Ein mutmaßlicher Waffenlieferant vor Gericht
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Anschlag: Neue Details zu Waffenlieferant

Am Dienstag sind neue Erkenntnisse zu Marsel O., dem Waffenlieferanten des Wien-Attentäters, publik geworden. Demnach hat der Slowene, der dem späteren Attentäter im Juni 2020 ein Sturmgewehr nach Wien brachte, schon im März 2020 eine baugleiche Waffe nach Wien geliefert.

Abnehmer im Frühjahr 2020 war laut den Rechercheplattformen „Dossier“ sowie „Oštro “ ein Tschetschene, der mit dem Attentat nichts zu tun hatte und der die Waffe auch nur kurzzeitig besessen hatte – auf Betreiben seiner Mutter gab er das im ehemaligen Jugoslawien hergestellte Sturmgewehr der Marke Zastava M70 samt Munition und einer mitgelieferten Handgranate wieder zurück.

Waffenhändler nicht belangt

Dessen ungeachtet wurde der Tschetschene für den kurzzeitigen illegalen Waffenbesitz im April 2021 vom Wiener Landesgericht zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt, während der slowenische Waffenhändler für diesen Deal – eben so wie für das drei Monate später mit dem Wien-Attentäter abgewickelte Sturmgewehr-Geschäft – aufgrund eines Fehlers der Staatsanwaltschaft Wien nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte, wie sich „Dossier“ von der Anklagebehörde bestätigen ließ.

Wegen einer im Jahr 2021 irrtümlich verfügten Verfahrenseinstellung war Marsel O. für sämtliche allfällige Verstöße nach dem Kriegsmaterialgesetz nicht mehr zu belangen – eine nachgebaute Kalaschnikow fällt unter das Kriegsmaterialgesetz. Wie Behördensprecherin Bussek dazu am Dienstag auf APA-Anfrage präzisierte, wäre – bezogen auf Marsel O. – von der irrtümlich getroffenen Verfügung jedweder mögliche, in einem bestimmten Zeitraum gesetzte Verstoß nach dem Kriegsmaterialgesetz betroffen gewesen.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte diesen Lapsus der Strafverfolgungsbehörde Ende Mai als „inakzeptablen Fehler, der klare Konsequenzen nach sich ziehen muss“ bezeichnet und eine Stärkung der internen Fachaufsicht sowie strukturelle Änderungen in der betroffenen Behörde angeordnet.

Verfassungsschutz ersuchte um Festnahme

In diesem Zusammenhang erscheinen „Dossier“-Recherchen insofern bemerkenswert, als diese nun zeigen, dass das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Ende März 2021 die zuständige Staatsanwältin in einem Anlassbericht um Anordnung der Festnahme von Marsel O., einen Europäischen Haftbefehl und eine Hausdurchsuchung ersucht hatte. Der Verfassungsschutz stieß damit aber auf kein Gehör. „Mangels konkreter Terrorismusverdachtslage“ seien die Festnahme sowie die Hausdurchsuchung „nicht bewilligt worden“, zitiert „Dossier“ aus dem Endbericht des LVT.

Folglich wurden weder der Wohnsitz von Marsel O. in Slowenien durchsucht noch sein Handy beschlagnahmt, das er nachträglich ablieferte und für das er acht verschiedene Rufnummern verwendet hatte. Es kam auch zu keinem Auslieferungsersuchen seitens der Wiener Justiz, die gegen den Mann ein Inlandsverfahren führte, weil Slowenien die Übernahme der Strafverfolgung des Mannes abgelehnt hatte. Wie „Dossier“ herausfand, soll dessen Vater in Slowenien etliche Jahre als Polizist gearbeitet haben.

Bei dem Anschlag in Wien vom 2. November 2020 wurden vier Passanten getötet, ehe der Attentäter von der Polizei erschossen wurde.