Die Schreiben gingen an Besetzerinnen und Besetzer sowie an viele, die von der Stadt als Unterstützer der Anti-Lobautunnel-Bewegung geführt werden. Darunter waren auch einige Minderjährige – in diesen Fällen zieht die Stadt nun die Klagsdrohungen zurück, wie eine Sprecherin von Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) einen Bericht der „Kronen Zeitung“ gegenüber wien.ORF.at bestätigte. Die Stadträtin will sich auch persönlich entschuldigen, es habe sich um einen Fehler gehandelt. Gegen die volljährigen Empfänger des anwältlichen Schreibens bleiben die Forderungen aber aufrecht.
In dem Anwaltsschreiben forderte die Stadt Wien die Empfänger auf, die Demonstrationscamps gegen die Stadtstraße in der Donaustadt sofort zu räumen. Andernfalls würden rechtliche Schritte eingeleitet und die „entstandenen Schäden“ in Millionenhöhe von den Aktivisten und Aktivistinnen eingefordert. Unter anderem erhielten auch eine 13-Jährige und eine 14-Jährige diesen Brief. Sie seien vom Jugendrat, der die Besetzung bei der Polizei mit angemeldet hatte, als Sprecherinnen genannt worden, erklärte die Kanzlei des ehemaligen SPÖ-Abgeordneten und Justizsprechers Hannes Jarolim. NGOs verurteilten die Klagen scharf.
Gesprächseinladung an Aktivistinnen und Aktivisten
Seit mehr als drei Monaten halten die Aktivistinnen und Aktivisten zwei Baustellen besetzt. Zusätzlich haben sie ein unterstützendes Camp in einem nahen Park eingerichtet. Alle drei Standorte wurden in den vergangenen Wochen auch winterfest gemacht. Eine polizeiliche Räumung der besetzten Baustellen stehe derzeit weiterhin nicht im Raum, versicherte die Sima-Sprecherin. Stattdessen setze man auf Dialog – die Hand sei ausgestreckt und die Einladung zu Gesprächen aufrecht. Diese werden aber wohl erst nach Weihnachten stattfinden.
Die Besetzerinnen und Besetzer protestieren gegen den Bau des Lobautunnels. Mit dem Stopp des Projekts durch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat man hier auch Unterstützung von höchster Regierungsstelle bekommen. Allerdings wollen die Besetzerinnen und Besetzer auch die Stadtstraße verhindern. Diese soll die Seestadt Aspern mit der Nordostumfahrung verbinden und so laut Sima für eine bessere Anbindung sorgen. Sie soll zwar mehrspurig errichtet werden, formal handelt es sich dabei aber um keine Autobahn, betont die Stadt immer wieder.
Keine freiwillige Räumung geplant
Die Stadtstraße soll laut Sima auch ohne Lobautunnel jedenfalls errichtet werden. Davon abhängig seien u. a. etwa zahlreiche Wohnbauprojekte. Die Aktivistinnen und Aktivisten sowie Umwelt-NGOs kritisieren diese Entscheidung – statt auf weitere Straßen zu setzen, solle lieber der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Die besetzten Baustellen sind Teil der Bauarbeiten für die Stadtstraße. Deshalb habe man auch nicht die Absicht, diese freiwillig zu räumen, betonen die Besetzerinnen und Besetzer.
Für Greenpeace war das Zurückziehen der Klagsdrohung „überfällig und ein erster Schritt in die richtige Richtung“. Die NGO forderte aber, dass die Klagsdrohungen gegen zahlreiche andere Empfänger – die den Proteste gegen die Stadtautobahn teilweise nur mental unterstützt haben – ebenfalls zurückgenommen werden. „Es wird Zeit, dieses beschämende Kapitel in der Geschichte der Sozialdemokratie zu beenden und die Klagsdrohungen gegen alle Betroffenen zurückzunehmen“, fordert Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrscampaignerin bei Greenpeace.