Chronik

Kindergarten: Mitarbeiterin informierte über Missstände

Nach Bekanntwerden des angeblichen Fördermissbrauchs eines Kindergartenbetreibers will die Wiener ÖVP nun einen Misstrauensantrag gegen den zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) einbringen. Eine frühere Mitarbeiterin gibt zudem an, sie habe schon vor knapp zwei Jahren über Missstände informiert.

Zwölf Kindergärten führt der Betreiber derzeit im Westen Wiens. Im März 2021 informierte eine damalige Mitarbeiterin eines Kindergartenstandortes im 15. Bezirk anonym das Jugendamt, die MA 11. In dem E-Mail, das wien.ORF.at vorliegt, hieß es, dass Kinder auf Listen geführt würden, die noch nie den Kindergarten besucht hatten, und für die Förderungen kassiert werden. Assistentinnen würden als Pädagoginnen ausgewiesen. Weiters steht im Brief: „Das Essen ist viel zu wenig und mangelt sehr an Qualität (für 20 Kinder 30 Fischstäbchen ohne Beilage).“ Zudem würden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gedrängt, auf Betreuungsverträgen Unterschriften der Eltern zu fälschen.

Kindergarten: Mitarbeiterin informierte über Missstände

Nach Bekanntwerden des angeblichen Fördermissbrauchs eines Kindergartenbetreibers will die Wiener ÖVP nun einen Misstrauensantrag gegen den zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) einbringen. Eine frühere Mitarbeiterin gibt zudem an, sie habe schon vor knapp zwei Jahren über Missstände informiert.

MA 10: „Sanierbare Mängel“ wurden behoben

Von der MA 11 heißt es gegenüber wien.ORF.at, man habe die Informationen an die MA 10 und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) weitergeleitet und ein Beschwerdeverfahren wegen der Essenskritik eingeleitet. Die MA 10 bestätigte ebenfalls, die anonyme Beschwerde erhalten zu haben. „Die Stadt Wien – Kindergärten hat daraufhin eine umfassende Personalprüfung des im Februar 2021 angestellten Personals vollzogen, bei welcher sanierbare Mängel festgestellt wurden. Diese wurden alle innerhalb der festgelegten Frist behoben“, so die Stellungnahme.

Die Trägerorganisation habe sämtliche Vorwürfe schlüssig und nachvollziehbar aufklären können, auch Anwesenheitslisten seien damals durchgeführt worden.

Teure Autos und hohe Barzahlungen

Die jüngeren Vorwürfe hat der Stadtrechnungshof aufgedeckt. Er kritisierte unter anderem, dass Essenslieferungen von später als Scheinunternehmen klassifizierten Baufirmen durchgeführt wurden. Auch hohe Barzahlungen sowie In-sich-Geschäfte werden angeprangert.

Außerdem wurden Verkehrsstrafen aus Vereinsmitteln bezahlt. Auch teurere Autos, die vom Verein genutzt wurden, fielen auf. Zum Teil wurden Fahrzeuge von Familienmitgliedern der Obfrau gekauft und vom Verein dann geleast.

Kontrollen während Pandemie stark gesunken

Karin Broukal ist seit Kurzem die Leiterin der MA 10, davor war sie beim Jugendamt der MA 11 für die Kontrollen zuständig. Sie betonte gegenüber „Wien heute“, dass die MA 10 ein Förder-Kontrollsystem hätte, das zum einen aus einer standardisierten Kontrolle besteht, aber auch anlassbezogenen Kontrollen durchgeführt werden. „Und das Kontrollsystem sieht auch vor – schon in den Verträgen mit den Trägern – dass die Möglichkeit besteht, dass der Stadtrechnungshof vertiefte Prüfungen durchführt. Und in Anlassfällen ziehen wir externe Wirtschaftsprüfer hinzu“, so Broukal.

Die MA 10 ist für die Kontrolle der wirtschaftlichen Komponente zuständig. Die MA 11 kontrolliert die pädagogische Komponente. In den Jahren von 2016 bis 2019 sind zwischen 2.600 und 2.944 Kontrollen in den Kindergärten durchgeführt worden. Diese Zahl ist durch die Pandemie stark eingebrochen: 2022 hat es nur noch 847 Kontrollen in den Wiener Kindergärten – sowohl städtisch als auch privat – gegeben.

Der starke Rückgang dieser Kontrollen sei der großen Verunsicherung durch die Pandemie geschuldet, so Broukal. „Die MA 11 hat angesichts dieser Corona-Maßnahmen bestmöglich kontrolliert“, so Broukal. Man versicherte gegenüber „Wien heute“, dass das Ziel sei, diese Zahl der Kontrollen wieder auf Vor-Pandemie-Niveau zu heben.

Kein Förderstopp für betroffenen Kindergarten

Auf die Frage im „Wien heute“-Interview, ob es denn einen Förderstopp für den betroffenen Kindergarten geben antwortete Broukal, dass ein Förderstopp einen großen Nachteil für die Kinder und das Personal im Kindergarten bedeuten würde. „Der Träger kann auch ohne Förderungen den Betrieb weiterführen. Ein Förderstopp würde aber a la longue bedeuten, dass der Kindergarten die Plätze nicht halten können wird und das Personal nicht bezahlen kann. Wir sprechen bei diesem Träger von rund 900 Kindern, die den Platz verlieren könnten und das ist nicht im Sinne dieser Stadt“, sagte Broukal.

Leiterin der MA10 zum Fördermissbrauch

Karin Broukal, die Leiterin der zuständigen MA10, Wiener Kindergärten, spricht zum angeblichen Fördermissbrauchs eines Kindergartenbetreibers.

ÖVP plant Sondergemeinderat

Die Wiener ÖVP will nun neben dem geplanten Misstrauensantrag auch einen Sondergemeinderat initiieren. Man sei „fassungslos“ über den Fall, bekannten Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer und der türkise Bildungssprecher Harald Zierfuß. Die Stadt habe offenbar nicht oder nur mangelhaft geprüft, und das, obwohl NEOS noch zu Oppositionszeiten bekrittelt hatte, dass es über den geförderten Verein zu wenige Informationen gebe, wie Mahrer berichtete.

„Wie kann es sein, dass Steuergeld weiterhin blind vergeben wird?“, ärgerte sich der ÖVP-Politiker. Nach Ansicht Mahrers ist der Verein offenbar jahrelang nicht näher unter die Lupe genommen worden. Auch Zierfuß zeigte sich überzeugt: „Das ist ein Kontrollversagen sondergleichen.“ Ein „Familienclan“ habe anscheinend einen Kindergarten als Selbstbedienungsladen betrieben.

Stadt prüft Rückforderung

Die Stadt Wien prüft inzwischen die Rückforderung von Fördermitteln und hat der Staatsanwaltschaft den Rechnungshof-Bericht übermittelt. Die ÖVP fordert aber auch einen „sofortigen Förderstopp“. Zudem solle die Stadt dafür sorgen, dass die Plätze von anderen Betreibern übernommen werden. Auch eine externe Wirtschaftsprüfung wurde angeregt.

NEOS-Klubchefin Bettina Emmerling sprach sich gegen einen sofortigen Förderstopp aus. Das würde auf Kosten von fast 800 Kindern gehen und auch die Erziehungsberechtigten verunsichern, warnte sie. Die verantwortliche Magistratsabteilung unter der Führung von Wiederkehr habe die richtigen Schritte gesetzt, zeigte sie sich überzeugt. „Weiters ist klar, dass Fördermissbrauch nicht toleriert wird – daher wird jeder Cent, der missbräuchlich verwendet wurde, natürlich zurückgefordert“, versprach Emmerling.