Der ehemalige Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Hans Tuppy am Dienstag, 17. Juni 2014, im Rahmen eines Interviews mit der APA.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Politik

Biochemiker Hans Tuppy gestorben

Der ehemalige Wissenschaftsminister und Biochemiker Hans Tuppy ist im Alter von 99 Jahren gestorben, wie das Bildungsministerium heute mitteilte. Am 22. Juli hätte der gebürtige Wiener seinen 100. Geburtstag gehabt, laut Parte ist er bereits am 24. April verstorben.

Tuppy absolvierte eine bemerkenswerte hochschulpolitische Karriere und hat als Forscher international reüssiert. Sein breites wissenschaftliches Oeuvre reichte von der Aufklärung der Insulin-Struktur bis zur Biochemie der Blutgruppensubstanzen.

Hans Tuppy als Professor an der Universität
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1983 wurde Tuppy zum Rektor der Uni Wien gewählt

Tuppy hat als junger Wissenschafter an nobelpreiswürdigen Entwicklungen mitgewirkt und in der „österreichischen Universitätswüste“ der 1950er-Jahre mit dem Institut für Biochemie der Uni Wien eine „kleine Oase“ geschaffen, wie es der Biochemiker Gottfried Schatz einmal formuliert hat. Das österreichische Wissenschaftssystem hat er als Rektor der Universität Wien, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und als Minister mitgeprägt.

Frühes politisches Engagement

Am 22. Juli 1924 in Wien geboren, wuchs Tuppy in einer gutbürgerlichen Familie in Wien auf. Im Krieg kam er zum Arbeitsdienst, war aber aufgrund einer Verletzung bald nicht mehr kriegsdienstfähig. Er begann ein Chemiestudium, das er 1948 mit dem Doktorat abschloss.

Sein politisches Leben begann 1945, ein Jahr, das er „als Befreiung“ empfand, wie er einmal gegenüber der APA erklärte. Nach dem Ende des Nazi-Regimes, das seinen Vater das Leben kostete – der Staatsanwalt wurde als Ankläger im Dollfuß-Prozess ermordet – konnte er „endlich etwas tun“.

Der Chemiestudent war Mitbegründer der Katholischen Hochschulgemeinde und der „Freien österreichischen Studentenschaft“, die später in die „Union Österreichischer Akademiker“ überging. Schon damals regte sich sein Interesse an der Hochschulpolitik, doch die Wissenschaft hat ihn noch mehr gefesselt.

Erfahrungen im Ausland

Nach seiner Promotion ging der damals 25-Jährige über Vermittlung des gebürtigen Österreichers und späteren Nobelpreisträgers Max Perutz an die Universität Cambridge (Großbritannien), wo er erstmals mit biochemischen Fragestellungen in Berührung kam. Unter Fred Sanger war er an der erstmaligen Aufklärung der Aminosäuresequenz eines Proteins, des Insulins, beteiligt. Dafür erhielt Sanger 1958 seinen ersten Nobelpreis.

Hans Tuppy
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Wissenschaftlich bearbeitete Tuppy mehrere Themen gleichzeitig

Nach weiteren Ausbildungen am Carlsberg Laboratorium in Kopenhagen (Dänemark) kehrte Tuppy 1951 nach Österreich zurück und wurde Assistent am II. Chemischen Institut der Universität Wien. 1956 habilitierte er sich, wurde 1958 außerordentlicher Professor und 1963 Ordinarius am neu geschaffenen Lehrstuhl für Biochemie an der medizinischen Fakultät der Uni Wien.

Wissenschaftlich spezialisierte sich Tuppy nicht sehr, sondern bearbeitete mehrere Themen gleichzeitig. Es sei typisch für ihn gewesen, „nicht nur auf eine Sache sehr konzentriert“ gewesen zu sein.

Rektorat, Wissenschaft und Ministerium

1970 bis 1972 war er Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. 1974 wurde er zum Präsidenten des 1967 gegründeten Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gewählt, eine Funktion, die er bis 1982 innehatte.

1983 wurde Tuppy für zwei Jahre zum Rektor der Uni Wien gewählt, gleichzeitig stand er der Rektorenkonferenz vor. 1985 folgte die Wahl zum Präsidenten der ÖAW, eine Funktion, die er 1987 frühzeitig aufgab, um dem Ruf der ÖVP auf den Posten des Wissenschaftsministers zu folgen. In seine Amtszeit fiel die Eröffnung des Instituts für molekulare Pathologie (IMP) durch Boehringer Ingelheim – der Höhepunkt einer Entwicklung, an deren Anfängen Tuppys international ausgezeichneter Ruf als Wissenschafter stand. Zwei Jahre später (1989) musste Tuppy im Zuge einer ÖVP-Regierungsumbildung den Ministersessel für Erhard Busek räumen.

Vielfach ausgezeichnet und geehrt

Er zog sich wieder in den universitären Alltag zurück, bis er im Alter von 70 Jahren emeritierte. Doch auch danach bot er weiterhin Vorlesungen und Prüfungen an. Noch im Jahr 2022 leitete Tuppy eine Findungskommission, die die Wahl des neuen ÖAW-Präsidenten vorbereitet hat. Seine hohe Aktivität führte er einmal auf seine „positive Einstellung“ zurück. Er gehöre zu denen, „die den deutschsprachigen Kulturpessimismus für ein Verhängnis halten“.

 Hans Tuppy und seine Ehefrau Erika während der Veranstaltung österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) „Ein Fest für Hans Tuppy zum 90. Geburtstag“  am Montag, 22. September 2014, in Wien.
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Tuppy wurde vielfach ausgezeichnet und geehrt

Geehrt wurde Tuppy mit vielen Ehrendoktoraten, dem Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1975), der Wilhelm-Exner-Medaille (1978) und dem Wittgensteinpreis der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (2002). Die Uni Wien und die ÖAW haben zu seinen Ehren 2016 die „Hans Tuppy-Lectures“ ins Leben gerufen. Dabei tragen hervorragende Wissenschafter vor, die einen bahnbrechenden Beitrag zu Biochemie oder Molekularbiologie geleistet haben

Mit dem Ableben Tuppys verliert Österreich eine renommierte Forschungspersönlichkeit, die auch das Wissenschaftssystem des Landes über viele Jahrzehnte maßgeblich mitprägte.