Lockdown für ganz Österreich?
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Coronavirus

Popper fordert entschiedenes Handeln

Die wissenschaftlichen Fakten zur Corona-Pandemie lägen auf dem Tisch. Es sei jetzt Sache der Politik, „besser gestern als heute“ über Maßnahmen zu entscheiden, sagt Simulationsforscher Niki Popper. In Wien treten am Freitag Verschärfungen in Kraft.

Salzburg und Oberösterreich kündigten einen kompletten Lockdown an. Die Corona-Pandemie ist also auch für Geimpfte nicht vorbei. Mit 1.980 neuen Infektionen binnen 24 Stunden ist am Donnerstag auch in Wien ein neuer Höchststand in der Pandemie erreicht worden. Mehr als 15.000 waren es österreichweit. Soweit die aktuellen Zahlen. Zuletzt mehrten sich Stimmen aus der Wissenschaft, die das zögerliche Verhalten der Politik kritisierten. Simulationsforscher Niki Popper sprach sich in „Wien heute“ angesichts der Daten und Fakten nun für rasches und entschiedenes Handeln aus.

Dass Salzburg und Oberösterreich jetzt mit ihren Lockdowns vorpreschen, würde er so nicht sagen: „Wir haben die Zahlen in den letzten Wochen dargestellt, die Situation ist ernst. Und speziell ist in diesen beiden Bundesländern das passiert, was das Relevante ist, nämlich die Intensivbettenkapazitäten sind am Rande der Leistungsfähigkeit.“ Es sei immer klar gewesen, dass die Politik eine Entscheidung treffen müsse „und wenn sie sie trifft, besser gestern als heute“. Allerdings fügte Popper noch hinzu, dass die aktuellen Entscheidungen sich speziell, was die Intensivbetten betreffe, erst in zwei bis drei Wochen bemerkbar machen würden.

Mit einer Stimme bei den Menschen Klarheit schaffen

Es sei nicht der Punkt, überall das Gleiche zu machen. Auch regional abgestimmte Maßnahmen seien sinnvoll und vernünftig, wenn sie koordiniert und strukturiert seien. Aber wichtig sei vor allem, den Menschen klar zu machen, warum jetzt so oder so entschieden werde. Die Maßnahmen müssten für die Menschen nachvollziehbar sein – und es sei dringend wichtig, jetzt Entscheidungen zu treffen und nicht noch einmal Tage zu warten. In den vergangenen Tagen bis Monaten habe die Wissenschaft versucht einzuordnen, was man machen könnte. Dabei ist es laut Popper um drei Dinge gegangen:

  1. Impfen: Das ist laut Popper in manchen Regionen besser gelungen.
  2. Infrastruktur: Für den Fall, so wie er jetzt aktuell vorliegt, müssten Mittel wie zum Beispiel PCR-Tests vorhanden sein, um Maßnahmen wirklich einhalten und kontrollieren zu können.
  3. Akut-Maßnahmen: Hier ist jetzt laut Popper die Politik gefragt. Je mehr Maßnahmen gesetzt würden, desto mehr Schaden gebe es in anderen Bereichen für die Bevölkerung, desto rascher bringe man aber die Kurve nach unten. Dabei sei vor allem wichtig, „dass sich die neun Bundesländer und die Landeshauptleute zusammensetzen und gemeinsam kommunizieren“.

Fakten liegen auf dem Tisch, Politik muss entscheiden

Popper sieht ein Problem darin, dass in der aktuellen Dynamik die jetzigen Maßnahmen nicht sehr stark sichtbar seien. Diese Dynamik sei „enorm stark“ geprägt durch die Delta-Variante, durch die Saisonalität – und alle Maßnahmen könnten keine Wunder bewirken. Popper wiederholte, es sei aus seiner Sicht unbedingt nötig, dass die neun Bundesländer und die Regierung „mit einer Stimme“ sprechen. Es müsse ganz klar sein, das alles einem Gesamtplan folge: „Und ich glaube, das ist im Sinne der aktuellen Reduktion der Fallzahlen das Entscheidende.“

Popper führte als Beispiel Wien an, wobei er betonte, das nicht politisch bewertend zu verstehen. Aber Wien stehe, was die evidenzbasierten Zahlen betreffe und auch im Modell – also praktisch und theoretisch betrachtet – „relativ gut“ da. Das hat laut Popper mit der Umsetzung von Maßnahmen zu tun, mit der Infrastruktur von PCR-Tests, und auch relativ viel mit der Impfung, wo Wien zumindest nicht schlechter als andere Bundesländer dastehe:

„Das heißt, das ist jetzt eine Entscheidung. Wie schnell möchte ich wie stark runterkommen? Ich habe schon, als wir 200 Intensivbetten belegt hatten, gesagt, ich finde es bei einer Krankheit, die eigentlich mit einer Impfung behandelbar und vorbeugbar ist, auch 200 Betten zu viel“, so Popper. Es liege nun an der Politik, über das weitere Prozedere zu entscheiden: „Wir können die Fakten nur darlegen. Und ich halte es auch für eine gefährliche Vermischung, wenn Wissenschaftler sich dann aufschwingen, um Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, wir müssen hier klar trennen.“

Jetzt impfen, um sich für erstes Quartal zu rüsten

Aus wissenschaftlicher Sicht ist für Popper die weitere Vorgangsweise klar, es müsse klar gesagt werden, „dass die Menschen sich erst- und zweitimpfen lassen, dass das Boostern dann auch genug Ressourcen hat, da sind genug Menschen da, die das machen wollen. Und das müssen wir jetzt vorantreiben“. Der Grund dafür liege auf der Hand. Denn was jetzt passiere, sei entscheidend für die Phase von Jänner bis April.

Das bedeute, es gebe keine dauerhaften Lösungen, sondern man müsse jetzt schauen, „dass wir dann nicht wiederum in eine schwierige Situation kommen“. Ihm sei klar, dass das politisch und auch medial nicht die „oberste Priorität“ habe – „aber das ist der Job, den wir haben: Jetzt hier darauf hinzuweisen, jetzt nicht dieses Thema zu vergessen.“

Entscheidung über Lockdown

Die aktuellen CoV-Zahlen zwingen die Politik jetzt zum Handeln. Oberösterreich und Salzburg gehen ab Montag in einen Lockdown, die restlichen Bundesländer dürften folgen,

Wiener Verordnung soll in Kraft treten

Die Sieben-Tage-Inzidenz in den beiden Bundesländern Salzburg und Oberösterreich liegt jenseits der 1.500er-Marke. Sie ist damit drei Mal so hoch wie in Wien, wo Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) seit dem Sommer einen strengeren Kurs gefahren ist und auch weiter fährt. Ab Mitternacht gilt eine neue, aktualisierte Wiener Verordnung. Diese könnte aber wiederum von einem bundesweiten Lockdown ersetzt werden, über den spätestens am Freitag gesprochen werden soll.

Mit dieser Verordnung werden Corona-Regeln nochmals verschärft. So müssen etwa geimpfte oder genesene Personen zusätzlich auch einen aktuellen PCR-Test vorweisen. Auch die FFP2-Maskenpflicht wird ausgeweitet, nämlich auf alle nicht privaten Innenräume. In der Gastronomie müssen Gäste wieder zur Maske greifen, wenn sie zum Platz oder auf die Toilette gehen.

Der strengere Wiener Weg seit dem Sommer hatte ein Ziel: keinen Lockdown mehr. Doch Wien könnte jetzt mit Restösterreich mitgezogen werden, wenn sich die Landeschefs bei ihren Gesprächen mit der Regierung über einen österreichweiten Lockdown einigen. Der Wiener Bürgermeister ist für eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise – spätestens am Freitag soll sie vorliegen.