Landesgericht Wien
ORF.at/Zita Klimek
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Chronik

Baby tot: „Nehme Schuld auf mich“

In Wien sind am Mittwoch die Eltern eines zu Tode geschüttelten Babys vor Gericht gestanden. „Ich nehme die Schuld auf mich“, so der Vater. Er habe seine Tochter geschüttelt, aber nicht mit deren Ableben gerechnet. Ein Urteil wird am 24. Jänner erwartet.

Der Vater ist wegen Mordes, die Mutter wegen Mord durch Unterlassung angeklagt. Er habe seine Tochter „maximal drei Mal“ geschüttelt, gab der 32-jährige Vater vor Gericht an. Zuletzt, am 4. Juni, „länger, weil es mir zu viel war“. Danach sei das Baby „regungslos“ gewesen. Er habe das weinende Kind „zur Ruhe bringen“ wollen, es sei ihm darum gegangen, „dass sie nicht so schreit“. Dass er damit seine Tochter in Lebensgefahr brachte, sei ihm nicht bewusst gewesen: „Ich habe es nicht gewusst, was es anrichtet. Sie hat nicht geschrien.“ Nach dem ersten Mal, „wo ich es gemacht habe“, habe sie gelacht.

Seine Tochter habe „danach nie aus der Nase geblutet oder aus den Ohren oder sich anders verhalten.“ Er sei davon ausgegangen, dass ihr nach dem Schütteln „vielleicht schwummrig ist, aber nie, dass das an ihre Organe, ihr Hirn oder so etwas geht.“ Er habe keine bösen Absichten gehabt: „Warum sollte ich so dumm sein?“ Er habe sich ja wochenlang „mit Herzblut, trotz Schlafmangel“ um das Kind gekümmert. „Ich wollte das meiner Tochter nicht antun“, versicherte der Angeklagte. Er habe das Schütteln verschwiegen, weil er sich geschämt habe.

Baby tot: Eltern nicht geständig

Die Eltern eines zu Tode geschüttelten Babys haben sich am Mittwoch vor Gericht in Wien nicht geständig gezeigt. Der Vater ist wegen Mordes, die Mutter wegen Mord durch Unterlassung angeklagt. Das Baby starb im Alter von knapp drei Monaten.

„Ich rede jeden Tag mit ihr“

Seine mitangeklagte Ex-Freundin habe vom letzten Schüttelakt „das Ende mitbekommen“. Sie sei damals „im Raum gewesen. Ansonsten hat sie nichts gesehen“, sagte der Angeklagte. Die 23-Jährige sagte ähnlich aus: "Ich habe nicht gesehen, wie mein Lebensgefährte unser Baby geschüttelt hat.“ Sie bekannte sich nicht schuldig. Bei dem Vorfall, dessentwegen das Baby am 4. Juni auf eine Intensivstation kam, sei sie „vom Klo zurückgekommen“ und habe ihre Tochter „teilnahmslos“ und ohne Bewusstsein vorgefunden.

Sie habe sich das nicht erklären können, habe die Rettung gerufen und erst am 8. Juni erfahren, dass ihr Gewalt angetan worden war. „Ich habe das nicht gesehen“, schluchzte die 23-Jährige. Sie denke ständig an ihre verstorbene Tochter: „Ich rede jeden Tag mit ihr. Ich bete mit ihr. Ich sage ihr jeden Tag, wie sehr ich sie liebe.“

Staatsanwältin zweifelt an Darstellung der Mutter

Die Staatsanwältin bezweifelte das, weil die Mutter des Babys bei der Polizei völlig andere Angaben gemacht habe, das Paar in einer Einzimmerwohnung gelebt hat und die Mutter daher etwas gesehen haben müsse. Es sei „traurig“, dass die Kleine „auf qualvolle Weise von ihren Eltern getötet wurde“, führte die Staatsanwältin aus. Das Paar hatte sich im Jänner 2020 kennengelernt, bald danach zog es in eine Ein-Zimmer-Wohnung.

Für die Frau war es der erste richtige Freund. Sie wurde ungewollt schwanger. Eine Abtreibung sei erwogen worden, bei einer Vorsprache in einer Klinik hieß es allerdings, dass es zu spät dafür wäre. „Sie haben sich gezwungenermaßen für ein Kind entschieden, das sie nie wollten. Sie war von Anfang an nicht gewünscht“, meinte die Staatsanwältin.

Sauerstoffunterversorgung und Knochenbrüche

Ihre Tochter hatte am 26. März das Licht der Welt erblickt. Bereits im April soll der Vater laut Anklage das Baby erstmals misshandelt haben, als das Kind zu schreien begann und nicht zu beruhigen war. Zumindest zwei weitere massive Gewalttätigkeiten soll er danach gesetzt haben, die letzte am 4. Juni, als er seine zweieinhalb Monate alte Tochter mehrfach geschüttelt haben soll, um sie „ruhig zu stellen“.

Die Mutter soll dabei anwesend gewesen und nicht eingeschritten sein, weswegen ihr Mord durch Unterlassung vorgeworfen wird. Danach musste das Kleinkind mit lebensbedrohlichen Verletzungen in einem Hubschrauber in ein Spital geflogen werden. Die behandelnden Ärzte schalteten die Polizei ein, die Eltern wurden festgenommen.

Trotz aller ärztlichen Bemühungen erlag das Baby am 12. Juni den schweren Verletzungen. Die Obduktion ergab, dass Blutungen im Bereich der Hirnwand aufgetreten waren – laut gerichtsmedizinischem Gutachten typische Anzeichen, die auf ein Schütteltrauma hindeuten. Todesursächlich war der fachärztlichen Expertise zufolge eine Sauerstoffunterversorgung des Hirns. Der kleine Körper wies auch Brüche an beiden Oberschenkeln und eine Netzhautverletzung an einem Auge auf.

Familie war Jugendhilfe bekannt

Der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) waren die Eltern bekannt. Es gab Hausbesuche, der Mutter wurde auch eine Hebamme beigegeben, weil die 23-Jährige offenbar den Eindruck machte, Unterstützung zu benötigen. Es gab auch Beratungen zu Themen rund um die Geburt und in finanziellen Fragen, da dem Paar die Delogierung drohte.

Der Vater soll keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgegangen sein, dafür verstärkt dem Alkohol zugesprochen haben. Neben der Hebamme waren auch Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in die Betreuung der Familie eingebunden. Hinweise auf eine akute Gefährdung des Kindes lagen nach Dafürhalten der MA 11 nicht vor.

Vater mit auffälliger Persönlichkeitsstruktur

Der Behörde dürfte allerdings entgangen sein, dass der Vater eine auffällige Persönlichkeitsstruktur aufweist. Ein von der Justiz beigezogener psychiatrischer Sachverständiger hat im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens den 32-Jährigen begutachtet und kam zum Schluss, dass dieser zwar zurechnungsfähig ist, aber eine höhergradige geistig-seelische Abnormität aufweist.

Dem Gutachter zufolge geht von dem Mann eine Gefahr aus, die befürchten lässt, dass er ohne therapeutische Maßnahmen wieder Straftaten mit schweren Folgen setzen könnte. Die Staatsanwaltschaft hat auf Basis dieser Ausführungen im Fall einer Verurteilung des Vaters dessen zusätzliche Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Der 32-jährige Mann und seine Ex-Partnerin müssen sich an zwei Tagen vor Geschworenen am Wiener Landesgericht verantworten. Die Urteile sollen am 24. Jänner fallen. Die Angeklagten befinden sich seit Mitte Juni in U-Haft.