Budgetsitzung im Wiener Gemeinderat
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Politik

„Schwierige Zeiten“: 1,9 Mrd. Euro Defizit für Wien

Am Donnerstag und Freitag diskutiert und beschließt der Gemeinderat den Budgetvoranschlag für 2021. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) erwartet ein Defizit von 1,9 Milliarden Euro: „Es sind schwierige Zeiten.“ Von der Opposition kommt Kritik, aber auch Verständnis.

Der Budgetvoranschlag ist der erste der neuen SPÖ-NEOS-Stadtregierung. „Neue Zeiten, neue Wege. Es sind schwierige Zeiten“, konstatierte Hanke zum Auftakt seiner Budgetrede. Er verwies zunächst auf die erwarteten Mindereinnahmen.

Die negativen Coronavirus-Effekte kombiniert mit dem Rekordrückgang der österreichischen Wirtschaftsleistung von 8 Prozent führen laut der städtischen Finanzabteilung zu massiven Steuerausfällen. Derzeitigen Berechnungen zufolge geht Wien von einem Einbruch bei den Einnahmen aus Bundesertragsanteilen von 780 Mio. Euro und bei den Einnahmen aus stadteigenen Steuern von 200 Mio. Euro aus.

„Rekordniveau“ bei Investitionen

Das Budgetvolumen liegt im kommenden Jahr insgesamt bei 15,1 Mrd. Euro. Steigerungen gibt es in allen Geschäftsgruppen. Zu den wichtigsten Brocken zählen Gesundheit mit 2,54 Mrd. Euro (plus 10,08 Prozent bzw. 233,04 Mio. Euro mehr als 2020), Soziales mit 2,22 Mrd. Euro (plus 6,05 Prozent), Bildung mit 1,91 Mrd. Euro (plus 1,93 Prozent) und Kinderbetreuung mit 925,44 Mio. Euro (plus 5,08 Prozent). Die Bautätigkeit für die lokale Wirtschaft wird um rund 18 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro ausgeweitet.

Stadt Wien macht Schulden

Im Budget für das nächste Jahr wird von der Stadt ein enormes Defizit von 1,9 Milliarden Euro erwartet

Der kürzlich präsentierte Voranschlag sieht Investitionen in der Höhe von 2,6 Mrd. Euro vor. Laut städtischen Angaben liegt man hier auf „Rekordniveau“. Der Kernmagistrat – dazu zählen der Wiener Gesundheitsverbund, die Wien Holding oder Wiener Wohnen – steigert seine Investitionen um fast 20 Prozent auf 1,7 Mrd. Euro. Davon gehen beispielsweise 399 Mio. Euro an die Krankenanstalten, 296 Mio. Euro in die Wohnbauförderung und 110 Mio. Euro in die Bildungseinrichtungen. Zusätzlich investiert die Stadt in den Neubau von Schulen und Kindergärten, in die Sanierungen der Feuerwachen, den Neubau der Rettungsstation Seybelgasse.

980,6 Mio. Euro sind für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen. Dazu zählen Aufwendungen für den öffentlichen Verkehr (811,4 Mio. Euro) oder 122,1 Mio. Euro für die Förderung thermisch energetischer Wohnhaus-und Heizungsanlagensanierung (40. Mio. Euro), für klimafreundliche Beleuchtung (6,15 Mio. Euro) oder für Klimastraßen in 23 Bezirken (11,5 Mio. Euro). Für Projekte mit dem Neo-Koalitionspartner NEOS wurde ein dreistelliger Millionenbetrag definiert, etwa im Bildungsbereich. Aktuell beträgt der Gesamtschuldenstand der Stadt rund 7 Mrd. Euro. Diese Zahl inkludiert noch nicht die Neuverschuldungen für 2020 und 2021.

NEOS sehen „ambitionierte Zukunftsprojekte“

„Die Rahmenbedingungen könnten nicht schwieriger sein. Insofern gilt die volle Konzentration im nächsten Jahr der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Krise. Darüber hinaus ist es der SPÖ-NEOS-Koalition aber gelungen, wesentliche Projekte für die Zukunft Wiens anzustoßen: Es wird mehr Geld für die Bildung, das Gesundheitssystem und den Klimaschutz geben“, so NEOS-Wien-Klubobfrau Bettina Emmerling in einer Aussendung.

Sie verwies auch auf die „massiven“ Investitionen, die bereits im kommenden Jahr getätigt werden: „Das 600 Millionen Euro-Konjunkturpaket zieht 300 Projekte vor, die die Wirtschaft ankurbeln, den Standort attraktiv machen, Arbeitsplätze schaffen und private Investitionen folgen lassen.“

Opposition mit Kritik – aber auch Verständnis

Die Oppositionsparteien haben am Donnerstag erwartungsgemäß Kritik am Entwurf für das Wiener Budget 2021 geübt. Anders als in den Vorjahren wurde die Fremdmittelaufnahme jedoch nicht gänzlich abgelehnt, sondern es wurde auch dafür Verständnis geäußert, dass die Coronavirus-Pandemie zu neuen Schulden zwingt. Der Voranschlag wird am Freitag beschlossen – wohl nur mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und NEOS.

Als erster Redner der Oppositionsfraktionen meldete sich FPÖ-Klubobmann Dominik Nepp zu Wort. Er vermisste ein „Budget mit Weitblick“. Im Voranschlag fehle „Wirkungsorientierung, Effizienz und Transparenz.“ Genau deswegen würde die FPÖ das Budget ablehnen. Es sei nur „Rest’lverwertung von Rot-Grün“. Nepp höhnte darüber, dass die einzige Gebührensenkung, die die NEOS durchgesetzt hätten, die „Verbilligung“ des Staatsbürgerschaftsverfahrens sei. Die Staatsbürgerschaft solle jedoch nicht verschenkt werden, sondern sei ein Privileg, das man sich verdienen müsste, zeigte sich der FPÖ-Fraktionschef überzeugt.

Für die Grünen resümierte der nicht amtsführende Stadtrat Peter Kraus über das erste nicht rot-grüne Budget seit zehn Jahren. Er beklagte, dass der Voranschlag vor allem aus Überschriften bestehe. Und manche Themen wie Transparenz würden nicht im entsprechendem Ausmaß vorkommen, obwohl die NEOS dies versprochen hätten. Auch das Kapitel Wohnbau birgt laut Kraus problematische Passagen: „Ich mache mir Sorgen, wenn ich Aussagen lese, dass strategisch nicht relevante Grundstücke verkauft werden sollen.“ Dies würde der Bedeutung eines starken gemeinnützigen Wohnsektors widersprechen.

SPÖ und NEOS verwiesen auf schwierige Voraussetzungen

ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch lobte den Finanz-Ressortchef in höchsten Tönen – allerdings jenen im Bund. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sei dafür verantwortlich, dass Österreich Europameister bei Ausgaben für Wirtschaftshilfe sei. „Wir helfen den Menschen.“ In Wien sei hingegen in den letzten zehn Jahren der Schuldenberg verdoppelt worden, trotz guter Konjunktur. Die Ausgaben der Stadt etwa für Umwelt, Bildung und Klimaschutz seien wichtig, zeigte sich Wölbitsch überzeugt. „Aber liebe NEOS, beim Geldausgeben ist die SPÖ Weltmeister und dafür hätte es euch in der Stadtregierung wirklich nicht gebraucht.“ Kritik setzte es auch daran, dass die pinke Regierungspartei sich nicht in Sachen Sonntagsöffnung durchgesetzt habe.

NEOS-Klubchefin Emmerling befand, dass kaum schlechtere Voraussetzungen für ein Budget möglich seien – „noch dazu, wenn man voller Tatendrang in eine neue Legislaturperiode startet“. Die gesellschaftlichen Folgen seien noch nicht zur Gänze abschätzbar. Viele Dinge, die so nicht geplant waren, hätten auf den Weg gebracht werden müssen – neben unterschiedlichen Beihilfen auch Personal im Gesundheitsbereich oder Schutzausrüstung. „Trotzdem müssen wir zuversichtlich sein.“ Sie beteuerte, dass die NEOS sehr wohl Forderungen durchgebracht hätten, wobei sie das Aussetzen der Valorisierung der Parteienförderung oder die künftige Prüfkompetenz des Rechnungshofs für Parteifinanzen erwähnte.

Auch SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher verwies auf die Herausforderungen durch die Pandemie. Dieser habe man Rechnung getragen. Man beschließe ein „ungeheuer ambitioniertes und kreatives Budget“, versichert er.