Viele Kerzen bei Ruprechtsstiege
APA/Helmut Fohringer
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Politik

Ein Jahr Haft für Kontaktmann des Attentäters

Ein Kontaktmann des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Menschen erschossen hat, ist am Montag in Wien wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation zu einem Jahr Haft, davon drei Monate unbedingt, verurteilt worden.

Der Schuldspruch erging zu einem einzigen Anklagepunkt, von sämtlichen anderen inkriminierten Fakten wurde der 26-Jährige freigesprochen. Der Schuldspruch bezog sich auf ein Foto, das der Angeklagte 2015 an 24 Personen, mit denen er in einer Chat-Gruppe war, weitergeleitet hatte. Es zeigte eine tschetschenische Flagge mit dem Symbol der radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Dafür erhielt der bisher Unbescholtene die vom Gesetz vorgegebene Mindeststrafe, von der ihm zudem der Großteil bedingt nachgesehen wurde. Der 26-Jährige hatte sich seit 3. November durchgehend in U-Haft befunden, mehrere Haftbeschwerden waren zurückgewiesen worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Sinan Dikme meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Da die U-Haft auf die Strafe angerechnet wurde, kam der 26-Jährige unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß.

Angeklagter bekannte sich nicht schuldig

Der Mann hatte sich zu sämtlichen Anklagepunkten nicht schuldig bekannt. Er sei „ein ganz normaler Moslem“, mit Terror habe er nichts am Hut, sagte er am Montag vor Gericht. Zum von der Polizei erschossenen Attentäter meinte er: „Ich hab ihn nicht sehr gut gekannt. Er hat nicht sehr viel geredet.“

Der Tschetschene soll der Anklageschrift zufolge zumindest seit 2015 „eine hohe Affinität“ zur Terrormiliz IS aufgewiesen und diese ideologisch unterstützt haben. Seine Gesinnung soll sich in der Folge weiter radikalisiert haben, im Sommer 2019 schloss er sich laut Staatsanwaltschaft Wien einer streng salafistisch-dschihadistischen Gruppierung an.

Direkte Beteiligung nicht nachgewiesen

Die Staatsanwältin räumte in ihrem Eingangsstatement ein, dass es zwar keine Hinweise auf eine direkte Beteiligung des 26-Jährigen „an diesem feigen, hinterhältigen Anschlag“ gebe. Im Zuge der Ermittlungen zum Attentat sei man aber auf den Tschetschenen „aufmerksam geworden“, der 2008 nach Österreich gekommen war, die Schule und eine Lehre abgeschlossen hatte und zuletzt als Karosserie- und Bautechniker arbeitete.

Das Attentat steht daher nicht im Fokus der Verhandlung. Der 26-Jährige war am 3. November als Kontaktperson des Attentäters festgenommen worden. Seither befindet er sich in U-Haft. Im Zuge der Ermittlungen wurde festgestellt, dass er per WhatsApp Propagandamaterial des IS verbreitet und sich mit Personen der radikalislamischen Szene – darunter auch der Attentäter von Wien – getroffen hatte.

Treffen in St. Pölten

Diese Begegnungen fanden seit Juni 2020 in Form von „Samstagstreffen“ in einer Wohnung in St. Pölten (Niederösterreich) statt, die der Vertiefung von Arabischkenntnissen dienten. Sonntags wurde in der Wohnung laut Anklage „einem kleineren, ausgewählten Personenkreis“ religiöser Unterricht erteilt, wobei radikale Glaubensinhalte und der IS hochgehalten worden sein sollen. An zwei dieser Treffen – am 27. September und am 25. Oktober – soll der spätere Attentäter von Wien teilgenommen und dabei offen einen IS-Ring getragen und präsentiert haben.

Der Angeklagte soll dem „inneren Kreis“ dieser Gruppe angehört haben, heißt es in der Anklage. Er habe einen von drei Schlüsseln zur Wohnung in St. Pölten besessen, die eine Bibliothek mit radikalem Schriftgut enthielt.

Für den Angeklagten und seinen Rechtsbeistand Dikme waren die Vorwürfe nicht nachvollziehbar. Er sei zwar gläubig, bete fünfmal am Tag, faste im Ramadan, lehne aber den IS ab: „Das sind Terroristen, ganz klar.“ Auf Vorhalt, dass er in Wien eine Moschee besucht hatte, in der eine radikale Auslegung seines Glaubens gepredigt wurde, erwiderte der 26-Jährige: „Die haben auf Arabisch oder Bosnisch gepredigt. Ich habe kein Wort verstanden.“ In der Wohnung in St. Pölten sei er gewesen, um Arabisch zu lernen, „dass ich den Koran besser verstehen kann“. Über den IS sei dort „nie gesprochen worden, wo ich dabei war“.

„Die reden nicht vom IS“

„In diese Wohnung sind ein Haufen Menschen gegangen“, ergänzte Rechtsvertreter Dikme. Von dort gehaltenen Vorträgen gebe es Audioaufnahmen: „Die reden nicht vom IS.“ Eine Verbindung seines Mandanten zum Attentäter „besteht nicht“.

Bezüglich der angeblichen Verbreitung von IS-Propagandamaterial bemerkte Dikme, von den Ermittlern seien 81.810 Daten analysiert worden, die sich auf beschlagnahmten Datenträgern des Tschetschenen fanden. Davon habe die Staatsanwaltschaft ganze fünf Bilder in ihre Anklage einbezogen, darunter etwa das Foto einer Massenerschießung von Moslems durch britische Soldaten aus dem Jahr 1914: „Ich hab nicht verstanden, was da den IS verharmlosen soll.“

Gericht sah keinen Bezug zwischen Fotos und IS

In weiten Teilen folgte das Gericht nach einem umfangreichen Beweisverfahren insofern dem Angeklagten, als am Ende festgestellt wurde, bei den inkriminierten Fotos sei mit einer Ausnahme „kein Bezug zum IS herzustellen“. Man müsse die Beweislage „nüchtern und ohne Emotionen betrachten“, betonte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung.

Das gelte auch für die Treffen in der St. Pöltner Wohnung, in der es zwar „eine gut ausgestattete salafistische Bibliothek“ gegeben habe und zwei wegen terroristischer Vereinigung verurteilte Männer – darunter der spätere Attentäter – verkehrt hätten. Die Angaben des Angeklagten, dass dort nicht die Lehren des IS gepredigt wurden, seien aber „trotz einiger Hinweise nicht zwingend zu widerlegen“, so der Richter.