die Gesellschaft hat sich viele Probleme in den letzten Jahrzehnten dadurch erspart, dass sie immer wieder offene Fragen an die Schule gespielt haben. „Es ist jetzt endlich Zeit, dass sich die Gesellschaft gegenüber der Schule solidarisch zeigt“, so Bulant.

Lehrer als „Kurpfuscher“

Lehrer sind in Wiener Schulen auch „Kurpfuscher“, wie Bulant angesichts der Betreuung von kriegstraumatisierten Kindern oder Kindern, die sonderpädagogisch zu betreuen sind, meinte: „Uns fehlen einfach die multiprofessionellen Teams an den Schulen – Sozialtherapeuten, Sozialarbeiterinnen und Schulpsychologen. Die würden natürlich zu einer Professionalisierung beitragen. Wir Lehrer könnten uns auf unsere eigene Arbeit konzentrieren, nämlich Unterricht, Erziehung und Beziehungsarbeit.“

Die Hauptziele für die Pflichtschulen sieht Bulant immer schwieriger erreichbar – Kinder mit Basiskompetenzen zu versorgen, die Freude zu erwecken und zu halten: „Das hängt aber nicht nur damit zusammen, dass wir mit anderen Sprachkulturen konfrontiert sind. Wenn eine gewisse Vorbildung auch in einer anderen Sprache erfolgt, dann ist der Einstieg in die Schule bedeutend leichter und es ist leichter, auch eine Zweitsprache zu erlernen.“

Entlastung durch Wohnsitzauflage

Eine Wohnsitzauflage für anerkannte Asylwerber würde die Wiener Schulen entlasten: „Es macht einen Unterschied, ob ich wie in manchen Bundeslandklassen mit 14 oder 15 Kindern in einer Volksschulklasse die Grundkompetenzen zu vermitteln versuche. Oder ich habe 25 oder mehr Kinder.“

Containerklassen lehnt Bulant aber nicht ab: „Es handelt sich nicht um diese Dinger, die im Hafen von Rotterdam herumstehen, sondern das sind teilweise Klassen, die einen höheren infrastrukturellen Wert haben als so manche Klasse oder Schulbau aus der Lueger-Zeit. Man braucht nur den Platz, um sie auch aufstellen zu können und es ist ja keine Dauerlösung. Wo soll man die Kinder sonst unterrichten? Wir können ja nicht in Wirtshäuser, in Pizzerien oder sonst wo auswandern.“

Nepp: Jahr 2015 wiederholt sich

Der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp hat am Sonntag „sofortige Konsequenzen“ gefordert. Wien stehe vor einem Kollaps, das Jahr 2015 wiederhole sich gerade, so Nepp in einer Aussendung: "Es kommen in Massen Personen aus kulturfremden Ländern, die wenig bis gar nicht integrierbar sind. Das Wiener Bildungs- und Sozialsystem ist völlig überlastet. Leidtragende sind die Wiener Schülerinnen und Schüler, die dadurch in ihrem Lernfortkommen massiv behindert werden. Aber auch die Lehrer stoßen an ihre Grenzen.“