Norbert Nowotny, Virologe
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Coronavirus

Öffnungsstrategie für Virologen „mutig“

Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Öffnungsstrategie der Regierung mutig, sagt Virologe Norbert Nowotny, besonders im Veranstaltungsbereich, da dort im Inneren bis zu 1.500 Besucher möglich sein sollen. Er erwartet in den nächsten Tagen Präzisierungen.

Langfristig wünscht sich der Virologe der Veterinärmedizinischen Universität Wien solche für den Grünen Pass. Der Grüne Pass wäre an sich „okay“, doch langfristig wäre auch EU-weit eine Definition zur Dauer des Immunschutzes zu überdenken, denn dieser könne je nach der Schwere der vorherigen Covid-19-Erkrankung von zwei bis zu zehn Monate andauern: „Antikörpertests sind hier eine Option für die Zukunft“, erläuterte Nowotny, und zwar auch für Geimpfte.

Finanziell praktikabel wäre ein solches Vorgehen. Wie zuvor bei den Antigentests solle daher auch jetzt für die ganze EU ein Antikörpertest definiert und in den Ländern eingesetzt werden. „Damit wäre der Grüne Pass sicherer, da ersichtlich ist, ob die jeweilige Person mit einem definierten Test eine bestimmte Menge an Antikörpern zu diesem Zeitpunkt aufweist“. Das seien Nachschärfungs- oder Präzisierungsdetails, den Pass einführen, wie er jetzt geplant ist, könne man durchaus.

Sorge wegen Tirol

Die Lage in Tirol besorge ihn hingegen, dort müsse man die „Hausaufgaben“ erledigen, also die Ausbreitung der Virusvariante B1.1.7-E484K eindämmen, um am 19. Mai wirklich aufsperren zu können: „Ich hoffe, dass die Ausreisetestpflicht für Tirol, die bis 5. Mai verlängert wurde, bis 19. Mai weitergeführt wird“, so Nowotny.

Trotzdem bleibe das Problem, dass sich die Variante innerhalb des Bundeslandes weiter ausbreiten werde, daher sollte auch „innertirolerisch“ etwas unternommen werden: Vermehrte Bestimmen der neuen Variante, spezielle PCR-Tests dafür gebe es, und das Setzen von Maßnahmen auf regionaler Ebene, wenn Cluster registriert werden. Das Land habe die zwar weniger ansteckende südafrikanische Variante unter Kontrolle gebracht, er hoffe, das gelinge nun auch wieder.

Ausreisetests bei steigenden Zahlen

Der Experte verwies zudem auf die Lage in Vorarlberg, „da begannen trotz aller Maßnahmen die Zahlen deutlich zu steigen, und es wird noch ärger“, so Nowotny – und die „Modellregion“ zeige damit, wie es ab 19. Mai auch in Österreich sein kann, „denn Vorarlberg hat das ordentlich gemacht“, so habe man bei gestiegenen Inzidenzen in den Bezirken entsprechende Maßnahmen gesetzt, etwa in Form von Ausreisetests – so etwas müsse man dann auch in ganz Österreich andenken.

Was das restliche Österreich betrifft, so werde bis zum 19. Mai ja in allen Bundesländern der Lockdown in der Light-Variante weiter geführt werden. Somit könne man davon ausgehen, dass die Zahlen auch bis 19. Mai weiter sinken. Bis dahin gelte: „Wir müssen so rasch als möglich mit den Impfungen weiter machen, auch wenn es möglich sein könnte, dass die Impfung die Fluchtmutanten begünstigt“, so Nowotny – eine Alternative gibt es nicht.

Experte: Bis 19. Mai „kann viel passieren“

In der Zeit bis zu den angestrebten Öffnungen am 19. Mai „kann epidemiologisch noch sehr viel passieren“, sagte der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems, Gerald Gartlehner. „Die gute Ausgangslage, von der der Kanzler gesprochen hat, und die wir nicht verspielen dürfen, sehe ich jetzt eigentlich nicht. Die müssen wir uns noch schaffen“, so der Epidemiologe, der trotzdem „grundsätzlich optimistisch“ in Richtung Sommer blickt.

In der Öffnungsmodellregion Vorarlberg haben sich die Zahlen trotz einer guten Ausgangslage und eines guten Gesamtkonzepts in wenigen Wochen „verdreifacht“. Das zeige, wie aufmerksam man bleiben müsse. Es wäre „ganz sicher falsch“ am 19. Mai „bedingungslos zu öffnen“, wenn es Infektionsgeschehen und Intensivkapazitäten eigentlich nicht erlauben. Hier scheine die heute vorsichtigere Einschätzung Wiens „wesentlich realistischer“, sagte Gartlehner. Im Osten Österreichs zeige der Lockdown aber mittlerweile auch einen starken Bremseffekt auf die Infektionszahlen.