Wiens Bürgermeister Michael Ludwig im Rahmen einer Kranzniederlegung im Bereich des Tatorts des Terroranschlags in Wien.
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Politik

Terror: Ludwig für strengere Gesetze

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) fordert nach dem Terroranschlag von Montag schärfere Gesetze. Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass Gefährder Anschläge verüben können. Und er erneuerte die alte Forderung nach mehr Polizei für Wien.

Ludwig betonte im „Wien heute“-Interview mit Chefredakteur Paul Tesarek, er sei sicher, dass der Fall des amtsbekannten und verurteilten Attentäters von Wien in den nächsten Tagen und Wochen genauer betrachtet werde: „Für mich als Bürgermeister stellt sich die Frage, ob es weitere Terrorverdächtige gibt, die in ähnlicher Art und Weise agieren.“ Ludwig spielte darauf an, dass der Attentäter als IS-Sympathisant verurteilt, gesetzeskonform freigelassen und nachbetreut worden ist.

Er sei einer der ersten Politiker gewesen, so Ludwig, der gefordert habe, dass man den IS-Heimkehrern die österreichische Staatsbürgerschaft entzieht und eine entsprechende Abschiebung vornimmt: „Das ist mir in einigen Fällen gelungen, in anderen aufgrund der Rechtslage nicht. Ich fordere, dass man jetzt die Gefährder sehr konsequent überwacht und sicherstellt, dass sich ähnliches nicht mehr wiederholen kann.“

„Möglichkeit für konsequenteres Vorgehen“

Ludwig sprach sich dafür aus, jene gesetzlichen Grundlagen zu verschärfen, dass man bei Personen, die eine Doppelstaatsbürgerschaft haben und deshalb die österreichische verlieren können, „dass man die Möglichkeit bekommt, hier konsequenter vorgehen zu können. Wien sei auch im internationalen Vergleich eine sichere Metropole, die für das Miteinander über Partei- und Religionsgrenzen hinweg stehe. „Und das lasse ich mir sicher nicht durch einige wenige Personen zerstören. Von daher werde ich ganz stark draufbleiben, dass sich sowas nicht mehr wiederholen kann und dass, wenn notwendig, auch entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen werden müssen“, sagte Ludwig.

Es müsste Möglichkeiten im Rahmen des Rechtsstaates geben nachzuforschen, ob Personen Mitglieder einer terroristischen Organisation seien und ob sie an Kampfhandlungen des „Islamischen Staates“ teilgenommen haben – „und dass es dann entsprechende Konsequenzen gibt. Die sollen sich jedenfalls nicht in unserem Land und nicht in unserer Stadt aufhalten können“.

Ludwig sprach einige von der Stadt Wien betriebene Verfahren an, mit dem Ziel, die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft umzusetzen und eine Abschiebung möglich zu machen. Er werde da nicht locker lassen, auch wenn das in letzter Konsequenz mehr Abschiebungen bedeute.

Zivilcourace „beeindruckend“

Beeindruckt zeigte sich Ludwig von der scharfen Ablehnung des Terrors durch den Präsidenten der islamischen Glaubensgemeinschaft. Man dürfe diese nicht mit Terroristen in einen Topf werfen, Terroristen müssten „von uns allen“ ausgegrenzt werden. Ludwig bezeichnete die islamische Glaubensgemeinschaft als einen „wichtigen Teil unserer Gesellschaft, unserer Stadt, unseres Landes. Von daher werde ich auch verhindern, dass aufgrund von Einzelpersonen eine gesamte Religionsgruppe in Misskredit gebracht wird“.

Wien im Ausnahmezustand

Die Stadt ist weiter im Ausnahmezustand: 90 Prozent der Geschäfte in der Innenstadt hatten am Dienstag zu, auch mehrere Einkaufszentren. Das Cupspiel der Austria ist abgesagt. Und die Schulpflicht war für Dienstag aufgehoben.

Besonders beeindruckend sei, dass zwei türkischstämmige Menschen und ein Palästinenser mit sehr viel Zivilcourage im Schusswechsel sich eingesetzt hätten, um einem Polizisten das Leben zu retten. Er finde das „nicht nur anständig, sondern das ist auch Beispiel für viele andere Menschen, dass man sich in schwierigen Situationen für andere einsetzen soll, unabhängig von der Herkunft“.

„Mehr Polizei für Wien“

Am Ende ging Ludwig noch auf den Terrorismusexperten Nicolas Stockhammer ein, der Wien als „relativ weiches Ziel mit vergleichsweise wenig Polizeipräsenz“ bezeichnet hatte. Ludwig sagte, es gebe eine „langjährige Forderung von mir und der Stadt Wien, dass wir mehr Polizisten in Wien benötigen“. Und zwar nicht, weil Wien eine unsichere Stadt wäre, sondern weil Wien Sitz vieler internationaler Organisationen und auch Sitz aller Bundeseinrichtungen sei. Wien habe in etwa ein Viertel des Personalstandes der österreichischen Polizei, die Polizistinnen und Polizisten leisten in Wien aber etwa 60 Prozent des gesamten Aufwands in Österreich.

Ludwig drückt Mitgefühl und Dank aus

Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag erinnerte Ludwig zunächst an die vier Menschen, darunter eine deutsche Staatsbürgerin, die dem Anschlag zum Opfer fielen, nur weil sie in der Innenstadt ihrem Beruf nachgehen oder ihre Freizeit verbringen wollten. Er sprach den Familien, Angehörigen und Freunden sein Mitgefühl aus, ebenso wie all jenen, die bei dem Attentat verletzt worden waren. 24 Menschen seien in Spitälern behandelt worden: Zehn davon sind laut Ludwig mittlerweile entlassen, 13 noch in Spitalsbehandlung, davon drei in kritischem Zustand. Ludwig kündigte an, alle betroffenen Personen nicht alleine zu lassen und sie „mit allen Mitteln der Stadt“ zu unterstützen.

„Wir gedenken – 2.11.2020“ (Online-Kondolenzbuch für Wiener Terroropfer)

Die Stadt und die Bestattung Wien richteten ein Online-Kondolenzbuch für die Opfer der Terrorattacke ein. gerichtet. Bürgerinnen und Bürger können persönliche Einträge verfassen. Auf der Startseite sind Worte Ludwigs zu lesen: „In tiefer Trauer gedenken wir gemeinsam den Opfern des Terroranschlags in Wien vom 2. November 2020.“

„Stadt funktioniert auch in der Krise“

Ludwig richtete seinen besonderen Dank an Polizei, Rettung und Feuerwehr. Die Zusammenarbeit mit deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe sehr gut funktioniert, was mit ein Grund gewesen sei, dass der Täter so rasch habe entschärft werden können, und die ihre Jobs auch zu einer Zeit gemacht hätten, wo niemand gewusst habe, ob es noch andere Täter gibt. Man habe binnen weniger Minuten rasch reagieren können. 150 Notärzte und Sanitäter seien im Einsatz gewesen, so Ludwig. Es habe sich grundsätzlich gezeigt, dass Wien eine Stadt sei, die auch in einer Krisensituation gut funktioniere.

Ludwig erinnerte daran, dass nicht nur körperliche Wunden versorgt werden müssen, sondern auch seelische, was nicht unterschätzt werden dürfe. Ludwig versicherte, „dass wir viele Einrichtungen der Stadt Wien aufgestockt haben, um diesen Traumatisierungen zu begegnen“.

„In schwieriger Phase zusammenstehen“

Der Bürgermeister erinnerte an vorangegangene Terroranschläge, die Wien erschüttert haben, etwa der OPEC-Anschlag, der Anschlag auf den Flughafen Wien Schwechat oder die Briefbombenserie: „Wir zeigen als Menschen dieser Stadt, dass wir uns nicht abbringen lassen von unserer Demokratie, von einer demokratisch geführten Gesellschaft“, so Ludwig.

Ludwig kündigte für Mittwoch eine Sondersitzung der Stadtregierung mit den Klubvorsitzenden der Gemeinderatsparteien an, „um deutlich zu machen, dass wir auch in dieser Zeit über Parteigrenzen hinweg zusammenhalten. Um klar zu machen, dass es nicht dazu kommen wird, unserer Gesellschaft zu destabilisieren. Wien ist eine starke Stadt, hat starke Menschen, ich bin überzeugt, dass wir auch in dieser schwierigen Phase zusammenstehen.“

Hebein für Miteinander

Die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) erinnerte am Dienstag auf Twitter an den Zusammenhalt der Menschen: „Jetzt heißt es näher zusammenzurücken. Dieser feige Terror möchte einen Keil in unsere Gesellschaft treiben. Das werden wir nicht zulassen – weder heute noch in den nächsten Tagen“, war in einem Posting zu lesen. Die vergangenen Stunden hätten gezeigt, wie verletzlich wir als Gesellschaft seien – und wie schnell aus einem friedlichen Abend eine grauenvolle Nacht werden könne. „Unsere Gedanken sind heute bei den Opfern & ihren Angehörigen, unser besonderer Dank gilt den vielen Einsatzkräften.“

Nepp will Rasterfahndungen

FPÖ-Chef und Vizebürgermeister Dominik Nepp forderte in einer Aussendung eine „umgehende Aktion scharf der Exekutive sowie gezielte Rasterfahndungen gegen sämtliche islamistische Nester in Wien“. Dies solle sämtliche als Gefährder bekannte Personen sowie auch dubiose Moscheen und Vereine betreffen, wie es in einer Aussendung hieß: „Hier habe man zu lange weggesehen, die falsch verstandene Toleranz müsse endlich vorbei sein, nun sei die Zeit für die konsequente Durchsetzung des Rechtsstaates gekommen, um unsere Werte und unsere Demokratie zu verteidigen, und zwar ohne Wenn und Aber.“ Den Opfern des Anschlages sprach er seine Anteilnahme aus.

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ANSCHLAG IN WIEN: VOR KRANZNIEDERLEGUNG AM TATORT
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ANSCHLAG IN WIEN: KRANZNIEDERLEGUNG AM TATORT
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(v.l.n.r.) SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Ehefrau Doris Schmidauer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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 (v.l.n.r.) Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
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Wiens Bürgermeister Michael Ludwig im Rahmen einer Kranzniederlegung im Bereich des Tatorts des Terroranschlags in Wien.
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Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch im Rahmen einer Kranzniederlegung im Bereich des Tatorts des Terroranschlags in Wien.
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ANSCHLAG IN WIEN: KRANZNIEDERLEGUNG AM TATORT
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Politik gedachte Opfern des Anschlags

Zuvor nahm Ludwig gemeinsam mit der politischen Spitze Österreichs an einem Gedenken an die Opfer in der Wiener Innenstadt teil. Der Bundespräsident, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) legten Kränze auf dem Wiener Schwedenplatz nieder, dem Ausgangspunkt des Terrorakts. Auch die Klubobleute der Parlamentsparteien, die Zweite Nationalratspräsidenten Doris Bures und Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP) gedachten am Dienstag der Opfer.