Autor Edmund de Waal im Jahr 2011
APA/Andreas Pessenlehner
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KULTUR

Bestseller bei „Eine Stadt. Ein Buch“

Heute startet bei der „Buch Wien“ die diesjährige Ausgabe von „Eine Stadt. Ein Buch“. 100.000 Gratisexemplare des Bestsellers "Der Hase mit den Bernsteinaugen von Edmund de Waal werden in den nächsten Tagen verteilt.

Im Mittelpunkt von „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ stehen japanische Kleinplastiken, sogenannte Netsuke. 264 dieser Figuren hat de Waal von seinem Großonkel Iggy Leo Ephrussi geerbt. Anhand der Netsuke schildert der Autor die Geschichte seiner Vorfahren.

Die Bankiersfamilie Ephrussi zog von Odessa unter anderem in das Wien der Jahrhundertwende, errichtete ein Palais am Ring und wurde schließlich von den Nationalsozialisten vertrieben. Ein Dienstmädchen hat die Netsukes vor der Beschlagnahmung gerettet, die Figuren sind eines der wenigen Überbleibsel aus der glanzvollen Zeit der Familie.

Autor Edmund de Waal im Jahr 2011 im Palais Ephrussi
APA/Andreas Pessenlehner
Edmund de Waal 2011 mit einem Netsuke im Palaris Ephrussi

Schriftsteller durch „Ausrutscher“

Mit „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ gelang Edmund de Waal ein internationaler Erfolg, den er 2011 auch im Palais Ephrussi in Wien präsentierte. „Ich wollte ein Buch schreiben, das die Menschen lesen würden. So einfach wie möglich“, meinte er damals. Niemals hätte er gedacht, dass er einmal schreiben würde: „Ich bin Schriftsteller durch einen Ausrutscher.“

Bevor er zu recherchieren begann, wusste Edmund de Waal nur, dass ein Teil seiner Familie jüdisch gewesen war – er selbst wuchs in einer anglikanischen Familie auf – und dass seine Großmutter und Großonkel in einem sehr wohlhabenden Haushalt in Wien aufwuchsen. Er selbst, Cambridge-Absolvent, Literatur- und Kunstliebhaber wuchs vor „einem behüteten britischen Hintergrund“ auf. Dann begann die Suche, nach Paris, nach Wien, nach Odessa, und in viele Bücher. „Es war eine große Reise, die viel verändert hat“, meinte er.

Die Netsuke-Sammlung wurde 2018 dem Jüdischen Museum Wien als Dauerleihgabe überlassen, das Familienarchiv ging damals als Schenkung an das Jüdische Museum. Edmund de Waal wurde dafür mit dem Max & Trude Berger-Preis geehrt.

Danielle Spera, Edmund de Waal, Michael Ludwig, Victor de Waal und seine Frau Esther bei einem Treffen der Familien Ephrussi und De Waal im Jahr 2019
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Danielle Spera, Edmund de Waal, Michael Ludwig, Victor de Waal und Esther de Waal beim Treffen der Familien Ephrussi und De Waal im Rathaus

Erstes Familientreffen in Wien

2019 wurde im Jüdischen Museum die Ausstellung „Die Ephrussis. Eine Zeitreise“ gezeigt, bei der auch die Netsuke-Figuren zu sehen waren. Zur Ausstellung waren neben Autor Edmund de Waal auch 40 andere, über die ganze Welt verstreute Familienmitglieder nach Wien gekommen. Es war das erste Mal seit 1938, dass die inzwischen in alle Welt zerstreuten Nachfahren in so großer Zahl in Wien waren.

Dabei war auch der damals 90-jährige Victor de Waal, der die ersten Lebensjahre noch im Wiener Palais verbracht hat, und dessen Frau sowie sein Sohn Edmund de Waal. Bei einem Empfang im Rathaus sprach Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) von einem „besonderen Ehrgefühl“, das er empfinde – nicht zuletzt angesichts der „sehr dunklen schwarzen Kapitel in der Geschichte unserer Stadt“. Gerade das Palais Ephrussi sei ein „sichtbares, in Stein gegossenes Dokument dieser Familie“, aber „leider auch für den Umgang mit dessen Besitz“.

Verteilstellen ab Freitag in ganz Wien

Die ersten Gratisexemplare von „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ werden Donnerstag ab 12.30 Uhr bei der „Buch Wien“ in der Messe Wien verteilt, Autor Edmund de Waal wird anwesend sein. Ab Freitag können Bücher in Verteilstellen in ganz Wien gratis abgeholt werden.

Die Aktion „Eine Stadt. Ein Buch“ findet heuer zum 20. Mal statt. Dabei wurden unter anderem Werke von prominenten Autoren wie John Irving, T.C. Boyle, Mario Vargas Llosa, Johannes Mario Simmel oder Nick Hornby verteilt. Im Vorjahr gab es eine Sammlung von Kurzgeschichten aus Wien.

Erstmals findet heuer die Aktion „Meine Stadt. Mein Buch“ statt. Im Rahmen der Leseförderaktion schenkt das „Wiener Bezirksblatt“ allen Kindern in Wien, die im laufenden Schuljahr die 3. Klasse Volksschule besuchen, ein Exemplar von Christine Nöstlingers Klassiker „Die feuerrote Friederike“. Insgesamt werden so 20.000 Bücher verteilt.