Kindergarten, Haus mit Aufschrift Minibambini Außenansicht
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Politik

Essen von Baufirmen in Kindergarten

Essenslieferungen von später als Scheinunternehmen klassifizierten Baufirmen, hohe Barzahlungen sowie In-sich-Geschäfte kritisiert der Wiener Stadtrechnungshof (StRH) bei der Prüfung eines Vereins, der zehn private Kindergärten im Westen Wiens betreibt.

Außerdem wurden Verkehrsstrafen aus Mitteln des Vereins Kindergarten Minibambini bezahlt. Die Stadt Wien prüft nun die Rückforderung von Fördermitteln und hat der Staatsanwaltschaft den Rechnungshofbericht übermittelt. Die Stadt betreibt über die MA 10 nicht nur selbst Kindergärten, sondern fördert auch private Einrichtungen. Deshalb prüft der Stadtrechnungshof auch regelmäßig geförderte Träger.

Bezahlung bar aus der Vereinskassa

Im konkreten Fall ortete er einige bedenkliche Vorgänge: So setzte der Verein zwischen 2019 und 2021 bei der Lieferung des Essens für die Kinder auf insgesamt vier Bauunternehmen – das erste wurde aufgrund eines Konkurses aufgelöst, die nächsten drei wurden vom Finanzministerium als Scheinunternehmen klassifiziert und ebenfalls später gelöscht oder aufgelöst.

Als „ungewöhnlich“ stufte der StRH außerdem den Umstand ein, dass die Zahlungen für das Catering in der Höhe von 2,7 Mio. Euro ausschließlich bar über die Vereinskassa erfolgten. Lapidare Empfehlung der Prüfer: „Der StRH Wien empfahl dem Verein (…), ausschließlich Lieferantinnen bzw. Lieferanten mit der Lieferung von Essensportionen zu beauftragen, welche die erforderlichen Berechtigungen aufweisen.“

RH-Kritik am Verein „Mimibambini“

„Minibambini“ – so lautet der Name jenes Vereins, der seit dreizehn Jahren Förderungen von der MA10 erhält. Allein von 2019 bis 2021 sind 14,3 Millionen Euro von der Stadt geflossen.

Ungewöhnlich hohe Barauszahlungen

Der Verein verteidigte sein Vorgehen damit, dass es zwar „unregelmäßig Mängel“ gegeben habe, die Qualität aber nicht zu beanstanden gewesen wäre. Ganz generell wurden vom Verein ungewöhnlich hohe Barauszahlungen getätigt. Insgesamt wurden zwischen 2019 und 2021 rund 4,2 Mio. Euro an Bauunternehmen ausbezahlt. Das widerspreche zwar keinen Gesetzen, aber: „Die bare Auszahlung derart hoher Summen erschien dem StRH Wien als ungewöhnlich, jedenfalls aber nicht zweckmäßig und aus Gründen der Sicherheit nicht empfehlenswert.“

Ebenfalls im Fokus der Prüfer standen In-sich-Geschäfte: So vermieteten etwa die Obfrau und die Kassierin des Vereins diesem ein in ihrem Eigentum stehendes Objekt für den Betrieb eines Kindergartens. Überdies wurde dabei Inventar für 100.000 Euro verkauft – laut Inventarliste „zwei Elektrogeräte, ein Kochfeld, eine Kaffeemaschine, diverse Hygieneartikel, Geschirr, diverses Spielzeug, Tische, Bänke und Sessel für ca. 40 Kinder, diverse Schränke, Kästchen und andere Gegenstände von geringem Wert“.

Keine Belege für „Sanierung“

Bewertung des StRH: „Die zugrunde liegende Inventarliste des Verkaufs ließ den StRH Wien an der Angemessenheit des vereinbarten Entgeltes zweifeln.“ Der Verein rechtfertigte das mit der Sanierung des Objekts durch die Vermieter – wofür allerdings keine Belege vorgelegt wurden. Bemängelt wurden von den Prüfern auch die Vorgehensweisen bei der Anschaffung von Autos – so wurden unter anderem mehrere BMWs vom Verein genutzt.

Zum Teil wurden Fahrzeuge von Familienmitgliedern der Obfrau gekauft und vom Verein dann geleast – als Begründung wurde angegeben, dass diese zur Überwachung von Umbauarbeiten und diverse Lieferungen nötig gewesen seien. Der StRH konterte mit einer Karte der Einrichtungen des Vereins: Diese seien weitestgehend fußläufig voneinander zu erreichen, und die Fahrzeuge seien auch nicht „typische Lieferfahrzeuge“. Darüber hinaus wurden zahlreiche Verkehrsstrafen – teils auch in Niederösterreich – vom Verein übernommen.

„Keine Mängel“ bei Kontrollen beanstandet

In der Stadt betont man, dass man bei den regelmäßigen Kontrollen „keinerlei Mängel aus den Bereichen Kinderschutz oder pädagogische Bildungsarbeit festgestellt“ habe. Kleinere Mängel in anderen Bereichen seien durch den Betreiber stets umgehend behoben worden, hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

„Die pädagogische Qualität des Betreibers und die sichere, professionelle Betreuung und Förderung der betroffenen Kinder war demnach immer gewährleistet und ist nicht Gegenstand des Sachverhalts.“ Als Reaktion auf den Bericht hat man nun einen externen Wirtschaftsprüfer beauftragt, die Staatsanwaltschaft informiert und die Rückforderung von Fördermitteln eingeleitet.

Der Verein Kindergarten Minibambini sagte in seiner Stellungnahme die Umsetzung der Empfehlungen im Wesentlichen zu. Er gab außerdem an, aufgrund des vorliegenden Prüfungsergebnisses personelle Konsequenzen zu ziehen.

Reaktionen: „Wie in Kriminalroman“

Die ÖVP fordert einen sofortigen Förderstopp für den Verein. „Der Bericht liest sich wie ein Kriminalroman, in dem ein durch Steuermittel finanzierter Kindergarten dreist als Selbstbedienungsladen missbraucht wird“, so Bildungssprecher Harald Zierfuß in einer Aussendung.

Für den Grünen-Abgeordneten Martin Margulies ist „es unglaublich, dass hier jahrelang völlig ohne Kontrolle Millionenbeträge ohne passende Belege, ohne Nachweis einer korrekten Abrechnung an einen verzweigten und völlig undurchsichtigen Familienbetrieb ausbezahlt wurden“. Der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp ortete ein „Multiversagen der rot-pinken Stadtverantwortlichen“.

Prüfberichte öffentlich

Die neuen Prüfberichte des StRH stehen seit Vormittag auf der Homepage des Wiener Stadtrechnungshofes ungekürzt zur Verfügung. Die Berichte beschäftigen sich mit Themen aus den Geschäftsgruppen Bildung, Jugend, Integration und Transparenz (Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, NEOS), Soziales, Gesundheit und Sport (Stadtrat Peter Hacker, SPÖ), Klima, Umwelt, Demokratie und Personal (Stadtrat Jürgen Czernohorszky, SPÖ).

Bemängelt wird unter anderem, dass es in Wien zu wenige Pflegefamilien gibt. Auch die bekannten Missstände in der Magistratsabteilung 35 (Einwanderung und Staatsbürgerschaft) werden erneut dargelegt. Die Sitzung des Stadtrechnungshofausschusses des Gemeinderates, in dem diese Berichte beraten werden, findet Dienstag in einer Woche statt.