Menschen in Verhandlungssaal
APA/Herbert Neubauer
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Chronik

Freisprüche in Prozess um Stadterweiterungsfonds

Im Untreueprozess um den Wiener Stadterweiterungsfonds sind die Urteile gefällt worden. Die angeklagten Spitzenbeamten wurden – nicht rechtskräftig – im Zweifel freigesprochen. Ihnen war Untreue mit einem Schaden von 1,1 Millionen Euro vorgeworfen worden.

Bei den Angeklagten handelte es sich um den Ex-Geschäftsführer des Fonds und drei Sektionschefs im Innenministerium. Sie bildeten das vierköpfige Kuratorium des Fonds. Der inkriminierte wissentliche Befugnismissbrauch und ein konkreter Schädigungsvorsatz sei den Angeklagten nicht nachzuweisen, stellte das Gericht fest. Am Ende des Beweisverfahrens habe sich vieles „anders ergeben, als es sich ursprünglich in der Anklage abgezeichnet hat“, so Claudia Moravec-Loidolt, die Vorsitzende des Schöffensenats.

Innenministerium erleichtert

Die Angabe der Angeklagten, die verstorbene Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) habe auf Auflösung des Stadterweiterungsfonds und eine Verwendung der Mittel für karitative und soziale Zwecke gedrängt, war „keine Schutzbehauptung“, sagte Moravec-Loidolt. „Den Wunsch hat es tatsächlich gegeben“, verwies sie auf Zeugenaussagen.

Unter Prokops Nachfolgern sei dieser Wunsch „weitergetragen“ worden. Die Darstellung der Angeklagten erscheine auf den ersten Blick „nicht besonders nachvollziehbar“, aber wenn man davon ausgehe, dass sie Prokops Wunsch umsetzen wollten, ergebe ihr Agieren Sinn.

Das Innenministerium zeigte sich erleichtert über den Verfahrensausgang. „Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle öffentlich Bediensteten. Ich hatte großes Vertrauen in die unabhängige Justiz, dass die Vorwürfe umfassend aufgeklärt werden können“, meinte Generalsekretär Helmut Tomac in einer Stellungnahme. Man habe auch einige Lehren aus den Ereignissen gezogen: „Dokumentation und Transparenz sind wichtige Parameter für die tagtägliche Arbeit.“

Spenden für Kirche in Aspern und Asylzentrum

Das Kuratorium hatte mit dem Fonds gemeinnützige und karitative Organisationen, aber auch die Erzdiözese Wien oder die Israelitische Kultusgemeinde unterstützt und sich dabei auf Prokop berufen, die ihren Aussagen nach mit dem Fondsvermögen „breit Gutes tun wollte“. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) legte den Spitzenbeamten zur Last, 1,1 Mio. Euro zweckwidrig verwendet zu haben, indem etwa der Bau einer Kirche in Aspern unterstützt oder der Ankauf einer Liegenschaft für ein Erstaufnahmezentrum für Asylwerber im burgenländischen Eberau finanziert wurde.

Allerdings war die Satzung des Fonds zuvor geändert worden. Für das Erstgericht waren die einzelnen Projekte „abgedeckt“, befand die Vorsitzende. Das Innenministerium sei über die einzelnen Ausgaben entgegen der Annahme der Anklage auch nicht irreführend bzw. gar nicht informiert worden: „Informationen ans Kabinett hat es gegeben.“

Fonds vom Kaiser 1857 gegründet

Der Wiener Stadterweiterungsfonds war 1857 von Kaiser Franz Joseph zur Errichtung der Wiener Ringstraße ins Leben gerufen worden. Nach Abschluss der Bautätigkeiten wurde er zur Sanierung von Gebäuden – etwa der Fassade der Hofburg – herangezogen. Für die Verteidiger um Peter Lewisch hatte sich der Fondszweck mit 1921 erledigt. „Die Ringstraße war gebaut, der Fonds war obsolet“, hatte Lewisch eingangs der Verhandlung betont. Man habe ihn aber nicht aufgelöst, sondern „dahindümpeln lassen“. Die Angeklagten hätten ihre Tätigkeit für den Stadterweiterungsfonds als „ehrenamtliches Nebeng’schafterl“ betrieben.

Die Beschuldigten hatten betont, in Einklang mit der jeweils gültigen Satzung und mit Billigung des jeweiligen Ressortchefs gehandelt zu haben. Endgültig aufgelöst wurde der Fonds erst 2017. Der Wiener Rechtsanwalt Karl Schön, der dabei zum Kurator bestellt wurde, bemerkte kurz vor Ende des Untreue-Prozesses: „Ich habe den Fonds nie als geschädigt angesehen. Ich sehe ihn auch jetzt nicht als geschädigt an.“

Fekter und Schönborn als Zeugen

In dem Prozess sagten auch mehrere prominente Zeugen aus – etwa Ex-Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Kardinal Christoph Schönborn. Schönborn wurde zu den Mitteln befragt, die die Erzdiözese Wien für den Bau einer Kirche in der Seestadt Aspern erhielt – eine Viertelmillion Euro. „Die Stadterweiterung ist für uns als Kirche ein wichtiges Thema, weil die Seelsorge in den Stadterweiterungsgebieten ein wichtiges Thema ist“, erläuterte Schönborn. Das Projekt verzögerte sich jedoch um Jahre – die Kirche gibt es immer noch nicht. Ungeachtet dessen sah Schönborn keinen Grund, die 250.000 Euro zu retournieren.