Ein Schild weist zur Impfaktion
APA/Roland Schlager
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Coronavirus

Wien ermöglicht Drittstich für alle

Ab Dienstag kann sich jeder in Wien eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus holen. Das kündigte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in einer Aussendung an. Das Angebot gilt für alle, deren zweite Impfung zumindest sechs Monate her ist.

In der Stadt wurden seit Anfang September mehr als 50.000 Auffrischungsimpfungen verabreicht, etwa in Pflegeheimen und Pensionistenwohnhäusern. Der Bürgermeister appellierte an alle Wienerinnen und Wiener, sich unbedingt nach sechs Monaten wieder impfen zu lassen, denn „nur dann kommen wir sicher durch die Pandemie“. Der Schritt wird wohl vor allem deshalb gesetzt, weil es immer öfter zweimal Geimpfte in den Spitälern gibt.

Derzeit empfiehlt das Nationale Impfgremium (NIG) Drittstiche nach sechs Monaten nur für über 65-Jährige. Für jene darunter liegt die Empfehlung bei neun bis zwölf Monaten. Das könnte sich in einer Sitzung des NIG am Dienstag ändern, da treffen sie wieder zu Beratungen zusammen, hieß es im Gesundheitsministerium.

Ein Fünftel der über 90-Jährigen dreimal geimpft

Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres rief alle Wienerinnen und Wiener auf, das Impfangebot der Stadt Wien sowie der niedergelassenen Ärzteschaft wahrzunehmen. Besonders wichtig sei es für ältere Menschen, Pflegeheimbewohner, für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem, aber auch für Personen in Gesundheitsberufen, die Anfang des Jahres erstmals geimpft wurden, so Szekeres weiter.

Laut Gesundheitsstadtrat Hacker wurden in der Bundeshauptstadt seit Anfang September mehr als 50.000 Auffrischungsimpfungen verabreicht, etwa in Pflegeheimen und Pensionistenwohnhäusern. Damit wurden 22 Prozent der über 90-Jährigen, 20 Prozent der über 80-Jährigen und sechs Prozent der über 70-Jährigen mit einem Booster versorgt. „Wie gut die Auffrischungsimpfung wirkt, kann man alleine durch einen Blick in unsere Spitäler erkennen“, sagte Hacker. Denn von den Intensivpatienten in der Stadt sei derzeit niemand über 80 Jahre alt.

In den nächsten Tagen soll jeder Wiener Haushalt eine schriftliche Information zur Auffrischung per Post erhalten. Informationen, wo man sich impfen lassen kann, gibt es auch im Internet. Wer sich in einem der elf Impfzentren in der Stadt impfen lassen will, muss sich online oder über die Telefonhotline 1450 anmelden. Bei niedergelassenen Ärzten ist eine telefonische Terminvereinbarung nötig. Als Vakzine stehen die Mittel von Biontech und Pfizer sowie Moderna zur freien Auswahl. Kreuzimpfungen mit dem jeweils anderen Mittel sind, wenn gewünscht, möglich.

Dritte Impfung für alle in Wien

Seit 1. November gilt die „3-G-Regel“ am Arbeitsplatz. Eines dieser Gs steht für geimpft, die Stadt Wien bietet daher ab sofort den dritten Stich für alle Personen an.

Experte empfiehlt Drittstich für Personen ab 18

Der Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität (MedUni) Wien, Markus Zeitlinger, spricht sich klar für eine Empfehlung zum dritten Stich für alle Personen ab 18 Jahren bei der CoV-Schutzimpfung aus. Die Infektionszahlen werden zwar aktuell ganz eindeutig von den Ungeimpften getrieben, „aber man sieht, dass es auch bei den Durchbruchsinfektionen (bei Geimpften, Anm.) nach oben geht“, sagte der Experte am Montag.

Zeitlinger rechnet mit einer nachhaltigeren Wirkung des Drittstichs als nach den ersten beiden Impfungen: „Ich gehe davon aus, dass man nach der dritten Impfung eine viel längere Immunität hat als nach der zweiten Impfung.“ Die dritte Impfung könne man mit der zweiten „nicht mehr vergleichen“. Gleichzeitig betonte er, man wisse derzeit nicht, wie lange der Schutz nach dem „Booster“ anhalten werde.

Weitere Erstimpfungen am wichtigsten

Die Auffrischung mit dem dritten Stich werde auch Auswirkung auf das Verbreitungsgeschehen haben. Es habe sich gezeigt, dass der „volle Schutz“ nach der Zweitimpfung – nicht nur vor schweren Verläufen, sondern auch vor Ansteckung und damit der Weitergabe – zwei Monate anhalte. Danach gehe die Wirkung stetig zurück. „Indem wir Personen boostern, schützen wir wieder einmal indirekt die Nichtgeimpften“, so Zeitlinger.

Die Pandemie würde aber selbst im Fall dessen, dass sich alle bisher doppelt Geimpften den Drittstich holen würden, nicht zum Stillstand kommen. Der Booster „wird einen Beitrag leisten, aber nicht reichen, um gut über den Winter zu kommen“, sagte Zeitlinger, denn unter den Ungeimpften finde der bei Weitem überwiegende Teil der Ansteckungen statt. Daher sei nach wie vor jeder neu Geimpfte, „epidemiologisch wichtiger als jemand, der sich geboostert hat“.

Wenig Impfdurchbrüche bei unter 18-Jährigen

Seinen Wunsch, den Drittstich allen ab 18 Jahren und nicht nur der älteren Generation zu empfehlen, untermauerte Zeitlinger mit der Datenlage: Zwischen der Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen und jener der über 60-Jährigen sei hinsichtlich der Durchbruchsinfektionen kein wesentlicher Unterschied feststellbar, betonte der Experte.

Anders verhält es sich hingegen bei der Gruppe unter 18 Jahren. In der Gruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen komme auf zehn Infektionen bei Ungeimpften nicht einmal eine Infektion von Geimpften. Bei den über 18-Jährigen hingegen komme auf vier Infektionen bei Ungeimpften eine Durchbruchsinfektion von Geimpften, so Zeitlinger.

Wagner plädiert für weiteres Testen

Klar für die Boosterimpfung sechs Monate nach dem Zweitstich tritt auch der Mikrobiologe Wagner von der Universität Wien ein. Sofern es auf die globale Verteilungsgerechtigkeit des Impfstoffes keine Auswirkungen hat, sieht er keinen Grund dafür, dass das Impfgremium den dritten Stich in Österreich nicht für alle ab 18 Jahren empfiehlt.

Um die Weitergabe zu verhindern, plädiert Wagner auch vehement dafür, dass auch Geimpfte regelmäßig einen (PCR-)Test durchführen, vor allem, wenn sie sich mit vielen anderen Personen in Innenräumen aufhalten oder mit Risikogruppen zu tun haben. „Regelmäßiges Testen ist nicht belastender als Zähneputzen – und schützt in diesem Fall eben die anderen, wie zum Beispiel immunsupprimierte Personen, die trotz Impfung keinen ausreichenden Immunschutz aufbauen oder Kinder unter zwölf Jahren.“ Für die letztgenannte Gruppe hofft Wagner aber ohnedies auf eine baldige Zulassung der Impfung.