„Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Chronik

Hunderte Anzeigen bei CoV-„Spaziergang“

An den eigentlich untersagten Coronavirus-Demonstrationen am Sonntag in der Wiener Innenstadt haben rund 10.000 Demonstranten teilgenommen. Die Stimmung bei dem „Spaziergang“ war aggressiv, es kam zu Festnahmen und über 850 Anzeigen.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Wiens Polizeichef Gerhard Pürstl zogen am Sonntagabend eine erste Bilanz. Die laut Polizei über 850 Anzeigen wurden demnach wegen Verstößen gegen die Covid-19-Bestimmungen ausgesprochen. Vier Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt. „Dieser Einsatz war für die Polizisten alles andere als ein Spaziergang“, sagte Nehammer. Erst gegen 19.30 Uhr war der Einsatz vorbei. Insgesamt habe sich ein „verheerendes Bild gezeigt“.

Die Polizei hätte den Einsatz nicht unterschätzt, erklärte Pürstl. Man habe gewusst, „wenn viele Demonstranten kommen wird es schwierig sein“, so der Polizeipräsident, der den Einsatz selbst geleitet hatte. Es sei klar gewesen, dass man den Demonstranten „nachgeben muss und Raum bieten“ müsse. Immerhin seien auch Mütter mit Kindern im Kinderwagen unter den Teilnehmern gewesen. Zumindest zum Schluss sei die Exekutive doch noch „sehr massiv eingeschritten“, sagte Pürstl – mehr dazu in news.ORF.at.

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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen mit Transparenten auf der Ringstraße
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„Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der RIngstraße
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„Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen und Polizisten auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen mit Polizisten
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Polizisten auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Polizisten auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen und Polizisten auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen auf der Ringstraße
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen beim Museumsquartier
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Teilnehmer mit rot-weiß-roten Fahnen bei „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen vor MuseumsQuartier
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Polizisten und Teilnehmer von „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen beim MuseumsQuartier
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen in der Mariahilfer Straße
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Teilnehmer an „Spaziegang“ gegen Corona-Maßnahmen
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Teilnehmer bei „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen am Maria-Theresien-Platz
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Teilnehmer an „Spaziergang“ gegen Corona-Maßnahmen am Maria Theresienplatz
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Wortgefechte mit Gegendemonstranten

Eine nicht angemeldete Versammlung am Ring beim Burgtor war am frühen Nachmittag von der Polizei aufgelöst worden, Identitäten der Teilnehmer wurden aufgenommen. Es gab viele Festnahmen und zahlreiche Anzeigen. Danach zogen einige Züge – erst teils ohne, dann mit Polizeibegleitung – durch die Stadt.

Am frühen Abend waren noch einige hundert Demoteilnehmer unterwegs, ihnen werde ein „gewaltfreies Auseinandergehen ermöglicht“, sagte der Polizeisprecher Christopher Verhnjak. Gegen 17.00 Uhr waren die Teilnehmer die Wienzeile stadtauswärts unterwegs, dort hatten sich zuletzt zwei Demozüge hinteinandergereiht. Immer wieder strömten Manifestanten ab.

Laut und teilweise recht aggressiv war am Nachmittag einer der Züge mit weit mehr als 1.000 Menschen, der sich Richtung Schwedenplatz bewegte – angeführt von Parolen schreienden Hooligans und mit Vertretern des rechten Randes, der Identitären, und sogenannten „Querdenkern“ in den Reihen. Immer wieder stellten sich linke Gegendemonstranten in den Weg, aber es blieb bei Wortgefechten.

Festnahmen bei verbotener CoV-Demo in Wien

Bis zu 5.000 Teilnehmer sind laut Polizei am Sonntag zu einem nicht angemeldeten „Spaziergang“ gegen CoV-Maßnahmen in Wien gekommen. Die Polizei sperrte Routen und es kam zu Festnahmen. Zuvor hatte die Polizei insgesamt 15 angekündigte Demonstrationen untersagt.

Polizei gab Marschtempo vor

Ein zweiter Zug einiger hundert Maßnahmengegner wanderte erst neben dem Kunsthistorischen Museum im Kreis und dann über den Ring zur Universität, über die Alserstraße und kreuz und quer zurück, ehe er in die Wienzeile stadtauswärts einbog. Die Teilnehmer waren friedlich, aber mit zunehmender Geschwindigkeit unterwegs. An der Spitze gingen Polizisten, sie steigerten immer wieder das Marschtempo, statt Spazierengehen war (zum Leidwesen mancher Teilnehmer) teilweise fast Joggen angesagt.

Missachtung von Masken- und Abstandsregeln

Weitgehend hatten die Teilnehmer bereits von Beginn an Masken- und Abstandsgebot missachtet, die Versammlung verlief aber zunächst friedlich. Mit zunehmenden Zustrom wurde die Stimmung aber aggressiver, die „Spaziergänger“ stürmten den für Autos zunächst nicht gesperrten Ring. Die Polizei forderte zum Abgang in kleinen Gruppen auf und löste die unangemeldete Versammlung schließlich auf. Sie sperrte verstärkt mit Hunden, die Routen ab, und kesselte die Demo damit ein.

Nicht wirklich – zumindest nicht bei allen Teilnehmern – gefruchtet hat ein Appell von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der am Samstag via Facebook zur Besonnenheit aufgerufen und in einer Pressekonferenz die Polizei als „Freund“ gelobt hatte. Immer wieder waren aggressive Ansagen der Regierungs- und Maßnahmengegner Richtung der einschreitenden Polizei zu hören.

Kickl gab, gemeinsam mit Parteichef Norbert Hofer, in einer Aussendung Innenminister Nehammer „und Co.“ die Schuld an "möglichen Eskalationen: Sie hätten solche mit der Untersagung der Demos „mutwillig und aus rein parteipolitischen Gründen geradezu provoziert“.

Identitäre unter Demonstranten

Insgesamt hatte die Polizei 15 für dieses Wochenende angekündigte Demonstrationen untersagt – zwecks „Hintanhaltung großer Gefahren für die Volksgesundheit“. Die FPÖ hatte darauf für Sonntag eine Kundgebung angekündigt, die am Samstag ebenfalls von der Polizei untersagt wurde. Kickl rief dazu auf, das Verbot zu beachten. Zahlreiche Menschen kündigten schon am Samstag an, dennoch zu einem „Spaziergang“ anstelle der Demonstrationen nach Wien zu kommen.

Zum „Spaziergang“ gekommen waren unter anderen auch rechtsextreme Identitäre rund um Martin Sellner und der Neonazi Gottfried Küssel samt Mitstreitern. Das oberösterreichische Busunternehmen, das schon vor zwei Wochen mit Demofahrten geworben hatte, brachte auch diesmal wieder Teilnehmer nach Wien.

Veranstaltung per Livestream

Die FPÖ hat am Sonntag im Internet per Livestream die Veranstaltung „Für die Freiheit“ mit Veranstaltern von ebenfalls untersagten Kundgebungen abgehalten. Die Regierung versuche, ihre Kritiker mundtot zu machen, die Untersagung der Demonstrationen sei eine „völlig neue Art der Zensur“, beklagte sich dabei Klubobmann Kickl. Ohne Mund- und Nasenschutz, allerdings mit ein wenig Sicherheitsabstand, sprachen dabei etwa jene Frau, die als „Wutwirtin“ in die Schlagzeilen geraten war, sowie Edith Brötzner, die sich mit ihrer Linzer Werbeagentur als Sprachrohr für Unternehmer und Unternehmerinnen sieht.

„Wer schweigt, stimmt zu“, sparte Kickl nicht mit geschichtsträchtigen Zitaten. Zustimmung sei aber das allerletzte, angesichts der anhaltenden Regierungsmaßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie. Es geschehe derzeit eine völlig neue Art der Zensur samt „Gleichschaltung der Medien“, wo Gegner der Coronavirus-Regeln verächtlich gemacht würden, ebenso Wissenschafter, die eine „andere Meinung“ vertreten würden. Der FPÖ-Klubchef zeigte sich zuversichtlich, dass das wie ein Bumerang auf die Regierung zurückfallen werde. Es entstehe derzeit eine „Jetzt-erst-recht-Bewegung“.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger sprach in einer Aussendung von einem „neuen Tiefpunkt“ in Kickls „Verbrüderung mit Rechtsextremen und Corona-Leugnern“.

Passanten und Polizisten im Volksgarten beim Theseustempel
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Die Erzdiözese hat sich von „als christliche Prozession getarnten Corona-Demonstrationen“ distanziert

Erzdiözese warnte vor „christlicher Prozession“

Klein, friedlich und mit hervorgestrichenem Religionsbezug hatte Sonntagvormittag das Kundgebungsgeschehen der Gegner der Coronavirus-Maßnahmen begonnen. Unter weitgehender Einhaltung von Abstands- und Maskenregel fanden sich rund 40 Menschen im Volksgarten ein. Sie gruppierten sich um ein Plakat mit der Aufschrift „Österreich ist frei – Jesus ist König“. Peter Steinbacher, der Gründer von „Hallelujah TV“, das sich in Sozialen Netzwerken gegen Coronavirus-Maßnahmen stark macht, lud nach kurzer Ansprache alle ein, mit Mikro über Jesus zu reden und für das Land zu beten.

Die Erzdiözese Wien hatte im Vorfeld vor als „christliche Prozession“ getarnten Demos gewarnt und solchen „Missbrauch von Religion und Religionsfreiheit“ abgelehnt. „Eine Demo wird auch durch religiöse Staffage nicht zu einer Prozession, sondern bleibt eine Demo. Katholiken sollten bei diesem Etikettenschwindel nicht mitmachen“, hatte der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, Sonntagfrüh via Kathpress – angesichts von Aufrufen im Internet für pseudoreligiöse Veranstaltungen im Umfeld von behördlich nicht genehmigten Demos – gewarnt.

Umfangreiche Verkehrsbehinderungen

Mehrere Straßenbahn- und Buslinien waren nur eingeschränkt unterwegs. Die Linie 1 fuhr beispielsweise nur zwischen Prater Hauptallee und Börse. Die Linie 2 fuhr nicht zwischen Josefstädter Straße U-Bahn und Schwedenplatz. Die Linie D wurde in beiden Fahrtrichtungen zwischen Schwarzenbergplatz und Börse über den Franz-Josefs-Kai umgeleitet. Betroffen waren auch die Linien 46, 49 und 71. Die Wiener Linien empfahlen, auf die U-Bahnen auszuweichen.