Sebastian Kurz (links) und Werner Kogler bei der Vorstellung des Koalitionspaktes von ÖVP und Grünen
APA/HANS KLAUS TECHT
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Politik

Was die neue Regierung Wien bringt

Was bedeutet das neue Regierungsprogramm von ÖVP und den Grünen für Wien? Die Maßnahmen zu Integration und Sicherheit haben naturgemäß großen Einfluss. Doch einiges – wie etwa die Zukunft des Lobautunnels – findet sich nicht im Regierungsprogramm.

In Wien von der SPÖ nur unter schwerem Protest an den Volksschulen umgesetzt, findet sich das Kopftuchverbot im Integrationskapitel des Regierungsprogramms – und es wird ausgeweitet auf Mädchen bis 14 Jahre. Den Fokus bei Integration legen türkis-grün generell auf Frauen.

„Und man geht hier auf inhaltlicher Ebene, doch wesentlich weiter, als nur bei einem Kopftuchverbot. Das heißt, hier geht es zum Beispiel auch darum, Deutschkurse mit Kinderbetreuung zu Verfügung zu stellen. Oder auf Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen zu setzen, damit sie stärker und besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien gegenüber „Wien heute“.

Soziales

Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Teile der türkis-blauen Sozialhilfe Neu gekippt hat, können die Länder die Mindestsicherung wieder selbst gestalten – türkis und grün haben die Sozialhilfe im Regierungsprogramm weggelassen. Eine einheitliche Lösung, wie von der Wiener SPÖ gefordert, wird es nicht geben.

Die Zurückführung der Mindestsicherung in Länderkompetenz begrüßt die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, die die Sozialagenden federführend ausverhandelt hat. Auch wenn sie grundsätzlich für eine bundeseinheitliche Lösung plädiert habe – es sei hier keine zufriedenstellende Einigung mit der ÖVP möglich gewesen: „Die Länder haben jetzt das Pouvoir, selbst die Sozialhilfe zu gestalten. Das ist mir lieber als keine guten Kompromisse in der Frage einzugehen.“ Und: Die Wiener Mindestsicherung könne dadurch bestehen bleiben.

Bildung

Hier bleiben die – von der SPÖ und den Grünen kritisierten – Deutschförderklassen. „Aber sie wurden insofern flexibler gestaltet, als es jetzt vom Schulstandort abhängig ist, wie groß die Gruppengröße ist, welches Stundenausmaß gewählt wird“, sagt Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik an der WU.

Angekündigt wird im Regierungsprogramm eine Forderung der SPÖ: Die „Bereitstellung von Supportpersonal“. Und ein Pilotprogramm, mit dem 100 „Schulen mit besonderen Herausforderungen“ zusätzliches Personal und Geld erhalten sollen. Wie viele das in Wien sein werden ist allerdings noch nicht bekannt.

Wohnen

Hier wird eine SPÖ-Forderung umgesetzt: die Maklerprovision soll derjenige zahlen, der den Makler bestellt. In der Regel ist das der Vermieter. Was Wien besonders betreffen wird, ist das geplante Verbot von Zweitwohnsitzen im Gemeindebau und eine Mobilisierung des Leerstandes.

Koalitionsprogramm: Inhalte aus Wiener Sicht

Rund 300 Seiten stark ist das türkis-grüne Regierungsprogramm. „Wien heute“ hat die wichtigsten Punkte herausgearbeitet und mit Experten besprochen.

Klima

Bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden, zehn Jahre vor der EU. Klimaexperten jubeln, es fehlt im Regierungsprogramm aber da und dort die konkrete Umsetzung. Das kritisieren auch die Aktivisten von Fridays for Future. „Wir brauchen in diesem Jahr eine CO2-Steuer, wir brauchen eine sozial-verträgliche CO2-Abgabe. Da können wir nicht noch zwei bis drei Jahre warten“, sagt Veronika Winter von Fridays for Future gegenüber „Wien heute“.

Verkehr

Entscheidend bei Umweltfragen ist der Verkehr. Die Kofinanzierung bei Öffi-Projekten zwischen Bund und Land bleibt. In der Regel zahlt der Bund 80 Prozent, das könnte jetzt für Wien leichter werden – auch weil eine Öffi-Milliarde für Ballungsräume geplant ist.

Wie sich das „1-2-3-Österreichticket“ auf die Zahl der Pendler auswirken wird, bleibt offen. Auch eine Verdoppelung des Radverkehrs ist geplant. Was allerdings im Regierungsprogramm fehlt, sind der Lobautunnel und die Dritte Piste – da sind die Grünen dagegen, ÖVP und SPÖ dafür.

Ob die Wiener Verkehrsstadträtin durch das künftig Grün-besetzte Verkehrs- und Infrastrukturministerium höhere Chancen sieht, ungeliebte Projekte wie den Lobautunnel oder die 3. Piste am Flughafen Wien-Schwechat doch noch zu stoppen, wollte Hebein nicht direkt beantworten. Türkis-Grün habe sich geeinigt, Großprojekte mit Blick auf das Klima zu überprüfen: „Das ist der Stand der Dinge – nicht mehr und nicht weniger.“

Und: Ein Projekt von Ex-Vizekanzler Strache ist auf der türkis-grünen Agenda: Ein multifunktionales Nationalstadion. Dessen Standort ist höchstwahrscheinlich in Wien.