Innenminister Karl Nehammerund Integratiosministerin Susanne Raab vor einem Polizeiauto
APA/Roland Schlager
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Chronik

Polizeigewalt: Amtshandlung nicht erfasst

Die Amtshandlung, bei der es im Jänner 2019 zu Polizeigewalt gegen einen Tschetschenen gekommen war, ist nicht dokumentiert worden. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) spricht von „inakzeptablem Verhalten“ der acht Polizisten.

Seit Donnerstag sind die Vorwürfe gegen die Polizisten bekannt, nachdem ein Video aufgetaucht ist, auf dem Misshandlungen durch Polizisten zu sehen sind. Acht Beamte wurden suspendiert – mehr dazu in Misshandlung: Acht Polizisten suspendiert.

Die Beamten hätten die Amtshandlung im Jänner 2019 nicht dokumentiert, sagte der Wiener Vizepolizeipräsident Franz Eigner am Freitag: „Das wirft Fragen auf.“ Schon damals gab es eine Anzeige durch ein Spital, die Polizisten wurden aber erst fast ein Jahr später befragt.

Keine Gegenwehr des Opfers

Auf dem Video, das die „Kronen Zeitung“ Donnerstagabend veröffentlichte, sollen Polizeibeamte einen 28-jährigen Tschetschenen in einem Lokal schlagen, obwohl dieser keine Gegenwehr leistet. Das Video sei am Donnerstag der Polizei übergeben worden. Die suspendierten Beamten wurden noch nicht zu dem Video befragt.

Der Vorfall hatte sich bereits im Jänner 2019 abgespielt. Der Tschetschene sei danach für längere Zeit nach Dubai geflogen, erst vor einem Monat zurückgekommen und habe sich nun mit dem Video an einen Polizisten gewandt, sagte Eigner am Freitag vor Journalisten.

Misshandlung: Polizisten suspendiert

Acht Polizisten sind nach einer Videoaufnahme vom Dienst vorläufig suspendiert worden. Zwei Beamte haben in einem Spiellokal einen Mann niedergeschlagen, das zeigt das Video. Der Vorfall hat sich bereits im Jänner 2019 ereignet, ist aber erst jetzt behandelt worden. Viele Fragen sind offen.

Vorgefallen sind die Gewalttätigkeiten laut Eigner im Zuge einer Schwerpunktkontrolle im Bereich des illegalen Glücksspiels. Zwei Personen hätten in dem Spiellokal in einem abgesonderten Raum gespielt, einer davon war der Tschetschene. Bei der Ausweiskontrolle sei es offenbar zu einer Auseinandersetzung gekommen, schließlich sei ein Streit entbrannt, weil die Beamten das Handy des Mannes nicht entsperren konnten, woraufhin es zu den Gewalthandlungen kam. Ein Verhalten, „das von uns in keiner Weise toleriert wird“, betonte Eigner.

Hämatom und Hautabschürfungen

Der Betroffene begab sich laut Eigner nach dem Vorfall ins Krankenhaus, das auch Anzeige erstattete. Der Tschetschene habe ein Hämatom und Hautabschürfungen erlitten und klage außerdem bis heute über Schmerzen im Bauchbereich und beim Kiefer.

Bis der Anzeige des Krankenhauses vom Jänner 2019 nachgegangen wurde, dauerte es jedenfalls ungewöhnlich lange: Erst im Dezember 2019, also fast ein Jahr später, wurden zwei Beamte zu dem Vorfall befragt. Sie gaben an, sich an keine Details erinnern zu können. Warum die Amtshandlung nicht dokumentiert wurde und der Weg der Anzeige so lang war, sei zu recherchieren, meinte Eigner.

Das Video, das die polizeiliche Gewalt dokumentiert, stammt aus Überwachungskameras aus dem Lokal. Es wurde nicht amtlich sichergestellt, sondern vom Tschetschenen beigebracht, wie der Vizepolizeipräsident einräumte. Da der Mann überzeugt gewesen sei, dass es aus dem Lokal ein Video geben müsse, habe der Tschetschene die Tage und Wochen nach der erlittenen Gewalt versucht, an das Material zu kommen, und es schließlich per WhatsApp bekommen, erklärte Eigner. Nun, wieder in Österreich, habe er es der Polizei übergeben.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft Wien hat im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen die acht suspendierten Polizisten Ermittlungen aufgenommen. Wie Behördensprecherin Nina Bussek am Freitag auf APA-Anfrage mitteilte, läuft ein Verfahren wegen Körperverletzung, allenfalls zusätzlich wegen Amtsmissbrauchs.

Das Verfahren gegen die Polizei wäre nicht in Rollen gekommen, wäre nicht plötzlich eine Videoaufzeichnung aufgetaucht, auf der zu sehen ist, wie ein 28 Jahre alter Mann von Polizisten geschlagen wird. Der Betroffene – ein Tschetschene – leistet gegen die Amtshandlung keinen Widerstand und liefert offensichtlich keinen Grund, der polizeiliche Gewaltausübung legitimieren würde. Das Video sei der Anklagebehörde „erst seit wenigen Tagen“ bekannt, so Bussek.

Nehammer: Fehler für Zukunft vermeiden

„Dieses Verhalten ist absolut inakzeptabel“, beurteilte Innenminister Nehammer am am Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz in Favoriten den derzeitigen Ermittlungsstand. „Der Großteil der Polizistinnen und Polizisten leistet einen herausragenden Dienst. Wenn es zu Fehlverhalten kommt, gilt es hin- und nicht wegzuschauen, es aufzuklären, Fehler für die Zukunft zu vermeiden und damit die diensthabenden Polizisten zu schützen“, sagte Nehammer.

Auch beim Besuch der Polizeistation in der Favoritenstraße habe er sich einmal mehr überzeugen können, dass sich die Polizisten hier jeden Tag bewähren, unterstrich Nehammer. „Favoriten war ein Brennpunkt der Gewalteskalation“, sagte er und erinnerte an die Angriffe ultranationalistischer Türken auf kurdische und linke Demonstrationen Ende Juni. Die Polizei habe aber schnell wieder für Sicherheit sorgen können.

Es gebe nun in Favoriten eine erhöhte Polizeipräsenz, zudem sei der Verfassungsschutz intensiv dabei, die Hintergründe aufzuklären. Die Mischung an Gewalttätern, „die hier gewütet haben“, sei komplex – es gebe sowohl politische als auch ethnische Motive und einfach auch „Krawallmacher“.