Protestcamp Räumung
APA/Tobias Steinmaurer
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Politik

Viel Kritik: Sima verteidigt Räumung

Die Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße hat harsche Kritik aus vielen verschiedenen Richtungen hervorgerufen. Im „Wien heute“-Gespräch verwies Stadträtin Uli Sima (SPÖ) auf zahlreiche Gesprächsangebote und lud erneut zu Gesprächen ein.

„Ich glaube, nach fünf Monaten muss man dann irgendwann einfach erkennen, dass es keinen Zweck mehr hat, weiter auf Gespräche zu setzen, wenn das Gegenüber einfach nicht bereit ist, einem entgegenzukommen oder überhaupt auf Gespräche einzugehen“, begründete Umweltstadträtin Uli Sima (SPÖ) die Entscheidung zur Räumung des Camps. Sie betonte im „Wien heute“-Gespräch, dass sie die Aktivisten nicht nur zum Abzug bewegen habe wollen: „Es gab immer das Angebot inhaltlich zu sprechen, von Anfang an. Ich habe das mehrfach erneuert.“

Doch ihre Gesprächsangebote seien abgelehnt worden. Das letztlich dann doch zustande gekommene Gespräch, das sie „faktisch erzwingen“ habe müssen, habe dann zu einem „sehr sehr späten“ Zeitpunkt stattgefunden, wo es einfach keine Möglichkeit mehr gegeben habe, über Ausstiegsprozesse zu reden, „sondern dann kann man einfach nur mehr über den geordneten Abzug“ reden.

Auflistung der Stadt

Aber, so Sima weiter, sie sei immer noch bereit zu Gesprächen. Sie habe heute (Dienstag, Anm.) Nena Schilling eine Einladung geschickt, „dass wir weiter sprechen, weil ich glaube, dass wir in vielen Themen zum Thema Klimaschutz und Klimawandel sehr viele gemeinsame Ziele haben“.

Stadtstraße für Sima „erledigt“

Die Stadt trete nicht aus Jux und Tollerei für den Bau der Stadtstraße ein, sondern weil sie der Schlüssel zu Wohnungen für 60.000 Menschen sei. Man müsse auch die Kirche im Dorf lassen, verwies Sima auf schon lange bekanntes: Es handle sich um eine drei Kilometer lange Gemeindestraße, auf der man Tempo 50 fahren darf. Sie sei eine behördliche Auflage der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Stadt habe eine U-Bahn in die Seestadt gebaut, viele öffentliche Verkehrsmittel würden noch folgen.

Auf die Frage, ob bei der Kommunikation des von den Grünen geplanten Projekts etwas falsch gelaufen sei, antwortete Sima mit „ganz definitiv“. In zehn Jahren Planungszeit sei zu wenig informiert worden, viele Menschen hätten keine Ahnung, wo die Straße verläuft, viele würden glauben, im Nationalpark, was nicht stimme.

Sima verwies auch darauf, dass Änderungen an dem fertigen Projekt nicht so einfach gewesen wären, vor allem, wenn es darum gehe „was ja gewollt war, nämlich eine Redimensionierung im Sinne einer Halbierung der Kapazität.“ Das hätte de facto ein „Zurück an den Start“ bedeutet. Es habe aber wohl einen Grund, „warum auch die Grünen diese Straße so geplant haben, weil das einfach das Ergebnis von Gutachten war“.

Politische Reaktionen zur Räumung

Die Grünen zeigen sich am Dienstag erbost über die Räumung. Eine schriftliche Stellungnahme kommt vom Koalitionspartner NEOS. Ausdrückliche Zustimmung zur Räumung kommt von ÖVP und FPÖ.

Ludwig: Gute Gründe für die Straße

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) meldete sich am Nachmittag via Twitter ausführlich zu Wort. Es habe zahlreiche, letztlich „erfolglose“ Gesprächsangebote der Stadt gegeben. Es gebe gute Gründe für die Straße, beteuerte er – nämlich die geplanten Wohnbauten in bzw. um die Seestadt Aspern. „Ein derart großes Stadtentwicklungsgebiet benötigt eine gut ausgebaute, höherrangige Straße.“ Auf dieser seien auch Busse und Einsatzfahrzeuge unterwegs, gab er zu bedenken.

„Unzählige Angebote“

Die für den Straßenbau zuständige MA 28 als Projektbetreiber will jetzt rasch mit den Bauarbeiten fortfahren: „Wir haben als Stadt Wien auf sämtlichen Ebenen seit Oktober versucht, in Gespräche mit den Besetzerinnen und Besetzern zu kommen. Es gab dazu unzählige Angebote, leider ohne Erfolg. Auch wir hätten uns eine friedliche Lösung gewünscht“, so Thomas Keller, Abteilungsleiter der MA 28, in einer Aussendung am Vormittag.

Die Versammlung der Aktivistinnen und Aktivisten auf der Baustelle in der Hausfeldstraße sei bereits im Dezember von der Polizei behördlich aufgelöst worden. Nun sei eine Räumung unausweichlich, da der Bau an behördliche Auflagen gebunden sei.

„Fahrlässig und verantwortungslos“

Umweltorganisationen übten postwendend harsche Kritik. So bezeichnete die Naturschutzorganisation WWF Österreich den Bau einer vierspurigen Straße als „fahrlässig und verantwortungslos“. Die Katholische Aktion (KA) der Erzdiözese Wien äußerte sich „empört“ darüber, „wie gegen politisch engagierte Jugendliche vorgegangen wird“. Eskalation sei in dieser Sache nicht der richtige Weg, heißt es in einer Aussendung – mehr dazu in religion.ORF.at .

„Das ist ein trauriger Tag für den Klimaschutz, für die Zivilgesellschaft – und ganz besonders für die SPÖ“, so der grüne Landesparteivorsitzende Peter Kraus in einer ersten Reaktion. „Besonders erschreckend ist auch, dass heute mit Polizeischutz 400 Bäume gefällt werden sollen, damit die Bauarbeiten für die Stadtautobahn beginnen können“, heißt es in der Aussendung weiter.

VCÖ: „Räumung löst Problem nicht“

Die Räumung des Protestcamps löst nach Ansicht des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) nicht das Problem, dass die überdimensionierte Stadtstraße im „krassen Widerspruch“ zu den Klimazielen und Mobilitätszielen der Stadt steht. Nur Dialog führe zu konstruktiven und guten Lösungen, befand der VCÖ. Aus Verkehrssicht sei die überdimensionierte Stadtstraße nicht notwendig, weil es bessere Lösungen gebe, hieß es in einer Aussendung.

Karte zeigt geplante Stadtstraße und Protestcamp
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Es ist ein Skandal, dass (Bürgermeister Michael, SPÖ, Anm.) Ludwig erst voller Stolz seinen sogenannten Klimafahrplan präsentiert und nur ein paar Tage später mit der Wirtschaftskammer beschließt, am Bau der Lobauautobahn festzuhalten! Solange die Stadtautobahn nicht abgesagt ist, bleibt die Lobau gefährdet“, verwies Lucia Steinwender von „System Change not Climate Change“ auf den Zusammenhang mit dem – vom Bund zuletzt gestrichenen – Lobautunnel.

Alternativen zu „autobahnähnlichen ‚Gemeindestraßen‘“

Bürgermeister Ludwig wolle die Stadtautobahn durchsetzen, um Fakten für den Bau der Lobauautobahn zu schaffen. Für die Anbindung der Stadtentwicklungsgebiete in der Donaustadt sei sie hingegen völlig überdimensioniert und ungeeignet. Weitere Proteste wurden angekündigt: „Fridays for Future“ Wien rief für 18.00 Uhr zu einer Solidaritätskundgebung vor der SPÖ-Zentrale in der Innenstadt auf.

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Protestcamp
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Demonstrantin „Stopp die Stadtstraße Aspern“
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Protestcamp Räumung
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Mann auf Kran – Baumfällung
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Baumfällung
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Mann auf Kran – Baumfällung
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Mann auf Kran – Baumfällung, Protestierende
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Polizisten nehmen Aktivisten fest
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Polizisten nehmen Aktivisten fest
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstra§e in Wien-Donaustadt
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Polizisten nehmen Aktivisten fest
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Polizisten nehmen Aktivisten fest
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizeiautos in Schlange
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
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Polizisten bei Protestcamp
ORF Wien
Polizeiautos in Kolonne
ORF Wien
Aktivisitin Lena Schilling, im Hintergrund Polizisten
ORF Wien
Aktivistin Lena Schilling

Stadtgestaltung müsse sich „am Maß des Menschen und nicht des Autos orientieren“, schreibt Reinhold Christian, Präsident des Forums Wissenschaft & Umwelt (FWU) und Vizepräsident des Umweltdachverbandes, in einer Aussendung. „Wien kann stolz sein auf viele lebens- und liebenswerte Grätzel – und ganze Bezirke! – die ganz ohne Autobahnanschluss Wohlbefinden in der Stadt, im öffentlichen Raum bieten.“ Es gebe Alternativen zu "autobahnähnliche ‚Gemeindestraßen‘ und monotonen Wohnsiedlungen“.

ÖVP: „Rechtsstaat hat sich durchgesetzt“

Freude äußerte hingegen die Wiener ÖVP: „Der Rechtsstaat hat sich durchgesetzt. Die rechtswidrige Besetzung der Stadtstraßenbaustelle wird mit der heutigen Räumung nun endlich zu einem Ende gebracht“, befanden der designierte Landesparteiobmann der Volkspartei Wien, Karl Mahrer, und Klubobmann Markus Wölbitsch – die der Polizei für das Vorgehen dankten.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 19.00 Uhr, ORF 2

„Die Räumung des Protestcamps im 22. Bezirk war längst überfällig und ist eine freudige Botschaft an diesem sonst grauen 1. Februar“, so der FPÖ-Verkehrssprecher im Wiener Rathaus, Toni Mahdalik, in einer Aussendung. Und weiter: „Die seit Dezember von der Stadt hingenommene Verhinderung des Baustarts durch eine illegale Besetzung der Baustellen durch Linksradikale samt illegaler Bauwerke und illegaler Feuerstellen kostet die Wiener Steuerzahler bislang 22 Mio. Euro und verzögert die Abgas-, Feinstaub- und Lärmbelastung für 100.000 Betroffene, Fauna, Flora und Klima.“