Klimaaktivistinnen und -aktivisten riefen zu der Demonstration gegen die Konferenz auf. Seitens der Polizei gab es am Abend keine offiziellen Zahlen, die Veranstalter sprachen von 7.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Route des Demozuges verlief vom Stephansplatz über die Rotenturmstraße bis zum Karlsplatz.
Banner auf Hotel gehisst
In Niederösterreich hatten zuvor Dienstagfrüh rund 200 Aktivisten der Gruppe „Blockgas“ die Zufahrt zur OMV – mehr dazu in 200 Klimaaktivisten blockieren OMV-Raffinerie (noe.ORF.at). Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich berichtete von zwei Festnahmen. Am späteren Nachmittag zogen sich die Teilnehmer laut „Blockgas“ vom OMV-Areal zurück.
Umweltaktivisten von Greenpeace hissten am Vormittag am Parkring an der Fassade des Hotels Marriott, in dem die Konferenz stattfindet, ein sechs mal acht Meter großes Banner mit der Aufschrift „End Fossil Crimes!“ (z.dt. „Stoppt fossile Verbrechen“). Dafür seilten sich die Umweltschützer aus zuvor angemieteten Zimmern ab. Die Kletterer wurden aus den Zimmern gesichert. Vor dem Hotel forderten Demonstranten mit Tafeln lautstark den Gasausstieg. Greenpeace forderte den sofortigen Stopp neuer Gasexplorations- und Infrastrukturprojekte.
Gaskonferenz: Erneut Proteste
Hollywood-Szenen beim Hotel Marriott, Hausbesetzung im 7. Bezirk und Blockaden bei der OMV in Schwechat. Der Terminplan der Klimaaktivisten und -aktivistinnen war auch am Dienstag mehr als voll.
Zudem müsse Europa sich bis 2035 von fossilem Gas unabhängig machen und stattdessen auf erneuerbare Energien setzen, hieß es in einer Aussendung. Polizeisprecher Daniel Fürst sprach von einer relativ ruhigen Atmosphäre der Aktion, anders als am Vortag. Nach Angaben von Greenpeace waren an der Kletteraktion selbst elf Aktivisten beteiligt, vor dem Hotel demonstrierten zudem rund 40 Menschen.
Polizeibilanz: 142 Anzeigen am Vortag
Indes hat die Polizei im Zusammenhang mit der am Montag erfolgten Auflösung einer nicht genehmigten Versammlung im Kreuzungsbereich Johannesgasse/Kantgasse – unweit des Tagungsorts im Marriott – 142 Personen wegen Verdachts auf schwere gemeinschaftliche Gewalt angezeigt. Eine weitere Person wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zur Anzeige gebracht. Das teilte die Pressestelle der Landespolizeidirektion am späten Dienstagnachmittag mit.
Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten versucht, gewaltsam zum abgesperrten Hotel vorzudringen, wobei sich einige von einer Baustelle Steinen und anderes Material besorgt haben sollen, hieß es. Die Polizei hatte die Versammlung mittels Einsatzes von kanisterweise versprühtem Pfefferspray aufgelöst, was Amnesty International und die Grünen als unverhältnismäßig kritisierten. „Auch bei Demonstrationen muss gesichert sein, dass diese nicht durch Willkür verhindert oder aufgelöst werden“, meinte die Sprecherin der Grünen für Menschenrechte und Migration, Ewa Ernst-Dziedzic, am Dienstag in einer Aussendung.
Einige noch in Polizeigewahrsam
Die Polizei hatte die 143 Personen festgenommen, weil diese ihre Identität nicht preisgeben wollten. Einige wenige von ihnen befanden sich am Dienstagnachmittag noch in Gewahrsam im Polizeianhaltezentrum (PAZ). „Die Feststellung der Identitäten braucht einige Zeit, das muss einfach der Reihe nach abgearbeitet werden“, erläuterte ein Sprecher der Landespolizeidirektion. Sobald die Identität geklärt ist, dürfe jeder nach Hause gehen: „Die Nacht wird keiner im PAZ verbringen.“ Es wird demnach ausnahmslos Freifußanzeigen geben, U-Haft-Anträge sind damit kein Thema.
Pfefferspray-Einsatz verteidigt
Unterdessen wies das Innenministerium Kritik von Amnesty International (ai) und Aktivistinnen und Aktivisten zu dem Polizeieinsatz am Montag zurück. Bei dieser sei es zu Angriffen der Demonstranten auf die Polizistinnen und Polizisten gekommen. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden. „Der Einsatz von Pfefferspray erfolgte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, rechtfertigte sich das Ministerium. Amnesty International hatte kritisiert, die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei „sehr aggressiv“ vorgegangen und habe „unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt“, so die Menschenrechtsorganisation.
„Klimapolitik einfach verabsäumt“
Die Klimapolitik sei in den letzten Jahren einfach verabsäumt, analysiert Umweltökonom Joel Tölgyes vom Arbeiterkammer-nahen Momentum Institut im „Wien heute“-Studiogespräch. „Wir sind sehr abhängig noch immer von Gas. Der Ausbau von Solar und Windenergie ist viel zu langsam vorangeschritten und uns zeigen auch internationale Studien in der Wissenschaft, dass ganz einfach die Öl- und Gasindustrie daran auch einen erheblichen Beitrag hat, weil die einfach auch sehr gekonnt verhindert, dass hier wirklich was weitergeht. Und deswegen auch die große Aufregung.“
Hintergründe zu Gaskonferenz und Protesten
Im Studio spricht Umweltökonom Joel Tölgyes vom Arbeiterkammer-nahen „Momentum“-Institut über Gaskonferenz und Klimaproteste
Pressekonferenz der Umweltaktivisten
Internationale Klimaschützer nahmen zudem am Dienstag bei einer Pressekonferenz globale Aspekte der Energiekrise ins Visier. „Fossile Brennstoffe stiften Krieg“ sagte etwa eine Teilnehmerin von „Fridays for Future“-Ukraine. Ihr Land sei vom größten Gasexporteur der Welt überfallen worden.
Gaskonzerne interessierten sich nicht für Sicherheit, Gesundheit oder das Wohlergehen der Menschen: „Während vier von fünf Europäern Schwierigkeiten hatten, ihre Energierechnungen zu bezahlen, hätten die Konzerne Rekordgewinne eingefahren.“ Eine Sprecherin von „Fridays for Future“-Polen schlug in die gleiche Kerbe: „Unsere Energieinfrastruktur sollte unsere Bedürfnisse befriedigen, und uns nicht in Gefahren, Krisen und Kriege stürzen.“
Ein Aktivist von „Don’t Gas Africa“ betonte, dass sich auf der Konferenz in Wien Chefs europäischer Konzerne tummelten, die Menschen aber, die die Klimakrise spürten, nicht dabei seien. Pläne, die Gasförderung in Afrika auszuweiten, würden die Menschen in Afrika ernsthaft bedrohen. Der globale Norden missbrauche Afrika als Tankstelle.